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KZ-Lager Mühldorfer Hart: Der einzige Überlebende aus Frankreich ist 100 und erinnert an das Grauen

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Von: Christa Latta

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Der 100-jährige Roland Thomas ist der einzige überlebende Franzose aus dem Mühldorfer Hart und hält in Schulen noch immer Vorträge über seine Zeit als Widerstandskämpfer und als Zwangsarbeiter in Mühldorf.
Der 100-jährige Roland Thomas ist der einzige überlebende Franzose aus dem Mühldorfer Hart und hält in Schulen noch immer Vorträge über seine Zeit als Widerstandskämpfer und als Zwangsarbeiter in Mühldorf. © privat

Als Roland Thomas am 9. Mai 1945 bei seinen Eltern eintraf, entkräftet und die Lungen voller Zementstaub, wog der 23-Jährige nur noch 37 Kilo.

Mühldorf – Unter den 4000 Häftlingen, die in weniger als acht Monaten am Mühldorfer Hart in Mettenheim hier starben, waren auch Franzosen.

Darauf machte Pierre M. Wolff, Regionaldelegierter des Souvenir Français, im Rahmen der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ-Außenlagers Ende April aufmerksam. In Gedenken an die 118 Franzosen, die das KZ-Lager Mühldorfer Hart nicht überlebt haben, legte er Blumen nieder.

Wolff berichtete auch von dem einzigen Franzosen, der das KZ-Außenlager überlebt hat und noch am Leben ist. „Roland Thomas, geboren am 8. November 1921, war der Häftling mit der Matrikelnummer 114 693“, so Wolff. „Er konnte am 4. Mai 1945 in einem kleinen Lastwagen in Richtung französische Grenze in die Freiheit fahren.

Als er am 9. Mai 1945 bei seinen Eltern eintraf, entkräftet und die Lungen voller Zementstaub, wog der 23-Jährige nur noch 37 Kilo. Nach zwei Jahren intensiver Pflege konnte er zu einem halbwegs normalen Leben zurückkehren.“

Pierre Wolff von „Le Souvenir français“.
Pierre Wolff von „Le Souvenir français“. © M Wolff

Nur noch 37 Kilo gewogen

Wie Thomas ihm persönlich am Telefon berichtet habe, sei er mit seinen 100 Lebensjahren noch immer sehr stark in der Erinnerungsarbeit engagiert. „Er geht jedes Jahr in mehrere Schulen in den französischen Vogesen, um den Schulkindern zu erzählen, was er während des Zweiten Weltkriegs erlebt hat“, berichtet Wolff. „Er sagt ihnen auch, worauf sie achten sollen, damit sich kein neues braunes Gedankengut in Frankreich und in Europa entwickelt und dadurch kein Krieg in Europa neu entfacht wird.“

Der Krieg in der Ukraine, sei für den KZ-Überlebenden eine zusätzliche Motivation, trotz seines sehr hohen Alters seine Rolle als „passeur de mémoire“ – als „Erinnerungsvermittler“ – bei der jungen Generation solange weiterzuspielen, wie Gott ihm das Leben schenke.

Bei der Gedenkfeier am Mühldorfer Hart fungierte Pierre M. Wolff als Sprachrohr des einzigen überlebenden Franzosen: „Roland Thomas hat mir gesagt – und er wollte, dass ich es hier in diesem Gespräch wiederhole – er verstehe bis heute nicht, wie das deutsche Volk, das sich intellektuell und kulturell in den Jahrhunderten davor ausgezeichnet hatte, eine Partei wie die NSDAP und dessen Führer wählen konnte und zuließ, dass nationalsozialistisches Gedankengut sich im öffentlichen und zivilen Bereich ausbreitete und schrittweise alle Lebensbereiche dominierte.“

Als Wolff dem Hundertjährigen von dem unermüdlichen und erfolgreichen Einsatz des Trägervereins der KZ-Gedenkstätte in Mettenheim erzählte, habe dieser sich sehr gefreut.

Thomas selbst sei nie wieder nach Mühldorf zurückgekehrt. Einer seiner Leidensgenossen, Roger Robach, der Mühldorf überlebte, aber schon länger verstorben ist, blieb in Kontakt mit Mühldorf. Wolff: „Er berichtete Thomas über die anfänglichen Schwierigkeiten, die es gab, die Zeugnisse des NS-Wahnsinns in Mettenheim zu retten.“

Robert Thomas würde gern das Archiv der Gedenkstätte mit privaten Dokumenten und Gegenstände bestücken. Über ihn gibt es auch zwei Dokumentarfilme in französischer Sprache.

Ein Verein des Erinnerns

Der Verein „Le Souvenir français“ wurde 1887 gegründet. Seine rund 250000 Mitglieder weltweit ehren das Gedenken an all jene, die für Frankreich gestorben sind. Der Verein entspricht der deutschen Kriegsgräberfürsorge.

Bei dieser Erinnerungsarbeit versucht man - so wie der Volksbund auch - die jüngeren Generationen so oft wie möglich und in geeigneter Form mit einzubeziehen.

Eine der Hauptaktivitäten des französischen Gedenkens besteht darin, die Gedenkstätten der Toten für Frankreich aufzulisten und ihre Pflege in Verbindung mit den lokalen Behörden und Verbänden sicherzustellen.

Weitere Informationen auf www.le-souvenir-francais.de/de/

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