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„Wolf als billiges Wahlkampfthema“: Bund Naturschutz klagt gegen neue Wolfsverordnung

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Von: Katrin Langenwalter

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Collage: Links Wolfsmutter mit Kindern. Mitte Vorsitzender des BUND Naturschutz Bayern, Richard Mergner. Rechts überfahrender Wolf.
Richard Mergner, Erster Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern, sieht keine Rechtsgrundlage für die neue Wolfsverordnung der Regierung. Die Naturschutzverbände freuen sich über die Rückkehr des Wolfes, andere würden ihn lieber tot sehen. Links eine Wölfin mit Nachwuchs. Rechts im Bild ein überfahrener Wolf. 20 Prozent aller Wölfe sterben im Straßenverkehr. © Collage: picture-alliance/ dpa | Uwe Zucchi ; Richard Mergner, BN; picture alliance / dpa | Micha Herdtfelder

„Der beliebige Abschuss vom Wolf bringt keinen Schutz für Weidetiere, höchstens Wählerstimmen“. Der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern (BN), Richard Mergner macht auf der Pressekonferenz am Mittwoch (24. Mai) klar: „Wir wollen, dass sich die Staatsregierung wieder auf einen konstruktiven Weg begibt.“ Die einzige Möglichkeit sei guter Herdenschutz und Wolfsmanagement. Den Weidetierhaltern werde eine einfache Lösung vorgegaukelt - nämlich die Verbannung des Wolfes im bayerischen Alpenraum: Warum das wohl nicht funktionieren wird:

Nürnberg /Bayern – Man kann fast schon von einem Rotkäppchen-Effekt sprechen: Die Furcht geht um im Chiemgau und Berchtesgadener Land - längst nicht mehr nur bei den Bauern. Wolf und Bär sind zurück. Und mit ihnen die Urängste des Menschen vor den menschenfressenden Bestien. Sichtungsmeldungen, manche wahr, manche fake; schockierende Bilder von gerissenen Schafen und wütenden Bauern. In den Medien vergeht kein Tag ohne eine Schlagzeile zum Thema: Bärenangriff auf einen Jogger, Tierfilmer Andreas Kieling von Bär angegriffen, Wolfsrisse im Berchtesgadener Land. Gefühlt steht hinter jedem Baum ein Bär oder Wolf. Dabei ist es de facto praktisch unmöglich, ein solches Tier zu Gesicht zu bekommen: Trotzdem trauen sich so manche nur noch mit Bären-Abwehrspray in den Wald.

Neue Wolfsverordnung soll Abschuss erleichtern: „Für die Tonne“, sagt der Bund Naturschutz

Die Antwort der Politik: Der Ministerrat hatte am 25. April die neue bayerische Wolfsverordnung beschlossen, die seit 1. Mai gilt. Ziel sei es, so die Pressemitteilung der bayerischen Regierung, Erleichterungen für Ausnahmen von den Schutzvorschriften der EU und des Bundesnaturschutzgesetzes für den streng geschützten Wolf auf den Weg zu bringen. Damit würden Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) und Landschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hinter den Almbauern stehen. Mit Nichten – sagt Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz. Ganz im Gegenteil: „Die Arbeit sei für die Tonne.“

Screenshot der Pressekonferenz des BUND Naturschutz Bayern zur Klage gegen die Wolfsverordnung.
Der BUND Naturschutz Bayern nimmt Stellung zur Klage gegen die neue bayerische Wolfverordnung. Bei der Pressekonferenz, die in Präsenz in Nürnberg und auch online statt fand, äußerten sich links oben: Uwe Friedel, Artenschutzbeauftragter; links unten: Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß; rechts oben: Pressesprecher Felix Hälbich und rechts unten: Erster Vorsitzender des BUND Naturschutz, Richard Mergner. © Bund Naturschutz Bayern

Bloßes Wahlkampfgeheule? Wolfsverordnung nicht mit Naturschutzrecht vereinbar

„Umwelt- und Landwirtschaftsministerium wurden von Söders Aktionismus überrumpelt“, so Mergner in einer Pressemitteilung. Sie hätten mit heißer Nadel an einer Verordnung stricken müssen, die hinten und vorne nicht mit dem Naturschutzrecht in Einklang zu bringen sei. Der Bund Naturschutz ging bei der Pressekonferenz am Mittwoch auf die Wolfsverordnung im Detail ein und erklärte den Erlass formell wie auch inhaltlich als bedenklich: „Das Ganze ist ein reines Wahlkampfmanöver von Markus Söder und Hubert Aiwanger“, und, so Mergner weiter, auch nicht im Sinne der Nutztierhalter

Guter Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland nicht gegeben

Zunächst steht der Wolf unter Artenschutz: Der Naturschutzbund (NABU) fasst das auf seiner Internetseite zusammen: „ Als EU-Mitgliedstaat verpflichtet sich Deutschland, die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) umzusetzen. Der Wolf ist über den Anhang IV der FFH-RL besonders geschützt. Deutschland ist dadurch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand aufbauen können, den sogenannten guten Erhaltungszustand.“

Dieser gute Erhaltungszustand sei, so Richard Mergner, im Gegenteil zu Behauptungen seitens der Politik in Bayern, nicht erreicht. Derzeit leben fünf sesshafte Rudel im Freistaat - keines davon im Landkreis Traunstein oder Berchtesgadener Land. Der Bund Naturschutz sieht hier schon mal keine gesetzliche Grundlage, den Abschuss zu erleichtern. Die Wolfsverordnung hat aber unter anderem genau das zum Ziel: „Im Interesse der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit wird gestattet, Wölfen nachzustellen, sie zu fangen, zu vergrämen oder mit einer geeigneten Schusswaffe zu töten, soweit es keine zumutbare Alternative gibt.“ Im Paragraf eins der Verordnung, „Schutz des Menschen und der öffentlichen Sicherheit“ wird auch erklärt, wann es keine zumutbaren Alternativen mehr gäbe:

Gefahr für den Menschen und die öffentliche Sicherheit?

Zum Problemwolf wird seit erstem Mai bereits ein Tier, das sich mehrmals näher als 200 Meter einer geschlossenen Ortschaft nähert oder die Annäherung des Menschen auf unter 30 Meter zulässt. Es wird also im ersten Teil der Verordnung mit Art-untypischem Verhalten des Wolfes der Abschuss legitimiert: „Der Wolf soll und muss Bayern durchstreifen und nun soll das schon reichen um ihn abzuschießend, das ist mit dem Artenschutzrecht nicht vereinbar“, kontert die Rechtsanwältin des BN, Franziska Hess.

Auch die Annäherung an Siedlungen sei kein Art-untypisches Verhalten. Eine Gefahr vom Wolf gegenüber dem Mensch sei nicht gegeben und die Heraufbeschwörung in der Wolfsverordnung schüre nur Ängste, so Heß weiter. Seit der Rückkehr des Wolfes ist kein Fall eines Angriffs auf den Menschen in Deutschland dokumentiert. Auch nicht in Gebieten, wo die Wolfspopulation höher ist als in Bayern.

Abwendung wirtschaftlicher Schäden: Herdenschutz oder Abschuss?

„Nach derzeitiger Lage bekommen die Bauern nicht mal einen Zaun.“ Und auch bei der Beratung zu Herdenschutz sei Bayern derzeit schlecht aufgestellt, so Mergner. Eigentlich wird jedem Weidetierhalter für Herdenschutzhunde und Wolfsabwehrzäune Geld zur Verfügung gestellt, aber: „Der Landwirt soll nicht warten müssen, bis ein Schaf gerissen wurde und dann wird erst der Zaun gezahlt.“ Verständnis für die Probleme der Almbauern hätte der BN sehr wohl und sei auch seit Jahren in gutem Austausch. Mergner würde auch nachvollziehen können, dass einige Weidetierhalter den erhöhten Aufwand, ihre Tiere zu schützen, nicht aufbringen wollen.

Herdenschutz nach wie vor der Königsweg

 „Aber das ist keine Lösung. Wir können den Wolf nicht verbannen, genauso wie Fuchs oder Habicht nicht.“ Und deshalb sei, so der Artenschutzbeauftragte des BN, Uwe Friedel, Herdenschutz nach wie vor der Königsweg. Und er unterstreicht seine Aussage mit einem Beispiel unseres Nachbarlandes Frankreich: Dort darf bereits geschossen werden - allein letztes Jahr 150 Wölfe. Sind dort die Wolfsrisse an Nutztieren zurückgegangen? Nein, sagt Friedel: „Im Gegenteil. Studien zeigen, dass die Anzahl der Risse nicht vom Abschuss des Wolfes anhängt, sondern von der Anzahl ungeschützter Weidetiere.“

Wolfsverordnung stuft weite Teile des bayerischen Alpenraumes als unschützbar ein

Die bayerische Wolfsverordnung hat aber nun große Teile des bayerischen Alpenraumes, unter anderem das Berchtesgadener Land und den Chiemgau, als nicht schützbar eingestuft. Begründung: Die Almen seien hier zu kleinräumig und das Gelände zu bewegt, um Wolfsabwehrzäune aufzustellen. Herdenschutzhunde würden Wanderer gefährlich werden und sich außerdem bei kleinen Nutztierherden nicht lohnen. Der Freifahrtschein für die Almbauern, sich ihrem Schicksal zu ergeben? Derzeitige Lösung der Regierung: Bereits bei einem Angriff eines Wolfes auf ein Nutztier darf in besagten nicht schützbaren Gebieten geschossen werden.

Nicht zäunbar? Nicht schützbar? Unklar! - findet der BN

In der Wolfsverordnung geht nicht hervor, auf welcher Datengrundlage Weiden als nicht schützbar, beziehungsweise nicht zäunbar eingestuft wurden. Der Bund Naturschutz sieht auch beim Paragraf zwei der Wolfsverordnung, „Abwendung ernsthafter wirtschaftlicher Schäden“, ein Problem. Die Kategorie „unschützbar“ einer Alm wäre zu undifferenziert: Wenn ein Weidegebiet zu 51 Prozent nicht zäunbar wäre, so Friedel, dann wären bei der Kartierung aber die anderen 49 Prozent, die zäunbar wären, derselben Kategorie zugeordnet worden:

„Man hat das Verfahren so lange immer wieder geändert, bis es auf landwirtschaftlicher Seite in die Wunschkulisse gepasst hat. Auch das werden wir bei unserer Klage angehen.“ Laut Friedel steckt hinter der Zonierung von unschützbaren Weideflächen keine wissenschaftlich stringente Herangehensweise. Jetzt sind Bergregionen in Bayern unschützbar und somit ist die Tötung eines Wolfes in diesem Bereich erleichtert.

Seit erstem Mai entscheidet der Landrat, welcher Wolf abgeschossen werden darf

Und welcher Wolf abgeschossen wird, bestimmt seit erstem Mai der Landrat beziehungsweise die untere Naturschutzbehörde. Das freut zum Beispiel Landrat Siegfried Walch. Er vertritt die Meinung, dass Wölfe und Weidetierhaltung nicht vereinbar seien. Aber sind denn die Landratsämter und Naturschutzbehörden entsprechend fachlich gut aufgestellt? „Die Landratsämter sollen jetzt entscheiden, wann der Wolf abgeschossen wird, aber es sind keine Fachleute vorhanden.“

Einerseits würde in der Wolfsverordnung zwar das vermeintlich Art-untypische Verhalten des Wolfes als Abschussgrund genannt, aber wie dann das Problemtier erkannt werden soll, ist unklar, erklärt Anwältin Heß: „Hier wird auf eine Individualisierung des Tieres verzichtet. Es ist also die Tötung irgendeines Wolfes zugelassen, sei es ein Rissereignis oder das Durchstreifen einer Ortschaft. Da wird nicht sichergestellt, dass der richtige Wolf erlegt wird.“

„Wir werden in den nächsten Tagen die Klage einreichen“

„Es wird jetzt ganz schnell gehen“, erklärt die Anwältin des BN, Franziska Heß auf die Frage, wann die Klage eingereicht wird. Um einen Eilantrag scheint es sich nicht zu handeln, da sie nicht garantiert, dass das Urteil noch dieses Jahr fallen wird. Aber der Verwaltungsgerichtshof sei nach ihrer Erfahrung, so Heß, recht schnell. Inwieweit der BN bis dahin nun juristisch mit Abschüssen der jeweiligen Wölfe umgeht, sei noch nicht klar. Uwe Friedel meinte, dazu müsse man sich noch einigen. Für den BN sieht aber die Rechtslage eindeutig aus und das hätte auch Markus Söder gewusst, so Mergner in einer Pressemitteilung:

„Handwerklich schlecht gemacht.“ Wolfsverordnung als Schnellschuss für den Wahlkampf?

„Wir fordern mit unserer Klage lediglich geltendes Recht ein. Wenn Markus Söder und Hubert Aiwanger uns deshalb kritisieren, dann zeigt das nur das fehlende Rechtsverständnis des Ministerpräsidenten und seines Stellvertreters und wie wenig Wertschätzung sie für eine Demokratie mit einer aktiven Zivilgesellschaft haben. Der Staatsregierung ist nämlich sehr wohl bewusst, dass die Verordnung juristisch kaum haltbar sein wird. Diese handwerklich schlecht gemachte Verordnung dient nur dazu, kurzzeitiges Lob und Wählerstimmen zu erhaschen.“

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