1. rosenheim24-de
  2. Bayern
  3. Landkreis Berchtesgadener Land

Filmproduzent Ulf Israel über die Dreharbeiten zu „Riesending - Jede Stunde zählt“

Erstellt:

Von: Kilian Pfeiffer

Kommentare

Ulf Israel ist Produzent des ARD-Zweiteilers „Riesending - Jede Stunde zählt“.
Ulf Israel ist Produzent des ARD-Zweiteilers „Riesending – Jede Stunde zählt“. © kp/Archiv

Der Unfall in der Riesendinghöhle 2014 ist für einen Filmproduzenten wie Ulf Israel eine perfekte Vorlage: Drama, Spannung, am Ende ein Happy End.

Berchtesgaden/Bischofswiesen – „90 Minuten hätten dafür nicht gereicht“, sagt der Produzent des Zweiteilers, der am Mittwoch (28. Dezember) um 20.15 Uhr in der ARD läuft und sich fiktional dem aufwendigsten Höhlenrettungseinsatz deutscher Geschichte 2014 im Berchtesgadener Land widmet.

Was hat in ihren Augen den Stoff so interessant gemacht?

Ulf Israel: Uns haben mehrere Dinge bewegt: Neben dem Ablauf der eigentlichen Rettungsaktion war das vor allem die immense Aufopferungsbereitschaft der Retter sowie das zentrale, kaum in Worte zu fassende Dilemma: Was ist ein Menschenleben wert? Stellen Sie sich vor, jemand liegt sehr schwer verletzt in einer Höhle, an einer Stelle, so tief und schwer zugänglich, dass nur wenige Menschen jemals zu ihr vorgedrungen sind. Der Verunfallte liegt im Koma, wäre nicht mal auf der Erdoberfläche transportfähig. Es gibt weit und breit keinen Arzt. Sie haben keinen Kontakt, wissen nicht, ob er überhaupt noch lebt. Es ist sogar eher unwahrscheinlich. Aber er ist ein Mensch. Ein Freund. Ein Begleiter. Was tun Sie? Und wie?

Die Geschichte wurde nun in einem Zweiteiler verfilmt, der zur Primetime läuft. Hätten 90 Minuten für den Inhalt nicht ausgereicht?

Israel: Für die eigentliche Rettungsaktion in der Höhle sicherlich, aber unser Film handelt ja von so viel mehr: von Zwischenmenschlichkeit, Verbundenheit, Verantwortung, Risiko und Opferbereitschaft. Die Menschen stehen bei uns im Mittelpunkt, in vielfältigen Konstellationen: ihr Leiden, ihre Zweifel, ihr Ringen, ihre Angst, ihre Hoffnung. Dafür hätten 90 Minuten nicht gereicht.

Wie herausfordernd ist es, Höhlenszenen zu drehen? Die tiefste Höhle Deutschlands stand ja für die Dreharbeiten nicht zur Verfügung. Warum? 

Israel: Die Riesendinghöhle ist gesperrt und wäre für uns auch aus Sicherheits- und Logistik-Aspekten nicht bespielbar gewesen. Studiobauten kamen aus Gründen der Authentizität nicht infrage. Es blieb nur die Möglichkeit, in anderen, zugänglicheren Höhlen zu drehen, etwa in Kroatien. Auch das bedeutete, dass jeder Ausrüstungsgegenstand von Hand teils hunderte Meter in den Berg getragen werden musste. In der Höhle ist es kalt, nass, dunkel. Es gibt keine gewärmten Aufenthaltsräume. Manchmal geht es steil bergab, manchmal vertikal bergauf, manchmal sind die Durchgänge nur sehr schmal. Immer wieder gibt es scharfe Kanten und spitze Felsen. Alle Stunts wurden von unseren Schauspielern selbst ausgeführt. Sie haben sich aus großer Höhe abgeseilt oder sind hinaufgeklettert, durch eisiges Wasser gewatet und enge Gänge entlang gerobbt. Und über all dem steht der Sicherheitsaspekt für jeden einzelnen. Viel mehr ist an Herausforderung kaum möglich. 

Wie viele Freiheiten stecken in der Produktion?

Israel: Sehr viele. Die Produktion ist ein fiktionales Werk, das von dem Unfall in der Riesendinghöhle zwar inspiriert wurde, aber nicht beabsichtigt, die wahren Geschehnisse wiederzugeben. Wir haben keinen dokumentarischen Ansatz verfolgt, sondern versucht, eine Geschichte zu erzählen. Sie soll emotional das transportieren, was nach unseren Recherchen damals in und um die Riesendinghöhle herum geschehen ist: ein zutiefst bewegender Akt von Solidarität und Opferbereitschaft.

Mit dem Münchner Maximilian Brückner und der Salzburgerin Verena Altenberger stehen unter anderem Schauspieler aus der Region am Set: Wie wichtig war das für die Produktion?

Israel: Das war unbedingt gewollt. Bei der damaligen Rettungsaktion haben sich Helfer aus vielen Ländern zusammengeschlossen. Wesentliche Protagonisten kamen aus der Region. Das sollte so authentisch wie möglich gespiegelt werden.

Wie herausfordernd waren die Dreharbeiten allgemein bei nur 45 Tagen Drehzeit für 180 Minuten Film?

Israel: Die Produktion war von der ersten Idee bis zur Fertigstellung eine einzige Herausforderung. Beginnend bei dem eigenen Anspruch, eine Geschichte zu entwickeln, die den damaligen Ereignissen und vor allem den enormen emotionalen Belastungen der Beteiligten gerecht wird. Die Geschichte sollte nicht in die Falle tappen, aus einer dramatischen wahren Begebenheit reißerisch Kapital ziehen zu wollen. Das Personaltableau ist zudem sehr groß. Wie im echten Leben hat auch der Film viele Protagonisten und viele Nebenfiguren – aus aller Herren Länder. Neben den Höhlen drehten wir auf Hochplateaus und in der Kaserne. Wir hatten einen immensen Materialaufwand und immer wieder Hubschrauber im Einsatz. Natürlich wären mehr Drehtage bequemer gewesen, aber die zeitliche Knappheit hat auch den Teamspirit und die Konzentration so gestärkt, dass wirklich alle an einem Strang gezogen haben. Im Cast und im Team sind dabei echte Freundschaften entstanden. 

Ursprünglich wollte die Produktion mit jenen Höhlenforschern zusammenarbeiten, die das Riesending in- und auswendig kennen, etwa mit Johann Westhauser, der damals verunglückte. Wieso kam es dazu am Ende nicht?

Israel: Ich glaube nicht, dass ein Spielfilm dem nahe kommen kann, was Johann Westhauser und seine Begleiter damals tatsächlich am eigenen Leib erlebt haben. Schon gar nicht sollte er für sich etwas Derartiges in Anspruch nehmen. Insoweit haben wir bei unseren Recherchen auch Teile der bekannten Schilderungen der real Betroffenen einfließen lassen, uns aber eben für eine fiktionale Geschichte entschieden. Sie soll hoffentlich den Geist der wahren Geschehnisse einfangen und vermitteln. Darüber haben wir die damals Beteiligten informiert.

Worauf können sich die Zuschauer freuen? 

Israel: Auf 180 Minuten voller Spannung und Emotionen, auf spektakuläre Bilder und eine bewegende Reise durch Hoffen und Bangen.

Die ARD strahlt „Riesending – Jede Stunde zählt“ am Mittwoch (28. Dezember) um 20.15 Uhr aus. Eine Wiederholung gibt es am Donnerstag (29. Dezember) um 1.40 Uhr. Der Film ist dann auch in der ARD-Mediathek abrufbar.

kp

Auch interessant

Kommentare