Nach zugesagtem Schmerzensgeld: Klagewelle rollt auf katholische Kirche zu

Das Erzbistum München und Freising hat entschieden, sich in der Traunsteiner Klage eines Missbrauchsbetroffenen nicht auf Verjährung zu berufen und sich dem Prozess zu stellen. Dadurch könnte nun eine Klagewelle auf die katholische Kirche zurollen.
Update, 15 Uhr - Klagewelle gegen katholische Kirche erwartet
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller erwartet eine Klagewelle von Missbrauchsbetroffenen gegen die katholische Kirche. Dass sich nach dem Erzbistum Köln nun auch das Erzbistum München und Freising dazu entschieden habe, in Haftungsfragen keine Verjährung geltend zu machen, könne „zu einer Klagewelle auch in anderen Bistümern bei vergleichbar gelagerten Fällen“ führen, sagte Schüller der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.
Sollte es dazu kommen, sieht er vor allem Bistümer, die nicht so reich sind wie die in Köln und München, in finanzieller Bedrängnis. „Eine Reihe von Bistümern wird nicht lange in der Lage sein, die durch staatliche Gerichte verfügten Summen, die wie in Köln bis 800.000 Euro gehen können, zu bedienen, ohne nicht substanziell Vermögenswerte wie Immobilien veräußern zu müssen“, sagte Schüller.
Die bisher freiwillig gezahlten Summen bis 50.000 Euro seien in vielen Fällen angesichts der vielfältigen seelischen und somatischen Verletzungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagte Schüller. „Von daher werden jetzt viele Opfer sexualisierter Gewalt den staatlichen Klageweg einschlagen.“
Erstmeldung, Mittwoch (25. Januar)
Traunstein/München/Freising – Dadurch ist der Weg für eine gerichtliche Aufarbeitung eines der zentralen Fälle aus dem Gutachten über sexuelle Gewalt im Erzbistum frei. Die Erzdiözese München und Freising gab bekannt, dass es die Klageerwiderung in der Feststellungsklage vom Landgericht Traunstein fristgerecht eingereicht hat und die Einrede der Verjährung nicht erhebt. Das geht aus einer Pressemitteilung des Bistums am Mittwoch (25. Januar) hervor.
Erzdiözese bedauert zugefügtes Leid „zutiefst“
Die Erzdiözese hat signalisiert, dass sie bereit ist, für das erlittene Leid des Klägers ein „angemessenes Schmerzensgeld“ zu zahlen und für weitere Schadensersatzforderungen eine gerechte Lösung zu finden. In der Mitteilung heißt es weiter, dass die Erzdiözese das dem Kläger und anderen Missbrauchsbetroffenen zugefügte Leid „zutiefst bedauert“.
Es gab Bedenken von Kritikern, die eine Aufarbeitung vor Gericht fordern, dass das Bistum sich auf Verjährung berufen und sich einer gerichtlichen Aufarbeitung von Missbrauchsfällen innerhalb der Kirche vor dem Landgericht Traunstein entziehen könnte.
Hintergrund der Klage
Der Kläger ist ein Mann, der behauptet, von dem verurteilten Wiederholungstäter Priester H. in Garching an der Alz missbraucht worden zu sein. Seine Zivilklage, eine sogenannte Feststellungsklage, richtet sich gegen vier Personen: den mutmaßlichen Täter, das Erzbistum, sowie die früheren Erzbischöfe Kardinal Joseph Ratzinger und Kardinal Friedrich Wetter.
Ziel der Klage ist unter anderem, festzustellen, ob Bistumsverantwortliche Taten vertuscht und so weitere Taten des Priesters möglich gemacht haben. Bei dem Fall H. handelt es sich um einen der zentralen Fälle aus dem vor einem Jahr vorgestellten Gutachten über sexuelle Gewalt im Erzbistum München und Freising.
Der Geistliche war in den 1980er Jahren aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt worden, obwohl es zuvor Missbrauchsvorwürfe gegeben hatte. Selbst als der Mann nach weiteren Taten in Grafing bei München rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde, wurde er ein weiteres Mal versetzt: nach Garching an der Alz, wo niemand von seinen Taten wusste – und der Pfarrer erneut Kinder missbrauchte.
Verfahren gegen verstorbenen Papst Benedikt XVI. ruht
Nach dem Tod Ratzingers, des emeritierten Papstes Benedikt XVI., ruht das Verfahren gegen ihn, bis ein Rechtsnachfolger bestimmt ist. Das Verfahren gegen die anderen drei Beklagten läuft unverändert weiter, in der Nacht zu Mittwoch lief für die drei übrigen Beklagten die Frist zur Klageerwiderung ab. Das Landgericht Traunstein schlug in einer Pressemitteilung vom Mittwoch (25. Januar) den 28. März als Termin für die mündliche Verhandlung vor.
mck/dpa