E10 am Ende? Was Autofahrer wissen müssen

Berlin - Nach der mangelnden Akzeptanz des neuen Biosprits E10 schrillen jetzt auch die Alarmglocken bei den Autobauern. Der Biosprit kann auch neuen Autos schaden. Was Sie jetzt wissen müssen.
Sollten bisher nur die Besitzer der drei Millionen älterer Autos den neuen Biosprit wegen möglicher Motorschäden nicht tanken, warnt jetzt der Chef der BMW-Mechanikentwicklung, Thomas Brüner, in der WamS: Auch für Fahrzeuge neueren Datums könnte E10 negative
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Auswirkungen haben! BMW will umgehend zusammen mit dem Konkurrenten Daimler entsprechende Tests durchführen. Nach dem massiven Verbraucherboykott des mit Ethanol gemischten Benzins wollen morgen Experten von Politik, Wirtschaft, Autoherstellern, Automobilverbänden und Verbraucherschützern auf einem Krisengipfel bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle entscheiden, was aus dem ungeliebten Biosprit wird – oder ob E10 wieder vom Markt verschwinden soll.
Die tz beleuchtet die wichtigsten Fragen und Antworten für Autofahrer und die Umwelt:
Die Folgen für die Autofahrer
Wie könnte E10 auch Motoren neuerer Baujahre schädigen?
„Durch den hohen Ethanolanteil nimmt die Wassermenge im Motor zu“, erklärte Thomas Brüner, „Das Wasser kondensiert aus den Verbrennungsgasen und gelangt ins Öl, das dadurch verdünnt wird und schneller altert. Je nach Land und der dort verfügbaren Kraftstoffqualität kann es daher sein, dass wir die Ölwechselintervalle verkürzen müssen.“ Veraltetes Motoröl oder ein höherer Ölverbrauch können zu einem vorzeitigen Motorverschleiß und Schäden an den Kolben führen.
Dürfen BMW-Besitzer noch E10 tanken?
BMW-Experte Brüner: „Die Verwendung von E10 in unseren Benzinmotoren ist grundsätzlich unbedenklich.“
Wie können Autofahrer mögliche Schäden verhindern?
Experten raten Autofahrern, künftig häufiger den Ölpeilstab zu kontrollieren. Wird ein höherer Ölstand als bei der vorigen Kontrolle angezeigt, bestehe Verdacht auf Verdünnung des Schmiermittels. Dann wäre umgehend ein kompletter Ölwechsel erforderlich.
Haften Hersteller der für E10 freigegebenen Autos, falls es zu Schäden durch E10 kommt?
Die Autohersteller geben Autobesitzern keine schriftliche Garantie, sondern verweisen lediglich auf die Freigabeliste der deutschen Automobiltreuhand DAT (www.dat.de/e10 oder www.adac.de/e10). ADAC-Sprecher Christian Buric: „Der Verbraucher wäre in der Beweispflicht, wenn er einen Schaden durch E10 an seinem Fahrzeug vermutet.“
Wie entwickelt sich der Benzinpreis, wenn E10 auf dem Markt bleibt?
Sollte E10 am Markt bleiben sollen die Ölmultis in Deutschland als Alternative nicht nur das teure Superplus mit 98 Oktan, sondern auch das fünf bis sieben Cent billigere Super E5 mit 95 Oktan anbieten müssen. Röttgen in der ADAC-Mitgliederzeitung: „Die Vorgaben verpflichten die Tankstellen deshalb, weiterhin auch E5 anzubieten, und zwar zeitlich unbegrenzt. Wenn die Hersteller trotzdem nur noch das teurere 95-Oktan-Benzin anbieten, dann können und müssen sie es billiger machen.“ Steigt die E10-Akzeptanz demnächst, wird der Preis für Biosprit nach Ansicht von Experten ansteigen und dem Superpreis angeglichen.
Und wenn E10 verschwindet?
Dann ist damit zu rechnen, dass die Ölmultis die staatlichen Strafen von zwei Cent pro Liter auf den Superpreis draufschlagen.
Die Folgen für die Umwelt
Verursacht das neue E10 tatsächlich weniger Treibhausgase als das heutige Superbenzin E5?
Umweltminister Norbert Röttgen verweist auf entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen. Doch Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland widerspricht: Neun europäische Umweltverbände haben jüngst eine Studie vorgelegt, nach der Biosprit durch viel Kunstdünger, energiefressende Herstellungsverfahren und lange Transportwege unter dem Strich schlechter abschneidet als herkömmlicher Treibstoff.
Wie ist es um die Ökobilanz von Biokraftstoffen bestellt?
„Der positive Beitrag von Agrarkraftstoffen zum Klimaschutz ist sehr gering“, sagt der Landwirtschaftsexperte von Greenpeace, Martin Hofstetter: „Unter Umständen ist er sogar negativ und kann den Klimawandel anheizen. Besonders wenn für die Erzeugung der Agrartreibstoffpflanzen Urwälder gerodet werden.“ Auch gravierende Umweltprobleme seien absehbar: „Es wird zu erhöhten Lachgasemissionen, Überdüngung von Gewässern und Biosiversitätsverlusten durch den Anbau in Monokultur kommen.“
Kann in Deutschland die benötigte Ethanolmenge angebaut bzw. erwirtschaftet werden?
Derzeit werden in Deutschland etwa eine Million Kubikmeter Ethanol aus Weizen, Mais und Zuckerrüben hergestellt. Tendenz stark steigend. „Um den Bedarf an Ethanol hierzulande zu decken, müsste die Agrarwirtschaft die ganzen landwirtschaftlichen Flächen hernehmen – die würden dann für Viehfutter und Lebensmittel fehlen“, sagt Dietmar Oeliger von Naturschutzbund Deutschland zur tz.
Woher kommt dann das meiste Ethanol?
Es wird aus Brasilien und Indonesien exportiert. Greenpeace hat durch Proben festgestellt, dass ein Großteil von Biodiesel gar nicht mehr aus Raps, sondern aus Soja- und Palmöl hergestellt wird.
Hat der verstärkte Treibstoffflanzenanbau bereits Folgen?
Ja. „In Mecklenburg-Vorpommern, wo immer mehr Monokulturen mit Raps entstanden sind, wurde eine erhebliche Zunahme von Schädlingen festgestellt“, berichtet Naturschützer Oeliger. Ähnliches sei durch verstärkten Maisanbau für Biogansanlagen zu beobachten. Die Schädlinge müssen mit immer mehr Pestiziden bekämpft werden. Mittlerweile wird stark vermutet, dass darauf das Bienensterben zurückzuführen ist, das auch in Bayern derzeit eklatant ist.
Werden durch den steigenden Anbau der Spritpflanzen Lebensmittel teurer?
„Das ist wohl die unabdingbare Folge“, sagt Experte Oeliger. Lebensmittel werden in den Anbauländern der Treibstoffpflanzen knapp und teuer. Das betrifft vor allem die Ärmsten besonders hart. Gleichzeitig erhöht es den Run auf die Abholzung der Urwälder, um neue Anbauflächen zu bekommen.
Uwe Fajga