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Ein Amerikaner in Bad Reichenhall: Der Chef der Philharmoniker im Gespräch

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Von: Raphaela Kreitmeir

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Daniel Spaw dirigiert die Bad Reichenhaller Philharmoniker
Daniel Spaw möchte mit seiner Musik begeistern und unterhalten. © Martin Köppl

Daniel Spaw ist seit genau einem Jahr Generalmusikdirektor und Künstlerischer Leiter der Bad Reichenhaller Philharmoniker. Der 36-Jährige steht für eine neue Generation im klassischen Musikbetrieb, überwindet die Grenze zwischen E- und U-Musik und spricht neue Zielgruppen an. Trotz oder gerade wegen Corona. Ein Gespräch über Schwierigkeiten und Chancen der Philharmoniker in der Pandemie, über das Programm 2022 und sein Ankommen in Bad Reichenhall.

von Raphaela Kreitmeir

Sie sind seit Ende 2020 Generalmusikdirektor und Künstlerischer Leiter der Bad Reichenhaller Philharmoniker. Seit genau diesem Zeitraum hat Corona den Kulturbetrieb fest im Griff. Welche Pläne hatten Sie und was war möglich?

Corona war und ist seit meinem Einstand allgegenwärtig. So war am Tag nach meinem Umzug nach Bad Reichenhall im Oktober 2020 die Inzidenz im Berchtesgadener Land so hoch, dass der Landkreis als einziger in Deutschland in den Lockdown gehen musste. Der Lockdown setzte sich dann im ganzen Land fort. Das hat nicht nur meine Pläne durcheinander gebracht, sondern die Pläne von allen. In den Folgemonaten haben wir versucht, das zu realisieren, was unter den jeweiligen Umständen möglich war, hatten Konzerte, bei denen die Musiker den Sicherheitsabstand einhielten, mit und ohne Publikum, bis hin zu Konzerten, die wir „nur“ als Livestream übertrugen. Denn so schwierig und für viele katastrophal die Lage auch war, hatte sie auch einen positiven Effekt: Die Pandemie war unser Weckruf, online zu gehen.

Zur Person

Seit Dezember 2020 ist Daniel Spaw Generalmusikdirektor und Künstlerischer Leiter der Bad Reichenhaller Philharmoniker. Aufgewachsen ist er in Nashville, Tennessee, war Stipendiat des Internationalen Richard Wagner Verbands und hat einen Abschluss im Konzertfach Klavier von der Indiana University in Bloomington sowie im Fach Orchesterleitung von der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Bevor er nach Bad Reichenhall kam, war Spaw bereits Kapellmeister am Landestheater Linz und am Theater Hof.

Mehr über Daniel Spaw und die Bad Reichenhaller Philharmoniker unter www.brphil.de

Kann man Musik im Videostream genauso erleben wie live?

Live ist es natürlich etwas ganz anderes, da ist man mittendrin, spürt die Spannung, ist Teil eines Gemeinschaftserlebnisses. Aber in der Situation ging es darum, Musik überhaupt erlebbar zu machen. Das war für unsere Musikerinnen und Musiker wichtig und auch für unser Publikum. Wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir weiterhin für die Menschen da sind und konnten für dieses Projekt tolle Partner gewinnen. So hat ein Videograf aus Wien die Musik in Szene gesetzt und das Regionalfernsehen RFO hat drei Livestreams übertragen. Auf unserem YouTube-Kanal verzeichneten wir mehr als 200.000 Klicks, was zeigt, wie groß das Interesse war. 

Ausgewählt wurden Sie, und das ist einzigartig in der 152-jährigen Geschichte des Orchesters, allein von den Musikern. 

Dieser Vertrauensbeweis bedeutete und bedeutet mir sehr viel. Er war für mich die Grundlage, dass wir gemeinsam daran arbeiten können, unsere jeweiligen Ziele und Ansprüche unter einen Hut zu bekommen. Dazu gehören auch Reibungen. Künstlerisches Schaffen braucht sogar diese Reibungen, weil sie Energie freisetzen. Wie man damit umgeht, ist ausschlaggebend. Weil unser Vertrauen zueinander stetig wächst, erleben die Musikerinnen, Musiker und ich es trotz der schwierigen Zeiten als Freude und Privileg miteinander arbeiten und Musik machen zu können.

Aus wie vielen Musikern bestehen die Philharmoniker? 

Das Orchester besteht aus etwa 40 Stamm-Musikerinnen und -Musiker, je nach Programm kommen noch weitere Aushilfen dazu. Die Altersspanne reicht von Anfang 20 bis Mitte 60. Unabhängig vom Alter liegt die große Stärke aller darin, Musik jung, frisch und frei klingen zu lassen.

Daniel Spaw, Generalmusikdirektor und Künstlerischer Leiter der Bad Reichenhaller Philharmoniker
Daniel Spaw, Generalmusikdirektor und Künstlerischer Leiter der Bad Reichenhaller Philharmoniker © Andrés Añazco

Hat ein Kurorchester nicht ein anderes, altmodischeres Image?

Der Begriff ist etwas angestaubt, denn wir sind am Ende ein Philharmonisches Orchester. Im Bereich der Kurmusik ist die wichtigste Aufgabe, das Publikum zu unterhalten. Und genau das wollen wir tun. Dabei lassen wir uns von der in Deutschland oft strikten Trennung in ernste, also klassische, und Unterhaltungs-Musik nicht beeinflussen, sondern versuchen, diese ernste Distanziertheit auch bei klassischen Symphonien zu überwinden. Bei unseren Konzerten ist es nicht nötig, sich vorab stundenlang Expertenwissen zum Werk anzueignen. Musik will erlebt werden – direkt und unmittelbar berühren.

Sie haben einen ganz neuen Stil in den Konzertsaal gebracht, greifen zwischen den Programmpunkten zum Mikro und sagen etwas zur Musik. Was wollen Sie damit bewirken?

Es gibt ja Gründe, warum ich Stücke aufs Programm gesetzt habe, warum sie mir nah sind und mich berühren. Und genau dies will ich dem Publikum vermitteln, eine Nähe schaffen zur Musik, zu den Musikerinnen und Musikern und zu mir als Dirigent. Indem die Menschen etwas über meine Beweggründe genauso wie über den Komponisten erfahren, wissen, wo sich ganz besondere Momente in der Musik verbergen, haben sie ein reichhaltigeres Konzerterlebnis. Das wird mir immer wieder bestätigt. 

Auf welche Musikerlebnisse darf sich das Publikum 2022 freuen?

Auf die Mozarttage im März zum Beispiel. Da steht natürlich das Genie aus Salzburg im Mittelpunkt, aber wir kombinieren dazu die Sinfonietta „A memória de Mozart“ des brasilianischen Komponisten Villa-Lobos. Oder die Konzertreihe volksTANZ, bei der wir mit Werken von Ralph Vaughan Williams, Jean Sibelius und Ludwig van Beethoven die Magie des Tanzes feiern. Im Juni lassen wir im philharmonischen Konzert den Sound der „New World“ in Bad Reichenhall erklingen.

Das Programm 2022 umfasst unter anderem Kammerkonzerte, Swing, Wiener Klassik, Jazz, Operette, lateinamerikanische Rhythmen, Salonmusik und Sinfoniekonzerte. Welches Genre bevorzugen Sie? 

Da fällt meine Antwort diplomatisch aus: Die Vielfalt macht‘s aus. Die Abwechslung wirkt inspirierend und bereichert uns auch als Musiker. Denn wenn man ein Gespür für Jazz hat, kann man beispielsweise Mozart ganz anders interpretieren.

Sie arbeiten und wohnen jetzt seit etwas mehr als einem Jahr in Bad Reichenhall. Haben Sie sich gut eingelebt?

Die Gegend und die Menschen machen einem das Ankommen leicht. Man lebt hier mitten in der Natur, geht aufgeschlossen aufeinander zu und miteinander um. Auch wenn ich meist arbeite, kann ich mich draußen erholen. So habe ich das Waldbaden für mich entdeckt. Das wird in Japan bei Stress sogar von Ärzten verschrieben. Hier gehe ich einfach vor die Tür und kann in die Natur eintauchen. Diese Nähe zur Natur und zu Österreich, wo sie aufgewachsen ist, liebt auch meine Frau. Den Großteil ihrer Zeit ist sie derzeit in Gera-Altenburg, wo sie als Cellistin arbeitet. Aber wenn sie frei hat, kommt sie von Südost-Thüringen nach Südost-Bayern und wir genießen gemeinsam all das, was Bad Reichenhall bietet. 

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