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„Stößt mir sauer auf“: Empörung über Vorschlagsliste - AfD-Mann will Jugendschöffe werden

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Von: Christa Latta

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Wieser Zollner Gericht
Als Jugendschöffe an der Seite des Richters sitzen, dafür hat sich Martin Wieser beworben. Marianne Zollner lehnt das ab. © dpa Uli Deck/re

Die heimischen Gerichte suchen neue Schöffen, die Zahl der Bewerber im Landkreis Mühldorf hält sich in Grenzen. Dass nun ausgerechnet ein AfD-Mann als Laienrichter in der Jugendkammer Traunstein sitzen soll, sorgte im Jugendhilfeausschuss für Widerspruch.

Mühldorf - Für die Jahre 2024 bis 2028 steht auch im Landkreis Mühldorf derzeit die Wahl der Schöffen an. Über die Vorschlagsliste für das Amt der Jugendschöffen musste jetzt der Jugendhilfeausschuss des Landkreises beschließen. Wie Landrat Max Heimerl eingangs der Sitzung im Landratsamt erklärte, habe es heuer weniger Bewerber für dieses Ehrenamt gegeben als in früheren Jahren.

Eine meldet sich zu Wort

Wegen einer Person unter den vier Vorschlägen für die Besetzung der Jugendkammer am Landgericht Traunstein meldete sich Marianne Zollner, ehemalige Bürgermeisterin von Mühldorf und SPD-Kreisrätin, zu Wort. Ihr ging es um Martin Wieser, Bezirksrat, Kreisrat und stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Mühldorf.

„Die Nummer eins bei den Männern stößt mir sauer auf“, erklärte Zollner. „Ich habe ein Problem damit, ihn als Jugendschöffe vorzuschlagen. Martin Wieser ist keine vertrauenwürdige Person für dieses Amt.“ Landrat Max Heimerl entgegnete, dass man Wiesers Bewerbung geprüft habe und nichts gegen seine Eignung spreche. Dass der AfD-Mann die Liste der ausgewählten Schöffen anführt, liege allein daran, dass diese Reihenfolge durch ein Losverfahren festgelegt wurde.

Partei spielt keine Rolle

Ob Wiesers Parteizugehörigkeit denn am Gericht in Traunstein bekannt sei, wollte Ausschussmitglied Gabriele Blechta wissen. Landrat Heimerl betonte: „Wir haben bei der Aufstellung der Liste nach den dafür definierten Kriterien entschieden.“ Als diese Anforderungen an einen Schöffenbewerber zählte er auf: „Man muss der deutschen Sprache mächtig sein, durfte nicht der Stasi angehören, nicht in Insolvenz sein, muss einer mehrstündigen Verhandlung gesundheitlich gewachsen sein und Erfahrung in Jugenderziehung haben.“ Alles Kriterien, die auch der Bewerber aus den Reihen der AfD erfülle. Die Zugehörigkeit zu einer Partei spiele keine Rolle.

Zwei stimmen gegen Liste

Bei der Abstimmung im Jugendhilfeausschuss wurde die Vorschlagsliste mit 10 Ja- zu 2 Nein-Stimmen abgesegnet. Eine der Nein-Stimmen kam von Marianne Zollner, die andere von Lena Koch (Grüne). Sie hatten sich von den vom Landrat vorgetragenen Kriterien nicht überzeugen lassen. Zollner begründete das so: „Ich lehne die Liste wegen der Nummer eins ab, nicht wegen der anderen Personen.“

„Man prüft nicht auf Herz und Nieren durch“

Die OVB-Heimatzeitungen haben beim Landgericht Traunstein nachgefragt, ob es bei der Jugendkammer bereits Probleme mit politisch motivierten, radikalen Ansichten einzelner Schöffen gegeben hat. „Solche Probleme gab es bisher zum Glück im Bezirk des Landgerichts Traunstein, soweit es hier nachvollzogen werden kann, noch nicht“, antwortete darauf Richterin Andrea Tietz, Vizepräsidentin des Landgerichts Traunstein und Pressesprecherin. „Sollte ein Schöffe in der Hauptverhandlung oder Beratung mit derartigen Äußerungen auffallen, bliebe letztlich vor allem die Möglichkeit, ihn wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, was aber einen entsprechenden Antrag des Verteidigers oder Angeklagten voraussetzt. Wie gesagt, bislang sind solche Probleme aber noch nicht vorgekommen.“

Stephen Kroner, Sprecher des Amtsgerichts in Mühldorf sagt über das Bewerbungsverfahren: „Man prüft nicht auf Herz und Nieren durch.“ Trotzdem gibt es aus seiner Sicht nach der Berufung eine Kontrolle: „Wenn den Richtern etwas Radikales auffällt, müssen sie es melden.“

„AfD und Schöffe sind zwei Paar Stiefel“

„Meine Zugehörigkeit zur AfD und meine Bewerbung als Jugendschöffe sind zwei Paar Stiefel“, sagt Martin Wieser, der die Aufregung um seine Person gar nicht verstehen kann. „Als Jugendschöffe geht es darum, bei den zu treffenden Entscheidungen Neutralität zu wahren und das werde ich.“

Mangelnde Eignung könne man ihm gewiss nicht unterstellen, so Wieser: „Ich habe drei Kinder und bin in den letzten Tagen bereits zum zweiten Mal Opa geworden.“ Als Schöffe wolle er sich für die Jugendlichen einsetzen, ihnen helfen und beistehen. Er selbst hat sich nicht ausdrücklich für die Jugendkammer am Landgericht beworben, sondern nur allgemein für das Ehrenamt Jugendschöffe.

Wofür Jugendschöffen da sind

Für jugendliche Straftäter sind Jugendgerichte und Jugendkammern bei den Amts- und Landgerichten zuständig. Dem Richter werden ehrenamtliche Jugendschöffen als Laienrichter zur Seite gestellt, die keine besonderen Gesetzeskenntnisse oder eine juristische Ausbildung haben. „Wer sich in die Vorschlagsliste aufnehmen lassen möchte, muss die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, zur Zeit der Aufstellung der Vorschlagsliste im Landkreis Mühldorf wohnen und zu Beginn der Amtsperiode am 1. Januar 2024 mindestens 25, aber noch nicht 70 Jahre alt sein“, heißt es auf der Homepage des Landkreises in Sachen Jugendschöffenwahl. Und weiter „Die Bewerber sollen auch erzieherische Erfahrung mitbringen, sei es als Eltern, Ausbildung oder in der Jugendarbeit.“ Die Teilnahme an den Sitzungen ist für Jugendschöffen verpflichtend. Ein Jugendschöffe wird für fünf Jahre bestimmt und zu rund zwölf Sitzungen pro Jahr herangezogen.

Insgesamt wählt der Landkreis Mühldorf 36 Jugendschöffen für die Jahre 2024 bis 2028. Für das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Mühldorf 32 Personen und vier für die Jugendkammer beim Landgericht Traunstein. Im Optimalfall sollen es zur Hälfte Frauen und Männer sein, da an jeder Hauptverhandlung jeweils eine Frau und ein Mann als Jugendschöffen teilnehmen sollen. Im Landkreis Mühldorf funktioniert das nicht ganz, denn es haben sich nur 16 Männer, aber 24 Frauen beworben. Da insgesamt 36 Schöffen benötigt werden, kommen alle 16 Männer zum Zuge und 20 Frauen.

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