„Dieser Naturfrevel war kein Versehen“: Wildbach soll wiederhergestellt werden

Kaum ein Umweltskandal beschäftigt Bayern gerade so wie der ausgebaggerte Rappenalpbach im Allgäu. Umweltminister Thorsten Glauber hat den Frevel am Wildbach zur Chefsache gemacht. Nun traf er im Umweltausschuss auf elf Alpbauern.
München/Oberstdorf – Josef Florian ist am Donnerstag schon früh in den Zug nach München gestiegen. Mit zehn anderen Älplern der Alpgenossenschaft Rappenalpe fuhr der 68-Jährige von Oberstdorf im Oberallgäu nach München – 126,89 Kilometer Luftlinie. Mit eigenen Ohren wollten sie hören, was Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) um 9.15 Uhr dem Umweltausschuss im Landtag berichtet. Schließlich wird die Genossenschaft, der Florian schon über 40 Jahre angehört, beschuldigt, den Rappenalpbach ohne Genehmigung des Landratsamtes ausgebaggert, begradigt und naturschädigend ausgebaut zu haben. Für manche sind die Älpler gerade die größten Buhmänner im Freistaat.
Rosi Steinberger, Vorsitzende und Grünen-Abgeordnete, hatte den Umweltminister in den Ausschuss zitiert. „Ich erwarte eine umfassende Darstellung der Geschehnisse im Rappenalptal“, sagte sie. Naturschützer bewerten die mutmaßlich illegalen Umbaumaßnahmen am Allgäuer Wildbach als Umweltskandal – denn er liegt in einem extrem geschützten Gebiet, einem sogenannten Fauna-Flora-Habitat.

Umweltminister: „Dieser Naturfrevel ist mit Sicherheit kein Versehen gewesen“
„Dieser Naturfrevel ist mit Sicherheit kein Versehen gewesen“, sagte der Umweltminister am Donnerstag erneut. „Da das Gebiet streng geschützt ist, ist auch das Ausbaggern des Wildbaches verboten.“ Mit bis zu 50.000 Euro Bußgeld oder bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe werden solche Delikte geahndet, sagte er. Drohnenaufnahmen zeigen, dass der Bach auf einer Strecke von 1,6 Kilometern seines natürlichen, mäandernden Verlaufs beraubt wurde. Zurück bleibt eine Kraterlandschaft, ein Kanal mit Dämmen. Zudem liegt der Bach jetzt 2,5 Meter tiefer. Laut Glauber keine gängige „Unterhaltsmaßname“. So heißen Arbeiten, die Bach, Verlauf und Tal samt Weidegebieten erhalten, aber nicht umbauen wollen. „Durch das Ausbaggern ist der Bach viel dynamischer und Gefahr für Hochwasser.“ Die Schneeschmelze will Glauber noch abwarten. Dann werde im Frühjahr alles getan, um den Rappenalpbach in den früheren Zustand zurückzuversetzen. „Es gibt ein Konzept“, sagte er, wollte aber nicht mehr verraten. Über die Kosten wollte das Umweltministerium auf Nachfrage auch noch keine Aussage treffen.
Der Rappenalpbach ist zum Politikum geworden. Zuerst hatten zwei Verwaltungsgerichte die Arbeiten der Genossenschaft als illegal bezeichnet. Diese streitet mit dem Landratsamt. Die Älpler berufen sich darauf, dass die Behörde gewisse Erhaltungsmaßnahmen des Baches mit einem einfachen Aktenvermerk genehmigt hatte. Das Landratsamt wirft ihnen vor, viel mehr als erlaubt veranlasst zu haben – keine reinen „Unterhaltsmaßnahmen“.
Schwere Versäumnisse beim Landratsamt?
Eine kleine Wende kam vor wenigen Tagen: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stärkte die Position der Genossenschaft.Wegen des Vermerks konnten die Bauherren von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns ausgehen. Beim Landratsamt sah das Gericht schwere Versäumnisse. Die Kripo ermittelt weiterhin.
Im Dezember galten die Älpler noch als rücksichtslose Natur-Zerstörer. Die Abgeordneten machten gestern aber keine Schuldzuweisungen. Einige erklärten, wie wichtig Beweidung sei. Andere gaben zu bedenken, dass Bäche sich auch selbst verändern können, etwa bei Hochwasser. „Wir verfallen zu schnell in einen Vorverurteilungsmodus“, sagt Klaus Steiner (CSU). „Wir dürfen nicht Ersatz-Staatsanwaltschaft spielen. Wir müssen Ermittlungen abwarten.“
Josef Florian und die Älpler haben die Sitzung wortlos mitverfolgt. Der Bach im Tal gebe nie Ruhe, sagt er hinterher und glaubt, dass das jetzt auch einige Abgeordnete verstehen. Nach Hochwasser im August hätten die Älpler auf den Bescheid des Landratsamtes hin das Bachgeschiebe verändert – so wie 2005, als sie nach einem Hochwasser Ministerpräsident Edmund Stoiber besuchte. Der wollte mit Beton auffüllen, die Älpler laut Florian nur mit ihrem Geröll. „Im Bach steht fast jedes Jahr ein Bagger drin“, sagt Florian. Und fügt hinzu: Öffentlich so an den Pranger gestellt zu werden, zehre an ihm und seiner Familie.