"Interventionen" am Jodl-Grab: Offener Brief an die Richter

Chiemsee - Weil der Aktionskünstler Wolfram Kastner sich nun vor Gericht verantworten muss, veröffentlichte die Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg nun einen offenen Brief, um Kastner zu unterstützen.
Der Aktionskünstler Wolfram Kastner hat, nach seinen Worten, "Interventionen" am Scheingrab des Wehrmachtsgenerals Alfred Jodl an der Grabstätte von dessen Familie auf der Insel Frauenchiemsee vorgenommen. Bereits Ende Dezember war bekannt geworden, dass deswegen ein Strafbefehl über 10.500 Euro erlassen worden war. Zuletzt hatte Kastner Anfang September das Wort "Kriegsverbrecher" aufgemalt.
Unterstützung bekommt Kastner nun von der Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg, die sich in einem offenen Brief an Richterin Christina Wand vom Amtsgericht Rosenheim und an Richter Uwe Habereder vom Landgericht München I wendet.
Der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Richterin Wand, sehr geehrter Herr Richter Habereder, sehr geehrte Damen und Herren,
mit Entsetzen haben wir erfahren, dass gegen den Aktionskünstler Wolfram Kastner vom Amtsgericht Rosenheim ein Strafbefehl über 10.500 € erlassen wurde. Grund dafür sollen Diebstahl, Nötigung und Sachbeschädigung am Denkmal des NS-Generals und Kriegsverbrechers Alfred Jodl auf der Fraueninsel sein. Zudem erließ das Landgericht München I gegen W. Kastner eine einstweilige Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € oder einer Haft von bis zu 6 Monaten.
Alfred Jodl wurde nach dem zweiten Weltkrieg zum Tode verurteilt. Seine Asche wurde in die Isar gestreut. Im Friedhof der Fraueninsel steht ein Steinkreuz mit seinem Namen zwischen den Gräbern seiner Schwester und seiner Ehefrau. Dieses Steinkreuz ist eine Attraktion für Faschisten und eine Pilgerstätte für die NPD.
Die Existenz eines Denkmals für einen Nazi-Kriegsverbrecher ist eine Provokation für jeden demokratischen Bürger unseres Landes. Ein Land, das in der NS-Diktatur und dem zweiten Weltkrieg so sehr gelitten hat und verantwortlich für das Leid anderer Völker war. Dass nun ein Künstler von der Justiz belangt wird, weil er auf diesen skandalösen Zustand hingewiesen hat, ist für uns demokratische Bürger ein Schlag ins Gesicht.
Dabei geht es uns nicht in erster Linie darum, ob der Stil des Künstlers Kastner von jedem als geschmackvoll und angemessen empfunden wird. Wichtig ist für uns, dass die demokratische und freiheitliche Grundordnung unseres Landes von jeder und jedem respektiert wird.
Als mündige und demokratische Bürgerinnen und Bürger erwarten wir, dass das Denkmal des NS-Kriegsverbrechers Jodl entfernt wird. Wir erwarten auch, dass Wolfram Kastner und seine Unterstützerinnen und Unterstützer in dieser Sache nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten, Kreisverband Traunstein Die Linke. Kreisverband Traunstein Z – Linkes Zentrum in Selbstverwaltung, Rosenheim
Hintergrund
Das Scheingrab von Jodl auf der Fraueninsel steht immer wieder im Mittelpunkt scharfer Kritik. 2018 soll die Stätte aufgelöst werden. Im dritten Reich ist Jodl an führender Stelle an der Planung von deutschen Militäroperationen beteiligt gewesen. 1946 ist er nach dem Nürnberger Prozess von den Alliierten hingerichtet worden.
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