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Wollte Tochter Klinik-Behandlung verhindern? „Er ist eh 89, jeder muss irgendwann sterben“

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Von: Xaver Eichstädter

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Zu Beginn des Prozesses versteckt sich die Angeklagte hinter einem großen Aktenordner vor der Öffentlichkeit und der Presse.
Zu Beginn des Prozesses versteckt sich die Angeklagte hinter einem großen Aktenordner vor der Öffentlichkeit und der Presse. © xe

Traunstein/Kiefersfelden - Sie wurde international gesucht und schließlich auf Mallorca festgenommen - jetzt steht eine Kiefersfeldenerin vor dem Landgericht in Traunstein: Die 64-Jährige soll ihren Vater vergiftet haben, um an sein „erhebliches Vermögen“ zu kommen.

Update, 14.18 Uhr - „Irgendwas passt da nicht. Vergiftet den wer?“

Jetzt wird vor Gericht klar: Bei der Polizei kam schon zwei Wochen vor dem Tod des Seniors der Verdacht auf, ob sein schlechter Gesundheitszustand absichtlich herbeigeführt wurde. Denn um den 2. November 2022 stellte die Hausärztin bereits eine Blutvergiftung fest, die sie sich nicht erklären konnte. Einen Tag später alarmierte die Haushaltshilfe die Rettungskräfte – und plötzlich gab es Streit.

Jetzt wurden Bodycam-Aufnahmen der Polizei vor Gericht abgespielt. Sie zeigen wilde Diskussionen zwischen den Beamten, den Rettungskräften, der Angeklagten und ihrem Bruder vor dem Haus in Kiefersfelden. Die uniformierten Kräfte wollten den Senior ins Krankenhaus bringen lassen. Auf den Videos wirkt er völlig benommen, konnte sich nicht mehr äußern. Die Angeklagte und vor allem ihr Bruder sperrten sich aber.

„Das ist gegen seinen Willen“, betonte der Sohn in der Diskussion immer wieder – und: „Wenn er mit seinen 89 Jahren daheim sterben will, dann soll er doch.“ Die Angeklagte wirkt auf den Videos noch eher gefasst. Im Streit mit den Beamten und den Rettungskräften ging es auch darum, ob der Vater noch einwilligungsfähig sei oder nicht.

Einen der Polizisten hört man im Video telefonieren: „...die wollen anscheinend verhindern, dass er in den Sanka kommt. Als hätten die was zu verbergen. Irgendwas passt da nicht“, kamen den Beamten da schon Zweifel. Später hört man den Polizisten zu einem der Sanitäter auch noch sagen: „Es steht im Raum, dass den irgendwer vergiftet.“ Schließlich wurde auch die Kriminalpolizei hinzugezogen.

Richter Volker Ziegler verliest vor Gericht aber auch eine Vollmacht des verstorbenen 89-Jährigen: Er bestimmte darin die Angeklagte zu seiner gesetzlichen Vertreterin. Auch eine Ärztin des Romed-Klinikums in Rosenheim wird als Zeugin geladen. Sie habe die Kinder des Seniors immer wieder überzeugen wollen, dass eine Behandlung im Krankenhaus lebensnotwendig sei. „Er ist eh 89, jeder muss irgendwann sterben“, habe die Angeklagte darauf gesagt.

Der Prozess wird am 20. Februar vor dem Traunsteiner Landgericht fortgesetzt.  

Update, 12.29 Uhr - Zuerst „Papa-Kind“ und ihn dann vergiftet? Kiefersfeldenerin schweigt vor Gericht

Die Angeklagte sagt nichts – zumindest vorerst. Das hat sich nun gleich nach der Anklageverlesung geklärt. „Zum jetzigen Zeitpunkt wird sie sich nicht äußern“, stellt Verteidiger Harald Baumgärtl klar. Also ist nun eine psychiatrische Gutachterin an der Reihe, die mit der Angeklagten in der JVA sprechen konnte. „Und sie war mir gegenüber sehr mitteilungsbedürftig“, so die Gutachterin.

Ein „Papa-Kind“ sei sie immer gewesen, habe die Angeklagte, gelernte Bankkauffrau, angegeben. In den letzten Monaten habe sie sich viel um den Vater gekümmert, viel im Haushalt erledigt, er sei wieder fitter geworden, habe die Angeklagte der Gutachterin erzählt. Freiwillig habe sie von ihm dann auch einen niedrigen sechsstelligen Euro-Betrag bekommen. Und ins Heim habe der Mann nie gewollt.

In den letzten zwei Wochen vor seinem Ableben habe der Vater keinen großen Lebenswillen mehr gehabt. Mitleid habe die Angeklagte mit ihm gehabt, sagte sie im Gefängnis zur Sachverständigen. „Wie würde sie sich selbst beschreiben?“, will Richter Volker Ziegler wissen: Als hilfsbereit habe sich die 64-Jährige bezeichnet und dass sie immer für andere kämpfen würde, nicht aber für sich selbst.  

Etwa zwei Wochen vor seinem Tod kam der Vater ins Krankenhaus. Doch als er von daheim geholt wurde, gab es lange Konflikte und einen Polizeieinsatz. Darüber werden nun die nächsten Zeugen berichten

Update, 10.37 Uhr - Details aus der Anklage

Der Prozess gegen die 64-jährige Kiefersfeldenerin beginnt. Anfangs versteckt sie sich hinter einem großen Aktenordner vor Öffentlichkeit und Presse. Die Frau soll ihren reichen Vater vergiftet haben, um an sein Erbe zu kommen. Im November 2021 verstarb er im Alter von 89 Jahren.

Staatsanwalt Wolfgang Fiedler holt aus und verliest die Anklageschrift: Über Jahrzehnte hätte die Frau nur sporadisch Kontakt zum Vater gehabt, knüpfte die Bande aber anderthalb Jahre vor seinem Tod wieder enger. Dann habe sie sich eine Vorsorgevollmacht für die Konten des Vaters besorgt. 

Im Januar 2021 habe sich die Angeklagte dann selbst 20.000 Euro überwiesen und an ihre Geschwister 60.000 Euro. Im Mai 2021, ein halbes Jahr vor dem Tod des Vaters, folgten weitere insgesamt 372.000 Euro an die Geschwister. In den letzten Monaten soll sie dem Vaters selbst – und über eine Haushaltshilfe – verschiedenste Beruhigungsmittel gegeben haben. Ärztlich verschrieben waren sie nicht.

Der nichtsahnende Vater erlitt hierdurch eine lebensbedrohliche Überdosierung und eine Blutvergiftung“, so Staatsanwalt Fiedler. Das Motiv der heute 64-Jährigen sei gewesen, ans Erbe des Vaters zu kommen. Am 16. November 2021 sei der 89-jährige Vater schließlich im Rosenheimer Krankenhaus verstorben. Eine sicher nachweisbare Todesursache habe aber nicht festgestellt werden können. Daher lautet die Anklage auch „nur“ auf versuchten Mord. Er habe ein „erhebliches Vermögen“ hinterlassen...

Wie wird sich die Angeklagte äußern? Nun wäre sie am Zug.

Vorbericht:

Die Todesumstände waren verdächtig, die Ärzte wurden stutzig: und so fing die Kripo zum Tod eines 89-Jährigen aus Kiefersfelden an zu bohren. Gut vier Monate nach seinem Ableben griff die Polizei dann zu und verhaftete die älteste Tochter des Mannes auf Mallorca. Ab Dienstag (7. Februar) steht die 64-jährige Kiefersfeldenerin vor dem Traunsteiner Landgericht. Der Vorwurf: versuchter Mord. Sie habe den Vater mit überdosierten Medikamentencocktails umbringen wollen, um an sein Erbe zu kommen.

Vater vergiftet, um an Erbe zu kommen? Urteil wohl Ende März

Acht Prozesstage sind im Verfahren gegen die Frau angesetzt, mit einem Urteil wird Ende März gerechnet. Laut Staatsanwaltschaft habe die Frau in den letzten Monaten des Seniors plötzlich wieder engen Kontakt zu ihm aufgenommen. Die Kiefersfeldenerin habe sich Vollmachten besorgt und dann für sich und ihre Geschwister insgesamt um die 450.000 Euro abgehoben - teils habe der Mann gar nichts davon mitbekommen.

Die 64-Jährige habe sich aber wohl nicht nur fürs Geld, sondern auch für die Medikamente zuständig gefühlt. Über die unwissende Haushaltshilfe oder auch selbst habe sie ihrem Vater überdosierte Medikamentencocktails verabreicht - bis der Mann im November 2021 im Alter von 89 Jahren verstarb. Die Todesursache konnte laut Staatsanwaltschaft nicht eindeutig festgestellt werden, daher „nur“ die Anklage wegen versuchten Mordes. Das mutmaßliche Motiv der Angeklagten: weitere Erbansprüche...

Die Angeklagte wurde am 1. April vorigen Jahres in Palma de Mallorca festgenommen. Dort lebte sie zuletzt. Rund drei Wochen später wurde die 64-Jährige nach Deutschland ausgeliefert, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Vertreten wird die Frau nicht nur von ihrem Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl, sondern auch von Wahlverteidiger Benedikt Stehle. Laut Baumgärtl ist die Akte über 3000 Seiten stark. Die Verhandlung am Traunsteiner Landgericht beginnt um 8.30 Uhr.
chiemgau24.de wird aktuell vom Prozess berichten.

xe

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