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Hilferuf von Mühldorfs Landrat: Flüchtlinge zugeteilt, „egal, ob Unterkünfte da sind oder nicht“

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Von: Christa Latta

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Heimerl Gemeindetag Pauliwirt
Landrat Max Heimerl und sein Mitarbeiter Dr. Benedikt Burkardt lieferten der Versammlung Aktuelles zum Thema Unterbringung von Geflüchteten. © Christa Latta

Ein Thema treibt derzeit alle Städte und Gemeinden im Landkreis um: Der nicht enden wollende Zustrom an Flüchtlingen und die Frage ihrer Unterbringung. Landrat Max Heimerl spricht deutliche Worte - und warnt, dass der Kreis an seine Grenzen stoßen könnte.

Mühldorf - Die Rathauschefs der 31 Landkreis-Kommunen waren beim Pauliwirt in Erharting zur Kreisverbandsversammlung des bayerischen Gemeindetags zusammengekommen. „Es ist ein sehr schwieriges Thema und eine riesige Herausforderung“, leitete Mühldorfs Landrat Max Heimerl den Punkt „Unterbringung von Geflüchteten“ ein und sprach deutliche Worte: „Wenn es mit den Zuweisungen so weitergeht, dann wird auch unser Landkreis an seine Grenzen stoßen!“ Einfluss auf die Zahl der Zuweisungen habe weder der Landkreis noch Bayern, nur der Bund könne an den Stellschrauben drehen. „Die Geflüchteten werden in die Landkreise geschickt, egal, ob Unterkünfte da sind oder nicht“, stellte Heimerl fest.

Der Landkreis stehe momentan noch kurz vor der Welle, verkündete Heimerl, denn: „Wir haben noch Plätze frei!“ Der Landkreis habe schon frühzeitig Unterkünfte angemietet. Die dafür zuständigen Mitarbeiter würden „rödeln“, um diesen Puffer zu schaffen. Nur so habe man bisher vermeiden können, an Schulturnhallen zu gehen, wie es in anderen Landkreisen längst Praxis sei. Auch der Bund scheine endlich bemerkt zu haben, dass es so nicht weitergehen kann. „Sonst überfordern wir uns alle“, befürchtet Heimerl. Er hofft, dass der anstehende Flüchtlingsgipfel mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser Lösungen bringt.

Hoffnung auf Flüchtlingsgipfel

Eine Möglichkeit, auf die Schnelle Wohnraum zu schaffen, seien Container. Dazu erklärte Dr. Benedikt Burkardt vom Landratsamt, dass es sich dabei um „vernünftige, wohnliche Unterkünfte“ handle, nicht um blanke Blechcontainer. Wie rasant sich die Zahl der vom Landkreis untergebrachten Flüchtlinge gesteigert hat, zeigen die von ihm genannten Zahlen: „Im Februar 2022 waren es 538, im März 2023 rechnen wir mit 1411 Menschen.“ Dabei seien die privat untergekommenen Ukrainer nicht mitgerechnet.

„Ich hoffe, der Hilferuf aus dem Landratsamt ist angekommen“, wandte sich Landrat Heimerl angesichts dieser Entwicklung an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. „Wir können diese Aufgabe nur gemeinsam bewältigen. Wir brauchen Eure Unterstützung!“

Flüchtlinge verträglich auf alle verteilen

„Die Flüchtlinge müssen auf alle Gemeinden verträglich verteilt werden“, appellierte Ampfings Bürgermeister Josef Grundner (CSU) an die Anwesenden - das Landratsamt sei vor Weihnachten wegen eines Containerplatzes auf ihn zugekommen. „Jeder von uns muss hinterfragen, wo noch etwas geht. Ich will nicht, dass Ampfing die einzige Gemeinde ist, die weiter aufnimmt.“ Diese Worte unterstrich der Landrat mit der dringenden Bitte: „Meldet uns Leerstände, wir gehen auf die Eigentümer zu. Wir werden nicht ohne Container-Standorte auskommen, wollen aber lieber mehrere kleinere als wenige große.“ „Ein Containerdorf im Ort mit 50 bis 100 Flüchtlingen macht unsere Leute rebellisch, sie haben Ängste und Sorgen“, warnte Erhartings Bürgermeister Matthias Huber (UWG) vor einem Umkippen der Stimmung. Er brachte ein etwas abseits von Erharting gelegenes Grundstück nahe der Autobahn ins Gespräch, dessen Eigentümer eventuell bereit wäre, es dem Landkreis zur Verfügung zu stellen. Die wichtige Frage aber sei: „Wer erschließt ein solches Grundstück?“ Heimerls Antwort: „Das übernimmt der Landkreis im Auftrag des Freistaats.“

Wie sollen Flüchtlinge mobil sein?

Schönbergs Bürgermeister Alfred Lantenhammer (CSU/FWG/WA) nannte eins der größten Probleme der ländlichen Gemeinden in Sachen Flüchtlingsunterbringung: „Wie kommen diese Leute denn irgendwo hin?“ In seiner Gemeinde seien zehn Ukrainer, sechs davon mit Führerschein. „Die bekommen unser Mümo-Fahrzeug und sind dann selbst mobil.“ Aber, was machten diejenigen ohne gültigen Führerschein? Da stieg auch Roland Kamhuber (CSU), Bürgermeister von Schwindegg, ein - seine Gemeinde sei unter den Top 5 im Landkreis, was die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge angehe: „Es kann nicht sein, dass es nur die Bahnhofsgemeinden trifft. Wir haben das im Gemeinderat emotional, aber solidarisch diskutiert. Die Unterbringung können nicht nur wenige Gemeinden schultern, die Menschen müssen gerecht verteilt werden.“ Robert Otter (parteiunabhängig), Bürgermeister von Gars am Inn: „Bei uns wollten einige Flüchtlinge nicht bleiben, sondern lieber nach Mühldorf oder in andere größere Orte. Deshalb stehen einige Wohnungen leer.“

„Erste Landkreise wollen den Königsteiner Schlüssel auch auf die Gemeinden runterbrechen, aber das ist nicht mein Weg. Das will ich verhindern“, der Landrat erklärte noch einmal, dass der Landkreis die reine Menge der Flüchtlinge nicht steuern könne. „Das Damoklesschwert Turnhallen hängt über unseren Köpfen. Wenn wir da ran müssen, gehen die Diskussionen erst richtig los. Jeder sollte ein bissl was von der Belastung tragen.“

Von der Verteilung freikaufen

Buchbachs Bürgermeister Thomas Einwang (Wahlvorschlag Ranoldsberg), Vorsitzender des Kreisverbands Bayerischer Gemeindetag, mahnte: „Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen und nicht den Kopf in den Sand stecken.“ Er äußerte die Idee, dass es für finanzstarke Landkreise - wie es die oberbayerischen sind - die Möglichkeit geben sollte, sich vom Verteilerschlüssel freizukaufen. Auf diesem Weg könne hier die Flüchtlingslast sinken und in anderen finanzschwachen Bundesländern mit Geld aus Oberbayern Geflüchtete untergebracht werden.

Der Bund gibt die Zahl der Flüchtlinge vor

Verteilt werden die Flüchtlinge an die Bundesländer seit dem Jahr 2015 nach dem Königsteiner Schlüssel - danach zählen zu zwei Drittel die Finanzkraft beziehungsweise die Steuereinnahmen und zu einem Drittel die Bevölkerungszahl. Zugewiesen werden die Geflüchteten vom Bund an die Bundesländer, von diesen weiter an die Regierungsbezirke und schließlich an die Landkreise.

Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt Bayern nach diesem Schlüssel das Bundesranking der Verteilungsquote mit knapp 16 Prozent an. Im Gegensatz dazu hat etwa Mecklenburg-Vorpommern nur eine Quote von knapp zwei Prozent. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann ging schon im März 2022 davon aus, dass Bayern diesen Anteil bereits erfüllt und forderte eine gerechtere Verteilung innerhalb Deutschlands.

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