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Berge, Wind, Hitze und ein verlorener Zahn: Rechtmehringer radeln auf dem Jakobsweg

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Von: Franz Manzinger

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Peter Vorderwestner, Jakob Egger, Franz Manzinger und Andreas Klein am Ziel in Santiago.
Peter Vorderwestner, Jakob Egger, Franz Manzinger und Andreas Klein (von links) am Ziel in Santiago. © Manzinger

Pleiten, Pech und Pannen: Franz Manzinger, freier Mitarbeiter der Wasserburger Zeitung, war mit Freunden unterwegs von Rechtmehring nach Santiago, um den Jakobsweg zu radeln. Das haben die vier Abenteurer erlebt.

Rechtmehring – Einmal eine richtige Radtour machen, nicht bloß ein paar Tage eingezwickt zwischen zwei Arbeitswochen: Das war der Gedanke von Jakob Egger und Franz Manzinger aus Rechtmehring. Mit 35, also vor über 20 Jahren, beschlossen die beiden deshalb den Jakobsweg zu fahren, wenn sie mit 55 Jahren in den damals angedachten Vorruhestand gehen. Zwei Jahre musste das Abenteuer wegen Corona verschoben werden. Mitte August ging es 2022 dann endlich los, obwohl es zum Ruhestand noch eine Weile hin ist.

In 29 Tagen geschafft

Zu viert radelten sie los: Jakob Egger, Franz Manzinger, Peter Vorderwestner, ebenfalls aus Rechtmehring, und Andreas Klein aus Ramsau. „Zuletzt haben wir so richtig darauf hingefiebert“, erzählen sie rückblickend. Freilich waren einige Vorbereitungstreffen nötig, um Ausrüstung und Grobplanung zu besprechen. Eine Fahrt zur Ostsee unternahmen sie zu dritt, „da konnten wir uns schon daran gewöhnen. Und natürlich hat jeder vorher mehr oder weniger viel trainiert.“ „Auf keinen Fall will ich Stress haben“ war fast die Bedingung von Franz Manzinger. „Wir haben welche getroffen, die vorab schon den Rückflug gebucht hatten, weil sie mit vier Wochen Urlaub auskommen mussten. Kommt für mich nicht in Frage“. So planten sie insgesamt sechs Wochen Zeit ein, geschafft haben sie die 2600 Kilometer und 22.000 Höhemeter dann in 29 Tagen.

Die Radler unterwegs am Rhone-Rhein-Kanal.
Die Radler unterwegs am Rhone-Rhein-Kanal. © Manzinger

Vor allem stand jedoch die Frage im Raum: „Wie machen wir das, welche Strecke fahren wir?“. Schon in den vergangenen paar Jahren trafen sie sich immer wieder mit Leuten, die schon mit dem Rad von Bayern nach Santiago gefahren sind. „Ihr habt vier große Gebirge“ war der vielgenannte Hinweis. Alpen und Pyrenäen waren jedem klar. Dazu kommt noch das Zentralmassiv in Frankreich in der Nähe von Lyon und letztlich die wohl heftigsten Berge kurz vor dem Ziel zwischen Kastilien und Galicien. Um die Alpen zu umgehen, entschieden sie sich deshalb für die Strecke über den Bodensee, entlang an der Deutsch-Schweizer-Grenze bis nach Basel.

Hinauf auf 1500 Meter

Die Pyrenäen waren halb so wild, erzählen sie im Nachhinein, denn es war nur ein Berg mit knapp 1.000 Höhenmetern. Aber spätestens in Spanien haben die Radler die Berge aber wirklich kennengelernt. Auf und ab auf teils Schotterwegen. Mit über 1.500 Metern war hier die höchste Stelle der gesamten Tour. Einprägend war auch der Wind, der in Frankreich und vor allem in Spanien am Nachmittag heftig blies. Und die Hitze, mit teilweise über 35 Grad, die am Nachmittag extrem wurde. So wurden sie zu Frühaufstehern und fuhren meist vor 7 Uhr bei Dunkelheit los, frühstückten in einer Bar nach einigen Kilometern. „Am Nachmittag hatten wir dann mehr Zeit und kamen auch schon oft um 15 Uhr an“, erzählte Peter Vorderwestner. Trotz der Strapazen ziehen die vier ein positives Fazit über ihre Zeit in Spanien: „Die Stimmungen und Sonnenaufgänge, die wir hier erlebt haben, waren einmalig. Nicht zu beschreiben“.

„Wart Ihr Euch immer einig?“ wurden sie im Nachhinein öfters gefragt. „Meistens schon“, lautet die Antwort. Es liegt in der Natur der Dinge, dass es auch Meinungsverschiedenheiten gibt, wenn vier Leute über vier Wochen zusammen sind. Aber alles in allem habe es sehr gut geklappt. Aber ganz ohne Zwischenfälle ging das Abenteuer natürlich nicht vorüber.

Einige Zwischenfälle gab´s

Nach acht Tagen in Taize war Jakob Eggers Hydraulik-Bremse undicht. Hier konnte selbst „Chef-Mechaniker“ Peter Vorderwestner nicht mehr helfen. Es dauerte eineinhalb Tage, über 100 Kilometer später, bis sie eine Werkstatt fanden, die offen hatte. Bis dahin fuhr Jakob Egger im wahrsten Sinne des Wortes vorsichtig mit angezogener Handbremse. Kaum zu finden, im Hinterhof gelegen, überall hingen die Ersatzteile mehr oder minder unsortiert runter. „Die reparieren das“ meinte Andreas Klein zu Jakob Egger. Und so war es. Hydraulikbremse komplett ausgebaut - andere gebrauchte Seilzugbremse eingebaut – giftgrün statt schwarz – aber das Rad war wieder voll funktionsfähig. „Musst du halt zu Hause wieder umbauen“ meinte der Handwerker auf französisch wohl zu ihnen. Generell war dies neben einem Platten die einzige Panne - außer dem ausgebissenen Zahn von Franz Manzinger in Le Puy, dem Hauptort im bergigen Zentralmassiv.

Nur einen Platten hatten die vier auf dem Weg.
Nur einen Platten hatten die vier auf dem Weg. © Manzinger

Nach der fünften Zahnarztadresse und zwei Stunden Suche fand er dann einen Zahnarzt vor. Behandlung in 15 Minuten inklusive Bohren und Schleifen - 33 Euro verlangt – Rechnung gestellt mit Karte bezahlt. Der Zahnarzt war übrigens allein in der Praxis, ohne Assistentin. „Er hat alles selber gemacht, inklusive Rechnung schreiben und kassieren. So geht’s auch“, erzählt Franz Manzinger.

Übernachtungen in Pilgerherbergen

Bei den Übernachtungen lief meistens alles gut. In Spanien und im südlichen Frankreich schliefen sie fast nur in Pilgerherbergen, die entgegen mancher Aussagen alle sauber waren. Oft waren sie auch nur zu viert im Zimmer. „Irgendwie ähnlich wie auf einer Berghütte“ so Jakob Egger. Das Extremste waren 20 Personen in einem Raum mit Gummi-überzogenen Matratzen und Einmal-Bettwäsche. Dafür zentrumsnah in Burgos. Gebucht hatten sie meist im Laufe des Nachmittags - entweder telefonisch oder online. Sonst in Pensionen und kleineren Hotels. Nur einmal in Seurre in Frankreich fanden sie gar nichts, außer einem Zeltplatz. Dort liehen sie sich zwei Zelte aus und mit den mitgeführten Schlafsäcken ging auch diese Nacht gut vorüber.

Oft gab es ein Picknick in der Natur.
Oft gab es ein Picknick in der Natur. © Manzinger

Ging es den Radfahrern nun um das sportliche, das Naturerlebnis, das spirituelle oder ums Pilgern? Von allem etwas. „Natürlich wollten wir vor allem Radfahren“, so Jakob Egger. Peter Vorderwestner fiel besonders die oft wechselnde Landschaft und Vegetation auf und Andreas Klein war und ist der Fachmann für Kunst und Kultur, vor allem in den Kirchen. Obwohl allen der Glaube etwas bedeutet, war es sicherlich keine reine Pilgerreise. Aber etwas Spirituelles hat es natürlich gehabt. Da fällt ihnen die kleine Kirche in Hontanas ein, die einsam am Weg stand und aus der Taize-Lieder klangen. Da war sie wieder, die Spiritualität.

Einst das schönste, da sind sie sich einig: „Die Anfahrt auf Santiago, hinunterzuschauen auf die Stadt“, erzählt Jakob Egger. Am Kathedralen-Platz selber war viel Rummel und Touristen. „Als ich das Ortsschild von Santiago gesehen habe, war ich gefühlt am Ziel“, bestätigt auch Andreas Klein. Eigentlich hatte die Truppe noch überlegt, die 90 Kilometer weiter bis ans Meer zu fahren „dem Ende der Welt“, so die Abenteurer. „Aber das ausgerufene Ziel war Santiago und letztlich hatte keiner mehr Lust, weiter zu fahren“, so Peter Vorderwestner. Das Fazit der Reise steht für die Radler fest: Landschaftlich faszinierend, Land-und-Leute, sportlich, spirituell, pilgermäßig begeisternd. Anstrengend.

Vortrag im Pfarrheim

Wer mehr über die Reise auf dem Jakobsweg wissen möchte, kann gerne den Vortrag der vier Radler besuchen, der am kommenden Mittwoch, 4. Januar, um 19.30 Uhr im Pfarrheim Rechtmehring stattfindet. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

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