Neumarkterinnen leiden an Spätfolgen von Corona
Mit Long Covid im Stich gelassen: Doch Lea (11) und Elli Hellfeuer (43) lassen sich nicht unterkriegen
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Im März 2021 erkrankt die Neumarkt-St. Veiterin Elli Hellfeuer an Corona. Ein halbes Jahr später klagt sie über Müdigkeit, Erschöpfung, Muskelschmerzen. Helfen kann ihr damals niemand. Der Kampf gegen Long Covid wird zu einer Odyssee, die sie viel Geduld und 13.000 Euro kosten wird.
Neumarkt-St. Veit - „Ich wurde immer schlapper, war immer müde, konnte nur noch das Nötigste erledigen“ Nach dem Einkaufen muss sich Elli Hellfeuer erst einmal hinlegen. Selbst Kartoffelschälen fällt ihr schwer. „Ich war nicht mehr belastungsfähig!“ So beschreibt die 43-Jährige die Zeit nach ihrer Corona-Erkrankung, bei der sich schon nach drei Wochen die ersten Beschwerden eingestellt hatten und die mit Woche zu Woche schlimmer geworden sind. Aus der so lebenslustigen Hörberingerin, die gerne Sport getrieben hat oder Holz spaltete, war plötzlich eine Frau geworden, die vergesslich wurde und die Fähigkeit verlor, ein strukturiertes Leben zu führen. Sie quälte bald die Angst: Was fehlt mir eigentlich?
Zu den Muskelverspannungen im Rücken kommt Brennen in der Brust und ein Druckgefühl. „Natürlich macht man sich dann Gedanken darüber, ob mit dem Herzen etwas nicht in Ordnung ist!“ Denn auch beim Puls steigt: „Ruhepuls bei 90. Wenn ich ein bisschen umhergehe, bin ich gleich bei 150!“ Während sie das erzählt, piept ihre Smartwatch unentwegt - ein Warnton, dass der Herzschlag zu hoch ist. Schon wieder.
Hellfeuer versucht, Klarheit zu bekommen, geht zum Kardiologen. Doch dort heißt es nur: Sauerstoffsättigung und EKG in Ordnung. Irgendwann plagen sie Selbstzweifel, „weil ich das Gefühl hatte, dass mir niemand glaubt.“ Sie schluckt Puls-Senker, ihr Arzt rät, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Hörberingerin sucht nach Gleichgesinnten im Netz. Beim Austausch mit Selbsthilfegruppen stellt sie fest: Ich bin nicht allein. Leidensgenossen berichten von ähnlichen Beschwerden mit bis zu 20 verschiedenen Krankheitsbildern. Hinweise auf Heilung oder medizinische Hilfe? Fehlanzeige. Immerhin wird sie auf einen Arzt in Passau aufmerksam.
Endlich jemand, der sich bereits mit den Folgen von Corona-Erkrankungen auseinandersetzt. Sie nimmt Kontakt auf, vereinbart Termine. In Passau erhält sie dann auch die Diagnose: Wie viele Corona-Erkrankte leidet sie an einem posturalen Tachykardie-Syndrom (POTS), eine mögliche Folgeerkrankung durch Infektion oder Impfung. Ein Impfschaden scheidet aus, zu diesem frühen Zeitpunkt der Impfkampagne war Hellfeuer noch nicht geimpft.
Nach Schätzung der „Organisation Longcovid Deutschland“ leiden zwischen einem und zwei Prozent aller Coronakranken unter langen Nachwirkungen. Exakte Zahlen gibt es nicht. Andere Studien gehen von weit höheren Zahlen aus.
Hellfeuer lässt nichts unversucht: Vagusnerv-Stimulation, Ozon-Eigenblut-Therapie, Heilpraktiker und Osteopathen, Vitamin-C-Infusionen, Bio-Resonanz. „Ich habe auch zwei Blutwäschen hinter mir, die brachten aber auch keinen Erfolg!“ Hellfeuer forscht auf eigene Faust weiter, weil sie sich auch um das Wohlbefinden ihrer Tochter Lea sorgt.
Tochter Lea (11) mit Fatigue-Syndrom
Denn Lea leidet ebenfalls seit ihrer Covid-Erkrankung, klagt über Müdigkeit und Erschöpfung. In Verbindung mit Corona ist von einem chronischen Fatigue-Syndrom die Rede. „Es kann passieren, dass es drei Wochen lang gut geht und Lea dann eine Woche nur im Bett liegt, weil sie zu erschöpft ist aufzustehen“, erzählt Hellfeuer über ihre elfjährige Tochter. 70 Fehltage in der Schule zählte sie während eines Jahres.
Linderung bringt erst ein spezielles Sauerstofftraining. „Lea hatte zwei Sitzungen und war danach drei Monate lang stabil“, erklärt Hellfeuer den Behandlungserfolg. Mittlerweile geht die Tochter wieder zum Turnen, sie kann wieder Tanzen.
Ist Sauerstoff die Lösung?
Doch die Behandlungen beim Heilpraktiker sind teuer. Also entscheidet Hellfeuer, das 3.500 Euro teure Sauerstoffgerät zu kaufen. „Es geht mir seitdem besser“, sagt sie, jedenfalls in kleinen Schritten. Der Aufwand ist beträchtlich. Bislang habe sie knapp 13.000 Euro ausgegeben, um der Krankheit auf die Spur zu kommen.
Hellfeuers Hoffnung: Dass die Politik endlich die Tragweite von Long Covid anerkennt und entsprechend viel Geld in die Entwicklung von Medikamenten steckt. Bislang jedoch fehlen noch Nachweise, dass ein hoffungsvolles Medikament wirklich wirkt.
Elli Hellfeuer Hellfeuer spricht am Samstag, 1. April, in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Kreisbildungswerk im Pfarrheim in Neumarkt-St. Veit (Badstraße) um 14 Uhr über ihre Krankheitsgeschichte. „Long Covid - mehr als nur müde, aber keiner versteht mich“ heißt ihr Vortrag.
Mayer eine langfristig und breit angelegte Forschungsstrategie gegen Long Covid
Anlässlich des ersten Internationalen Long Covid Awareness Day am 15. März erklärt der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer dass die Forschung zu Long Covid, Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und dem Post-Vac Syndrom dringend ausgebaut werden müsse. Aktuelle Studien gehen laut Mayer davon aus, dass allein in Deutschland mindestens eine Million Menschen an den Folgen einer Covid-Infektion leiden. „Der Forschungsbedarf ist riesig. Die Bundesforschungsministerin fördert hingegen mit ihrem Haushalt von über 21,5 Milliarden Euro die Forschung zu Long Covid, ME/CFS und zum Post-Vac-Syndrom nur auf Sparflamme“, wirft Mayer der Regierung vor. „Das ist völlig inakzeptabel und wird der Größe der Herausforderung nicht gerecht. Es braucht jetzt eine große nationale Forschungsanstrengung“, betont Mayer. Neben dem Ausbau der Forschung zu Long Covid, ME/CFS und dem Post-Vac-Syndrom fordert Mayer eine langfristig und breit angelegte Forschungsstrategie gegen Long Covid, insbesondere mit dem Ziel, dass Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung schnellstmöglich bei den Betroffen ankommen. Die Patienten, so Mayer weiter, würden nicht nur unter ihrer Erkrankung leiden, sondern ebenfalls unter den kaum vorhandenen Versorgungsstrukturen. Mayers Vorwurf: „Außer Ankündigungen hat die Bundesregierung bisher nichts unternommen, um diese Situation zu ändern. Dabei wird die Situation für viele Betroffene von Tag zu Tag schwieriger.“