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Das Virus auf dem Weg zur Endemie: Höhepunkt der Omikron-Welle Ende Januar?

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Von: Marina Birkhof

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Wiener Virologe zu aktueller Pandemielage und steigenden Zahlen durch Omikron und Demonstrationen
Der Wiener Virologe Professor Dr. Norbert Nowotny sieht mitunter Demonstrationen wie hier im Dezember 2021 im Mangfallpark in Rosenheim mit 2000 Teilnehmern als Pandemietreiber im aktuellen Geschehen um die ansteckende Omikron-Variante. © mb/Nowotny (Montage)

Omikron wütet - in Deutschland, Bayern und in der Region. Was steht uns die nächste Zeit bevor? Wann wird es leichter? Der Wiener Virologe Professor Dr. Norbert Nowotny wagt einen Blick in die nahe Zukunft.

Die Inzidenzen und Ansteckungsraten steigen durch Omikron rasant - auch mehrfach Geimpfte infizieren sich. Herr Professor, weshalb verschlimmert sich die Situation jetzt wieder?

Ein Punkt, weshalb die Pandemie erneut Fahrt aufnimmt ist, dass die Inkubationszeit bei Omikron viel kürzer ist als sie es bei Delta war. Von Ansteckung bis Krankheitsausbruch vergehen nur zwei bis drei Tage. Das ist der große Unterschied zu früheren Varianten: Die Menschen stecken sich viel schneller an und das wirkt sich natürlich auf die Zahlen aus.

Welche Ursachen hat dieser sprunghafte Anstieg der Infektionszahlen aus Ihrer Sicht?

Drei Dinge lassen die Infektionszahlen nach oben schnellen: Das Eine sind gerade in den Grenzgebieten zu Bayern und Österreich die Tourismus-Skiorte. Hier gab und gibt es viele Ansteckungen - sowohl von Touristen als auch einheimischen Skiurlaubern. Skifahrer bringen bei der Heimreise das Virus im Gepäck mit. Zum Anderen sehe ich die Schulen als Grund. Trotz Testungen wurden zu Beginn des Präsenzunterrichts positive Fälle gemeldet, die Infizierten könnten möglicherweise schon Freunde und Familie angesteckt haben. Der dritte große Aspekt sind in meinen Augen die Demonstrationen, die mit mehreren 1000 Leuten wieder massiv aufflackern. Viele Teilnehmer tragen bei den Versammlungen keine Maske oder sie tragen sie falsch. Das ist epidemiologisch gesehen ein Wahnsinn. Diese drei Argumente führen schließlich dazu, dass wir in fünf bis sieben Tagen eine weitere deutliche Zunahme der Infektionen sehen werden.

Mit welchen Ansteckungszahlen rechnen Sie bis Ende Januar? 

Mit Omikron erwarten wir eine deutliche Zunahme von Infektionen in den nächsten Tagen und Wochen. Ende Januar werden wir wahrscheinlich den Höhepunkt erreichen. Auf wie viele Infektionen wir letztlich kommen werden, ist schwer zu sagen.

Die Omikron-Welle hat bereits massiv Fahrt aufgenommen: Lässt sie sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch brechen?

Wir wussten von Anfang an, dass wir Omikron nicht verhindern können. Brechen lässt sich die Welle also nicht mehr. Aber wir können sie verlangsamen, um die Klinik-Kapazitäten zu schützen. Denn wir wissen noch immer nicht, wie schwer der Verlauf sein wird und inwiefern sich das auf die Kliniken auswirkt.

Hätte die akute Omikron-Welle beispielsweise durch strengere und vorausschauende Maßnahmen abgeschwächt werden können?

Nein, wie ein Blick nach Österreich beweist: Das Land ist durch den November-Lockdown mit sehr niedrigen Zahlen in die aktuelle Welle gegangen und doch steigen auch dort die Zahlen - genau wie in den anderen Ländern. Die Reaktionen der Politiker waren in Ordnung und zeitgerecht.

Stichwort 2G+: Können die Testungen helfen, das Virus frühzeitig zu erkennen und einzudämmen?

Natürlich können Testungen helfen, doch 2G+ hat Limitierungen. PCR-Kapazitäten stehen nicht unendlich zur Verfügung. Auch wenn die Testungen aus virologischer Sicht gut sind, organisatorisch gelten sie als mühsam. Ein professionell entnommener Antigen-Schnelltest von medizinisch geschultem Personal in Testzentren indes ist bei Weitem nicht so perfekt wie ein PCR-Test, weil er nicht so empfindlich ist. Doch er ist immer noch besser als gar kein Test. Das Ergebnis des selbstständig durchgeführten Tests zu Hause hingegen ist kritisch zu hinterfragen. 2G+ ist gut und schön, doch speziell an den PCR-Kapazitäten könnte es scheitern.

Welche Szenarien neuer Mutationen halten Sie in nächster Zeit noch für möglich und wie muss das Pandemie-Management der Politik aussehen, um gegensteuern zu können?

Dass sich weitere Mutationen ergeben ist natürlich möglich. Es liegt in der Natur eines Virus, sich zu verändern und zu mutieren. Ich bin optimistisch, auch wenn die Omikron-Welle trotz aller Maßnahmen heftig ausfallen wird. Es werden sich viele infizieren – sowohl Geimpfte als auch in erster Linie Ungeimpfte. Somit werden wir aber einen weiteren Schritt in Richtung Herdenimmunität gehen, wodurch wir eine gute Immunitätslage in der Bevölkerung haben, die weitere Wellen ausbremsen könnte. Ich denke darüber hinaus, dass wir milderen Mutationen künftig begegnen werden. Daher gehe ich davon aus, dass die Omikron-Welle bis Ende Februar durchstanden sein wird.

Was folgt dann ab März?

Aus den letzten beiden Pandemie-Sommern wissen wir, dass sich in den warmen Monaten des Jahres kein hohes Infektionsgeschehen entwickelt - der klassische Saisonalitäts-Effekt. Dann müssen wir allerdings den Blick gen Herbst richten und ich glaube, dass das Virus bis dahin endemisch geworden ist. Ich habe durchaus die Hoffnung, dass die Pandemie mit all seinen negativen Erscheinungen wie Lockdowns und Kontaktbeschränkungen vorbei sein sollte. Es kann natürlich auch anders kommen, beispielsweise, dass im Herbst erneut eine größere Welle auf uns zukommt. Das kann keiner vorhersagen. Ich persönlich aber glaube es nicht, weil wir bis dahin eine gute Immunitätslage in der Bevölkerung erreicht haben sollten. Über den Sommer hinweg werden wir erkennen, wie schnell diese Immunität abnimmt. Bleibt sie stabil, sollten wir die Lage im Griff haben. Nimmt sie jedoch rasch ab, könnten wir im Herbst ein Problem bekommen.

Inwiefern ein Problem?

Eine neue Welle könnte nur durch eine vierte Impfung verhindert werden. Vor allem die Risiko-Gruppen sollten sich im Herbst eine Auffrischungsimpfung holen – sicherer aber ist es, wenn sich jeder auffrischen lässt. Mit Corona verhält es sich ähnlich wie mit der Grippe. Die Grippe ist ebenfalls ein saisonales Virus, das im Herbst und Winter jedes Jahr wieder sein Höchstmaß erlebt und gegen das es einen Impfstoff gibt. Früher erlebte jeder von uns im Herbst und Winter mehrmals einen grippalen Infekt und lag gelegentlich auch mit Influenza im Bett. Jetzt haben wir eben ein weiteres zusätzliches Atemwegs-Virus, das wir jeden Herbst und Winter sehen werden und gegen das wir uns mit einer Impfung schützen können.

Herr Professor, vielen Dank für Ihre Zeit.

mb

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