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Jetzt spricht der Lokführer von Todeszug: „Will mit der Bahn nichts mehr zu tun haben!“

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Von: Markus Zwigl, Martin Weidner

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Einsatzkräfte des Rettungsdienst stehen nach einem Bahnunfall mit zwei Toten nahe der Unglücksstelle zwischen Stockstadt und Mainaschaff. Eineinhalb Jahre nach dem Bahnunfall kommt es am 2. März vor dem Amtsgericht Aschaffenburg zu einer Gerichtsverhandlung. Angeklagt ist ein damals als Sicherungsposten eingesetzter Mann wegen fahrlässiger Tötung.
Einsatzkräfte des Rettungsdienst stehen nach einem Bahnunfall mit zwei Toten nahe der Unglücksstelle zwischen Stockstadt und Mainaschaff. Eineinhalb Jahre nach dem Bahnunfall kommt es am 2. März vor dem Amtsgericht Aschaffenburg zu einer Gerichtsverhandlung. Angeklagt ist ein damals als Sicherungsposten eingesetzter Mann wegen fahrlässiger Tötung. © Ralf Hettler/dpa

Aschaffenburg – Ein Zugunglück mit zwei toten Bauarbeitern an der bayerisch-hessischen Landesgrenze beschäftigt weiter die Justiz. Im Mittelpunkt steht ein Angeklagter (29), der, statt seine Kollegen vor einem herannahenden Zug zu warnen, an seinem Handy spielte. Vor Gericht hat nun auch der Lokführer (32) des Todeszuges ausgepackt:

Update, 3. März, 11.30 Uhr - Jetzt spricht der Lokführer

Seit einem tödlichen Zugunglück in Unterfranken vor eineinhalb Jahren hat der damalige Lokführer Zweifel an seiner Arbeit. „Ich bin gerade dabei, den Job zu wechseln“, sagte der 32-Jährige jetzt vor dem Amtsgericht Aschaffenburg. Er habe kein Vertrauen mehr „in das ganze System der Bahn“, auch weil er nach dem Unfall am 1. September 2020 mit zwei toten Bauarbeitern später Zeuge eines Beinaheunglücks geworden sei, bei dem ein Fahrdienstleiter Fehler gemacht habe. „Ich will auf jeden Fall nichts mehr mit der Bahn zu tun haben.“ Bisher sei er noch bei der Hessischen Landesbahn angestellt. Was er künftig mache wolle, wisse er noch nicht.

„Ich bin ein sehr pingeliger Mensch geworden. Ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch geworden“, sagte der Lokführer. „Ich habe einfach kein Vertrauen mehr in alles.“ Dass er die 22 und 34 Jahre alten Arbeiter mit der Regionalbahn auf der Strecke an der bayerisch- hessischen Landesgrenze erfasste, habe er gar nicht mitbekommen, lediglich ein Geräusch gehört.

Vor Gericht steht ein 29-Jähriger, der damals als Aufsichtsperson an der Bahnstrecke zwischen Mainaschaff und Stockstadt am Main eingesetzt war. Er sollte laut Anklage die Arbeiter in Gleisnähe warnen, wenn ein Zug kommt, oder die Strecke sperren lassen. Beides habe er nicht getan, sagte der Angeklagte zu Prozessauftakt. Sein Verteidiger sprach von einem Fehler. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann fahrlässige Tötung vor (siehe Erstmeldung).

Die Erstmeldung:

An einem sonnigen Herbsttag (1. September 2020) ereignete sich im Landkreis Aschaffenburg ein tragischer und schrecklicher Unfall: Zwei Bauarbeiter wurden im Bereich einer Bahnbrücke zwischen Stockstadt am Main und Mainaschaff auf einer dortigen Baustelle von einem Regionalzug erfasst. Beide Männer (22/34) erlitten schwerste Verletzungen, starben noch am Unfallort. Jede Hilfe kam leider zu spät. Die siebzehn Insassen des beteiligten Regionalzuges blieben zum Glück unverletzt.

Staatsanwaltschaft spricht von fahrlässiger Tötung

Lange war unklar, wie es zu diesem Unglück kommen konnte, bis der Verdacht auf die am Unglücksort anwesende Aufsichtsperson fiel. Mit Prozessauftakt wurden tragische Details bekannt. „Er bedauert seine Fehlentscheidung an dem Tag auch ganz extrem“, sagte Rechtsanwalt Christian Giloth am Mittwoch vor dem Amtsgericht Aschaffenburg. Der Angeklagte soll bei den Bauarbeiten an der Bahnstrecke als Aufsichtsperson seine Pflichten verletzt haben - die Anklage wirft ihm fahrlässige Tötung vor. Der 29-Jährige soll sich mehr mit seinem Handy beschäftigt haben, statt auf den Zugverkehr zu achten und seine Kollegen zu warnen.

Der Angeklagte hätte eigentlich die Arbeiter warnen sollen, „wenn ein Zug von Mainaschaff über den Main in Fahrtrichtung Stockstadt fuhr“, sagte Oberstaatsanwalt Marco Schmitt. Stattdessen hat er sich wohl mehr mit seinem Mobiltelefon beschäftigt, so der Vorwurf.

Der Angeklagte sitzt im Amtsgericht. Der 29-Jährige ist der fahrlässigen Tötung angeklagt. Er soll nicht dafür gesorgt haben, dass Zuggleise während Bauarbeiten gesperrt wurden. Zwei Gleisarbeiter wurden bei dem Zugunglück bei Stockstadt tödlich verletzt.
Der Angeklagte sitzt im Amtsgericht. Der 29-Jährige ist der fahrlässigen Tötung angeklagt. Er soll nicht dafür gesorgt haben, dass Zuggleise während Bauarbeiten gesperrt wurden. Zwei Gleisarbeiter wurden bei dem Zugunglück bei Stockstadt tödlich verletzt. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Zeuge: „Er war am Handy, als der Zug kam“

Ein Kollege des Angeklagten bestätigt vor Gericht die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. „Er war am Handy, als der Zug kam“, sagte der 26 Jahre alte Zeuge.

„Er (der Angeklagte) hat es am Anfang nicht mitbekommen, dass ein Zug auf meiner Seite kam“, sagte der Zeuge, der am Unfalltag als Sicherungsposten eingesetzt war. Eigentlich hätte der 29-Jährige zu diesem Zeitpunkt auf der gegenüberliegenden Seite stehen müssen. „Genau in diesem Moment kam von der anderen Seite auch ein Zug“ - dies habe der Angeklagte nicht bemerkt.

Als der Güterzug und die Regionalbahn weg gewesen sein, „habe ich gesehen, dass zwei Leute auf dem Boden liegen“, schilderte der 26-Jährige. „Als die zwei gestorben sind, hat er (der Angeklagte) das gar nicht mitbekommen.“

Angeklagter spricht von Druck und Durcheinander

„Es war immer Druck und Durcheinander auf der Baustelle. Die haben immer gesagt, wir müssen fertigmachen“, versuchte der 29-Jährige dem Gericht zu erklären, warum er die Strecke nicht gesperrt hatte, obwohl die Bauarbeiter den erforderlichen Sicherheitsabstand zu den Gleisen nicht einhielten.

Die Anklage spricht von Gleichgültigkeit und Außerachtlassung der Sorgfaltspflichten. So soll der 29-Jährige zeitweise eben nicht auf seiner zugeteilten Position am Gleis gestanden, sondern sich an anderer Stelle mit einem Kollegen unterhalten haben. Zudem soll er sich mit seinem Handy beschäftigt haben und möglicherweise abgelenkt gewesen sein, so dass er die Bauarbeiter nicht vor der Bahn warnen konnte.

mz/dpa

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