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Unwetter über Region Wasserburg und Mühldorf: Flutwelle rauscht den Stadtberg hinunter

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Von: Hans Grundner, Josef Enzinger, Heike Duczek, Raphaela Lohmann

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Eine knappe Viertelstunde schwerstes Unwetter am Dienstag (22. Juni) reichten aus, um im nördlichen Landkreis Rosenheim und im Kreis Mühldorf einen Millionenschaden anzurichten. Mühldorf, Kraiburg, Waldkraiburg, Wasserburg, Albaching – die Bilanz ist überall ähnlich verheerend.

Update 24. Juni, 7.30 Uhr

Nach den schweren Sturmschäden ist das Gebäude der Franz-Liszt-Mittelschule in Waldkraiburg am Donnerstag noch nicht wieder für den Unterricht freigegeben. Es findet Distanzunterricht statt.

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Update 23. Juni, 17.15 Uhr

In Mühldorf erwischt es den Bereich um den Stadtberg am schwersten

Mühldorf zieht Bilanz am Tag nach dem schweren Hagelsturm am Dienstag, 22. Juni. Die bis zu taubeneigroßen Hagelkörner haben Hinweisschilder beschädigt, Putz von den Hauswänden abplatzen lassen und Löcher an Fassaden gerissen. Gärten sind verwüstet, die Landwirtschaft ist schwer in Mitleidenschaft gezogen. Viele Getreide- und Maisfelder sind zerstört. Vielen Hobbygärtnern blieb am nächsten Tag nichts anderes übrig, als die zertrümmerten Überreste ihrer Gemüseernte einzusammeln.

Am Mühldorfer Stadtberg rauschte eine Flutwelle hinab, die sich etwa kniehoch am Katharinenplatz sammelte. Daniele Palazzo, Inhaber der Pescheria am Stadtberg, verzweifelte an den Wassermassen, die sich ihren Weg durch sein Lokal bahnten. „Jedes Fahrzeug am Stadtberg erzeugte eine Welle, immer wieder kehrten wir Wasser nach draußen“, klagt der Inhaber.

In Mühldorf hatte es den Laden von Fischhändler Daniele Palazzo mit am schwersten erwischt beim Unwetter am 22. Juni.
In Mühldorf hatte es die Gastwirtschaft von Daniele Palazzo mit am schwersten erwischt beim Unwetter am 22. Juni. © Daniele Palazzo

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An eine Bewirtung war an diesem Tag nicht zu denken. Die Gäste allerdings, die reserviert hatten, kamen stattdessen mit Pumpen und Saugeräten und halfen beim Aufräumen. Am Mittwochabend konnte er das Lokal schon wieder eröffnen.

Entenküken in Kraiburg aus Hagelsturm gerettet

Der Wanklbach in Kraiburg wurde zum reißenden Fluss, über Treppen und Straßen riss der viele Regen Hagelkörner und Schlamm mit sich, der dann in Häuser geschwemmt wurde. Auch Tiere kamen zu Schaden: In vielen Gärten lagen Vögel tot am Boden. In Kraiburg wurden vier Entenküken zu Waisen, nachdem ihre Mutter vom Hagel tödlich getroffen wurde. Dank der Hilfe vom Tierheim Waldkraiburg wurden die Küken gerettet und sind nun bei Gottbrechts Gnadenhof untergebracht.

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Update 23. Juni, 15.58 Uhr

Liszt-Mittelschule in Waldkraiburg muss nach Hagelsturm Fachräume sperren

Waldkraiburg – Sie waren nach der langen Corona-Pause erst vor Kurzem wieder vom Distanz- in den Präsenzunterricht gewechselt. Am Mittwoch durften erneut fast 500 Schüler in Waldkraiburg ihre Schule nicht betreten. Diesmal war das Unwetter vom Vorabend schuld. Vor allem in der Liszt-Mittelschule richtete es massive Schäden an.

Mit Wasser vollgesaugt hat sich die Dämmung der Decke in einem der Küchenräume, die laut Rektor Alexander Ruß so wie zwei Technikfachräume im Keller für den Unterricht gesperrt werden mussten.
Mit Wasser vollgesaugt hat sich die Dämmung der Decke in einem der Küchenräume in der Liszt-Mittelschule in Waldkraiburg, die laut Rektor Alexander Ruß für den Unterricht gesperrt werden mussten – ebenso wie zwei Technikfachräume im Keller. © Hans Grundner

„In diesem Schuljahr sind die Räume nicht mehr nutzbar“, sagt Alexander Ruß. Der Rektor der Liszt-Mittelschule steht in einer der beiden Schulküchen im Erdgeschoss, wo auch am Morgen danach noch Pfützen deutlich machen, wie heftig der Wassereinbruch war. Die beiden Technikräume im Keller muss die Schule ebenfalls bis auf Weiteres für den Unterricht sperren.

Verheerende Wirkung von Hagel und Platzregen

Die Aufräumarbeiten sind am Vormittag in vollem Gange. Sie hatten schon am Dienstagabend begonnen. Gegen 17.15 Uhr hatten zwei Lehrerkolleginnen den Schulleiter vom Wassereintritt verständigt. „Sie waren noch im Haus, um Quali-Arbeiten zu korrigieren.“ Schnell wurde die Feuerwehr verständigt, die das Wasser abpumpte. Gleichzeitig informierten die Klassenlehrer telefonisch die Eltern aller rund 300 MIttelschüler, dass der Unterricht am nächsten Tag ausfällt.

Es war wohl die Kombination von Hagel und Platzregen, die hier eine verheerende Wirkung zeigte. Vermutlich sei das Wasser über die Glaskuppel eingedrungen, so Hausnmeister Michael Hermes. Zuerst haben die Körner die Abdichtungsfolien im Bereich der Kuppeln aufgeschlagen und damit den Weg frei gemacht für den Regen. „Ein Flachdachproblem, seit es Flachdächer gibt.“ Zur Feststellung der genauen Ursachen und vor allem auch der Schadenshöhe wurde ein Gutachter erwartet.

Sturzbach vom vierten Stock bis in den Keller

Weder die Schule noch die Stadt konnten dazu Angaben machen. Sicher ist laut Alexander Ruß, dass in den Räumen bis zu den Ferien kein Unterricht mehr in den vier Fachräumen stattfinden könne. Einiges lasse sich eventuell in andere Räume verlagern, meint Ruß. „In diesen Fächern werden wir aber vor allem wieder zur Theorie zurückkehren müssen. Das ist schade.“ Denn nach dem Distanzunterricht sollte wegen der Lockerungen endlich wieder die Praxis im Vordergrund stehen.

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Für sechs Klassen der benachbarten Realschule war am Mittwoch Distanzunterricht angesagt. Sie mussten daheim bleiben, wie Rektor Werner Groß bestätigt. Eine Vorsorgemaßnahme wegen der notwendigen Aufräumarbeiten, nachdem auch hier über das Dach Wasser eingedrungen war. „Im Sturzbach“ sei es vom vierten Stock in den Keller gelaufen, berichtet Groß, der am Dienstag zur Zeit des Unwetters noch selbst im Haus war. Schäden gebe es im Archiv im Keller, aber nicht in Klassenzimmern. „Auch im Serverraum und in den IT-Räumen ist zum Glück alles trocken.“

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Update 23. Juni, 15.30 Uhr

Hagel zerschlägt Sichtkuppeln am Gymnasium Gars

Gars – Betroffen von dem schweren Unwetter am Abend des 22. Juni war auch das Gymnasium Gars. In einem Gebäudeteil hat es im obersten Stockwerk drei Plexiglaslichtkuppeln über dem Flur „völlig zertrümmert“, berichtet Schulleiter Gunter Fuchs. „Auf dem Steinboden konnte man das aber schnell und einfach wieder einsammeln, und die Feuerwehr hat zusammen mit dem Hausmeister die drei Löcher im Flachdach mit Abdeckplanen versehen.“

Der Hagel hat zum Bedauern von Fuchs außerdem die Autos einer Sekretärin und von den Lehrkräften, die noch im Hause waren, ziemlich zerbeult, bei einem Wagen seien sogar Scheiben und Rückspiegel kaputtgegangen, berichtet Fuchs. „Ansonsten musste viel abgeschlagenes Grün zusammengerecht werden.“

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Update 23. Juni, 14.45 Uhr

Hagel verursacht Totalschaden an landwirtschaftlichen Flächen

Von einer „Katastrophe“ spricht der Albachinger Landwirt August Seidinger. „So ein Hagelzug, wie wir ihn erlebt haben, ist der worst case“, sagt er. Großflächig sei ein Totalschaden auf den landwirtschaftlichen Flächen in Albaching entstanden.

Wiesen, Felder, Forst: Überall sehe es schlimm aus, berichtet der Landwirt. „Ratzeputz abrasiert“ hätten die Hagelkörner den Mais. Das Getreide sei derart zerstört, dass es sich nicht mehr zum Dreschen eigne. „Die gesamte Futtergrundlage ist weg“, betont Seidinger angesichts der Tatsache, dass auch ein ganzer Grüngutschnitt zerstört worden sei.

Das Aufräumen gestalte sich schwierig, denn die Flächen seien derzeit kaum befahrbar. „Ein solches Unwetter ist existenzbedrohend“, bedauert Seidinger. Die Bauern seien Sturm und Hagel ausgeliefert. „Ein Auto kann ich in die Garage fahren, Felder, Wiesen, Wälder kann ich nicht schützen.“ Nicht alle Landwirte seien zudem ausreichend versichert. Er geht davon aus, dass etwa ein Drittel in Albaching diesbezüglich keinen Schadensausgleich erwarten können. Grünland sei außerdem gar nicht erst versicherbar, nur Feldfrüchte.

In den vergangenen Jahren war Albaching von Unwettern verschont geblieben, betont Seidinger. Die Betriebsflächen der etwa 100 Landwirte (35 davon mit Milchviehhaltung, viele im Nebenerwerb mit kleinen Betrieben) hätten von den Einsätzen der Hagelflieger profitiert, ist er überzeugt. Nur am Dienstagabend konnten auch sie nicht helfen. 

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Update 23. Juni, 13.23 Uhr

Hagelkörner in Rechtmehring mit scharfen Zacken

Nicht so stark betroffen wie Albaching war Rechtmehring, das Unwetter zog nach Informationen von Bürgermeister Sebastian Linner schräg über die Gemeinde hinweg. Trotzdem: Es gab massive Schäden im Bereich Hart, Rechtmehring und Hochhaus. Zwei Keller liefen voll, die Hagelkörner verstopften vielerorts die Kanalisation. In der Kläranlage kämpften die Mitarbeiter bis spätabends, um das Wasser zu bewältigen. Im Dorf schaut es zu seinem Bedauern „wüst“ aus – auch weil viele Bäume ihre Blätter verloren haben. Die Kehrmaschine war am Tag nach dem Sturm im Dauereinsatz. Am Friedhof rückte ein Seniorentrupp aus, um für Ordnung zu sorgen.

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1984 war Rechtmehring das letzte Mal von einem Hagelsturm betroffen gewesen, damals mit noch schlimmeren Folgen, wie Linner berichtet. Heuer fiel ihm auf, dass die Hagelkörner mit scharfen Zacken versehen waren, die alles aufschlitzten, was sie trafen. Was den Rechtmehringer Bürgermeister besonders traurig macht: Auch Tiere waren betroffen – darunter Rehkitze. Er: „Es war schlimm und ist schlimm. Doch das Dorf hält zusammen. Wir packen das.“

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Update 23. Juni, 12.29 Uhr

Unwetter zieht Spur der Verwüstung durch Albaching

Albaching / Edling– Die Sonne schien am Mittwoch wieder auf Albaching – trotzdem befand sich das Dorf am Tag nach dem schweren Sturm am 22. Juni deutlich sichtbar im Ausnahmezustand: Denn am Dienstagabend hatte hier Weltuntergangsstimmung geherrscht – und ein Bild, als wäre mitten im Sommer der Winter ausgebrochen. Ein Unwetter hatte über der Gemeinde getobt. „Es ist trostlos, unser Dorf schaut aus wie eine Wüste. So viel ist vernichtet“, sagt ein sichtlich deprimierter Bürgermeister Rudolf Schreyer.

Tags darauf sind die Spuren der Katastrophe in der Tat deutlich zu sehen: Zerbrochene Fensterscheiben, abgerissene Fassadenverkleidungen, abgeschlagener Putz, verdreckte Keller, umgestürzte Bäume, Blumenkübel und Balkonkästen, in denen nur noch kleine Stengel auf das hinweisen, was hier einmal geblüht hat. Besonders schlimm: Getreidefelder, die ausschauen, als sei ein riesiger Rasenmäher über sie hinweggefahren und hätte nur noch ein Zentimeter lange Stoppeln hinterlassen.

Nördlicher Landkreis Rosenheim: Hagelkörner zerfetzen Vögel

60 Einsätze zählte Kreisbrandmeister Richard Schrank im nördlichsten Teil des Landkreises Rosenheim. Im Fokus standen Orte links der Bundestraße 304, vor allem Albaching. Auch Randbereiche von Pfaffing, Edling und Teile von Ramerberg sowie Haag und Maitenbeth waren betroffen. Die Hagelkörner, die zu Spitzenzeiten eine Stärke von vier bis fünf Zentimetern hatten, forderten in der Tierwelt sogar Todesopfer: Tauben, die dem Eisregen nicht entkommen konnten, wurden zerfetzt, Rehe erschlagen. Am Mittwoch waren viele Jäger unterwegs, die die Waldränder abgingen – auf der Suche nach getöteten Tieren.

Das Unwetter hat gezeigt, welch Riesenzusammenhalt im Dorf herrscht

Stefan Schwimmer, stellvertretender Kommandant Feuerwehr Albaching

Obwohl Kommandant Josef Friesinger und seinem Stellvertreter Stefan Schwimmer das Entsetzen und auch die Fassungslosigkeit über das Geschehene noch deutlich anzumerken war, konnten sie dem Geschehenen auch einen positiven Aspekt abringen: „Das Unwetter hat gezeigt, welch Riesenzusammenhalt im Dorf herrscht“, bringt es Schwimmer auf den Punkt. Quasi das ganze Dorf war auf den Beinen, um zu helfen – alle Feuerwehrler sowieso, aber auch viele weitere Bürger, die mit anpackten, wenn beim Nachbarn der Keller volllief. Die Feuerwehren aus Wasserburg und Soyen unterbrachen ihre Übungsabende und eilten den Albachinger Kollegen zu Hilfe.

Pechschwarze Wolke über der Region kündigt Unheil an

Dass sich das Unwetter derart auswirken würde, damit hatte niemand gerechnet. Schwimmer berichtet von einer dunklen Wolke am Himmel, die innerhalb weniger Minuten eine pechschwarze Farbe annahm. Er wollte noch vom Betrieb heimfahren, musste 1,5 Kilometer vorher aufgeben, denn der Hagel hatte bereits die Straßen so blockiert, dass kein Durchkommen mehr war. Sensoren an Fenstern, die automatisch auf Regen oder Wind reagieren, hatten keine Chance mehr, die Jalousien runterzufahren. So schnell kam der Sturm.

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Bürgermeister Schreyer erinnert sich an einen schwarzen Strich am Himmel, der ihn an Bilder von Tornados erinnerte. Die Wolkenformation brachte innerhalb weniger Minuten zuerst Regen, dann Sturm mit Hagel. Bis zu 20 Zentimeter hoch lag dieser auf den Straßen. Autos mussten wie im Winterdienst freigeschaufelt werden, berichtet Schreyer.

Albachinger Bürgermeister: Zum Glück keine Menschen zu Schaden gekommen

Trotz der düsteren Stimmung, die am Tag nach dem Sturm in Albaching angesichts der gewaltigen Schäden herrschte, appelliert der Bürgermeister, jetzt nach vorne zu schauen. „Wir müssen das nun Stück für Stück abarbeiten. Das Wichtigste ist doch: Kein Menschen ist zu Schaden gekommen“, findet Schreyer. Auch er würdigt den Zusammenhalt der Einsatzkräfte und die „super Organisation“ bei der Feuerwehr. „Die Einsätze in dieser Extremsituation sind vorbildlich abgelaufen.“

Große Hagelkörner sorgten rund um Mühldorf für Schaden an Autos, Gebäuden und Pflanzen. Für kleinere Tiere herrschte Lebensgefahr.
Große Hagelkörner sorgten rund um Mühldorf für Schaden an Autos, Gebäuden und Pflanzen. Für kleinere Tiere und Jungtiere herrschte Lebensgefahr. © Josef Enzinger

Ein herber Schlag – im wahrsten Sinne des Wortes – war der Hagelsturm für die neu gegründete Gärtnerei von Claudia und Florian Prietz in Edling. Die erste Ernte ist zwar nicht hinüber, aber hat doch kräftig Federn gelassen. Jetzt hofft das Ehepaar Prietz, dass sich einige Pflanzen wieder erholen. Der Verkauf geht weiter, denn die Firmenneugründer wollen ihre Gemüse nicht wegwerfen, berichtet Claudia Prietz. „Wir lassen uns nicht unterkriegen. Das Risiko war uns bekannt, doch dass es uns gleich am Anfang so erwischt, ist natürlich bitter.“

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Update 23. Juni, 12.00 Uhr

Feuerwehr-Kommandant: „So ein Unwetter über Waldkraiburg noch nicht erlebt“

Nichts ging mehr in der Teplitzer Straße in Waldkraiburg am Dienstagabend nach dem schweren Hagelsturm. Eine der Hauptzufahrten zur Innenstadt musste die Feuerwehr zwischenzeitlich sperren – so wie zahlreiche weitere überflutete Straßenabschnitte im Stadtgebiet.

In kürzester Zeit entstanden kleine Seen auf den Straßen und Plätzen Waldkraiburgs. Die Gullis wurden durch Laub und Zweige, die der Hagel von den Bäumen geholt hatte, verstopft. Der Platzregen konnte nicht mehr abfließen. Auf Parkplätzen vor den Einkaufsmärkten oder am Medizinischen Versorgungszentrum in Waldkraiburg-Süd waren die Autofahrer gefangen.

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„Ich habe so ein Unwetter über Waldkraiburg noch nicht erlebt“, sagt Feuerwehr-Kommandant Bernhard Vietze, der seit vier Jahrzehnten aktiv ist. Weit über 50 Einsätze waren bis 23.30 Uhr allein im Stadtgebiet zu bewältigen. Hauptsächlich rückte die Wehr aus, um Keller auszupumpen, die vollgelaufen waren, Gullis frei zumachen, vereinzelt auch Bäume zu schneiden oder zu entfernen. Die 44 Waldkraiburger Einsatzkräfte wurden durch die Ortsfeuerwehren Ebing, Pürten, St. Erasmus sowie Kameraden aus Aschau, Elsbeth. Kraiburg und Haag unterstützt.

Hagel zerschlägt Fenster am Kraiburger Rathaus

Eigentlich war in Kraiburg am Dienstag um 18 Uhr eine Gemeinderatssitzung in der Remise angesetzt. Doch die fiel buchstäblich ins Wasser. Die Kommunalpolitiker waren im Rathaus gefordert.

Andreas Mittermeier vom Bauamt und der Taufkirchner Bürgermeister Alfons Mittermaier hatten Alarm geschlagen. So heftig war das Hagelschauer, dass man kaum noch die Tür zum Innenhof des historischen Rathauses aufbekommen habe, erzählt der Verwaltungsmitarbeiter Mittermeier.

Die Tür zum Innenhof des Kraiburger Rathauses war nach dem Unwetter kaum noch aufzukriegen, so hoch türmten sich die Hagelberge.
Die Tür zum Innenhof des Kraiburger Rathauses war nach dem Unwetter kaum noch aufzukriegen, so hoch türmten sich die Hagelberge. © Hans Grundner

Auf der Westseite hatte der Hagel im ersten Stock des Gebäudes sieben Fenster zerschossen. Die Büros der Geschäftsleiterin, des Empfangs und der Sekretärin waren betroffen. „Die neuen Fenster haben gehalten, die alten nicht. Zum Glück haben wir einen Schreiner in unseren Reihen“, sagte Bürgermeisterin Petra Jackl. Noch am Abend konnten so die Fensteröffnungen mit Brettern zugemacht werden.

Auch in der benachbarten Pfarrkirche wurden mehrere Fenster auf der Turmseite schwer beschädigt. Im gegenüber im Restaurant Hardthaus stürzte das Wasser von oben in die Küche.

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Update 23. Juni, 11.48 Uhr:

Hunderttausende Euro Hagelschaden in Mühldorfer Autohaus

Bei der Firma Toyota Haslbeck in Mühldorf kann sich der Gutachter gleich einen ganzen Tag lang aufhalten. Knapp 200 Fahrzeuge sind es, die durch den Hagel in Mitleidenschaft gezogen wurden, sagt die Geschäftsführerin Brigitte Haslbeck. „Gebrauchtwagen, Neuwagen, Vorführer, Werkstattwagen und Fahrzeuge von unseren Kunden, die der Hagel erwischt hat.

„Der Schaden beträgt bis zu einer halben Million Euro“, schätzt die Fahrzeughändlerin, die sich noch bis nächste Woche gedulden muss, bis der Gutachter seine Arbeit aufnimmt. „Gottseidank sind wir gut versichert“, atmet Haslbeck auf. Sie sagt, sie erinnere sich an bislang vier schwere Hagelereignisse, „aber keines war bislang so heftig wie das Unwetter am Dienstag!“ Froh müsse man sein, dass niemand verletzt worden sei.

Entsprechende Vorkehrungen haben aber selbst die jüngsten Rettungskräfte getroffen. Als die zehnjährige Josefine aus Mühldorf den beginnenden Hagelschauer bemerkt hatte, schaltete sie schnell und stülpte sich zum Schutz vor den Hagelkörnern den Vespa-Helm ihrer Mutter über den Kopf, bevor sie ihre sieben Hühner in den sicheren Stall trieb.

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Die Erstmeldung zum Hagelsturm rund um Mühldorf und Wasserburg:

Mühldorf / Wasserburg – Von Jettenbach über Kraiburg und Mühldorf bis nach Töging fielen kurz nach 17 Uhr taubeneigroße Hagelkörner vom Himmel und hinterließen eine Schneiße der Verwüstung. Überflutete Keller und Unterführungen, zerstörte Gärten und eingedellte Autos, zerborstene Dachfenster und Einschläge in Fotovoltaikanlagen werden die Versicherungen in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen.

Mühldorf und Waldkraiburg besonders schwer getroffen

Das Unwetter hat im Landkreis Mühldorf die Feuerwehren von Rechtmehring bis Polling gefordert, wie Kreisbrandrat Harald Lechertshuber in einer ersten Bilanz mitteilt. Er nennt über 150 Einsätze für die Feuerwehren. „Besonders betroffen waren die Städte Mühldorf mit 66 und Waldkraiburg mit 56 Einsätzen.

Die Unterführung im Mühldorfer Stadteil Mößling war komplett unter Wasser.
Die Unterführung im Mühldorfer Stadteil Mößling war komplett unter Wasser. © re

Insgesamt hatten die Wehren im Landkreis am vergangenen Dienstag 158 Einsätze zu verzeichnen. 287 Feuerwehrmänner und -frauen waren stundenlang im Einsatz“, erklärt Kreisbrandrat Harald Lechertshuber auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen.

Jedes Auto, das draußen gestanden ist, hat einen Hagelschaden. In 25 Jahren haben ich noch kein solches Unwetter gesehen!

Armin Ring, Versicherungsagentur Allianz in Mühldorf

Bis 10 Uhr vormittags gab es am Mittwoch (23. Juni) in der Versicherungsagentur von Armin Ring bereits 150 Schadensmeldungen. „Jedes Auto, das draußen gestanden ist, hat einen Hagelschaden“, sagt der 55-jährige Agentur-Inhaber der Allianz in Mühldorf. „In 25 Jahren haben ich noch kein solches Unwetter gesehen!“

Holzverkleidungen. Edelstahlkamine, PV-Anlagen, Türen und Fenster generell und Sonnenschutz – der Hagel hat immense Schäden hervorgerufen, darunter auch Elementarschäden durch Überschwemmungen, zum einen, weil das Wasser von den Gullis ins Haus gedrückt wurde, zum anderen aufgrund der Niederschläge. Die enormen Schäden an Fahrzeugen bestätigt auch Stephan Englmaier, Versicherungskaufmann bei der Allfinanz in Mühldorf. „Da wird es eine Sammelbegutachtung geben, um alle beschädigten Fahrzeuge zu erfassen!“

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