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Prozess um Dreifachmord von Starnberg immer mysteriöser: Foltervorwürfe und jetzt eine Razzia

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Von: Markus Zwigl

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Prozess um Morde von Starnberg
Die zwei wegen Mordes angeklagten Männer (l und 2.v.r.) stehen vor Beginn der Verhandlung mit ihren Anwälten im Sitzungssaal. © Sven Hoppe/dpa/Archivbild

Der Prozess um den Mord an einer Familie in Starnberg wird immer spektakulärer und bei all seiner Tragik schon fast filmreif. Nachdem die Verteidigung eines Angeklagten heftige Vorwürfe gegen die Polizei erhob, hat es nun eine Razzia bei dem Vermieter des Hauptangeklagten gegeben.

München/Starnberg - Während des laufenden Prozesses um einen mutmaßlichen Dreifachmord in Starnberg hat es eine Razzia bei dem Vermieter des Hauptangeklagten gegeben. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft München II. Die Durchsuchung sei allerdings „ohne Ergebnis verlaufen“, sagte eine Sprecherin der Behörde. „Es gab weder eine Festnahme noch weitere Durchsuchungen.“

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der heute 21 Jahre alte Hauptangeklagte in der Nacht im Januar 2020 die Starnberger Familie auslöschte - eine 60 Jahre alte Frau, ihren 64 Jahre alten Mann und den gemeinsamen Sohn erschoss. Anschließend habe der Deutsche die wertvolle Waffensammlung des Sohnes gestohlen. Er steht unter anderem wegen Mordes vor Gericht. Ein 20 Jahre alter Slowake ist als Mittäter angeklagt.

Viele ungeklärte Fragen

Allerdings gibt es in dem Prozess nach wie vor viele ungeklärte Fragen. Rätselhaft ist beispielsweise die Rolle eines Freundes des getöteten Sohnes und der beiden Angeklagten. Nach Angaben der Ermittler soll er immer wieder dabei gewesen sein, wenn seine Freunde alte Waffen wieder in Stand setzten und damit herumschossen. Ermittlungen gegen ihn wegen der Vorbereitung eines Amoklaufes wurden allerdings eingestellt.

Bei seiner Aussage als Zeuge vor Gericht hatte sich der heute 19-Jährige zunehmend in Widersprüche verwickelt. Er berichtete davon, dass sowohl der getötete Sohn als auch dessen mutmaßlicher Mörder, der Hauptangeklagte im Verfahren, Waffen besessen und daran gebastelt hätten. Er selbst sei „um vier Uhr morgens vom SEK aus dem Bett geholt und nach Fürstenfeldbruck gefahren“ worden. An viel mehr könne er sich nicht erinnern, sagte er und begründete seine Erinnerungslücken mit angeblich heftigem Drogenkonsum. Die Richterinnen erinnerten ihn mehrfach nachdrücklich an seine Pflicht, als Zeuge die Wahrheit zu sagen.

Verteidigung erhebt schwere Vorwürfe gegenüber Polizei

Vor der Aussage des jungen Mannes ging es um die geplante Aussage einer Polizeibeamtin. Bei ihr soll der Hauptangeklagte, ein 21-jähriger Deutscher, ein Geständnis abgelegt und seinen mutmaßlichen Komplizen (20) belastet haben.

Die Verteidiger des 20-jährigen Slowaken wollen, dass die Aussage der Ermittlerin nicht als Beweismittel zugelassen wird. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei und gehen davon aus, dass der junge Mann vor seiner Aussage gefoltert wurde. Sie sprechen von „Erniedrigung, Quälerei und Misshandlung“. Die Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück: „Der Vorwurf der Folter entbehrt jeglicher Grundlage“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord.

Hintergrund:

Auf einem Foto posiert der Angeklagte im Internet mit Gasmaske und Gewehr.
Auf einem Foto posiert der Angeklagte im Internet mit Gasmaske und Gewehr. © privat

Die beiden Angeklagten waren mit dem 21 Jahre alten Sohn der getöteten Familie befreundet. Der 21-jährige Angeklagte soll mit seinem Freund am 10. Januar 2020 den Abend verbracht haben - ehe er diesen und die Eltern kaltblütig ermordet haben soll. Um die Tat zu vertuschen, soll er eine Pistole so neben dem toten Freund drapiert haben, dass es aussah, als habe dieser erst seine Eltern und dann sich selbst getötet. Sogar die Obduktion und ein Gutachten bestätigten anfangs die Theorie, dass der Sohn erst seine Eltern und dann sich selbst erschossen hätte. Erst zwei Wochen nach der Tat stellte sich die Situation plötzlich komplett anders dar.

Ermittlungen zu den am Tatort gefundenen Pistolen führten über den Ausbildungsbetrieb des Sohnes zu dem nun Tatverdächtigen. Knapp zwei Wochen nach der Tat, am 24. Januar 2020, wurde dann die Wohnung des 21-jährigen Beschuldigten durchsucht, die Ermittler fanden eine Vielzahl an Waffen sowie Munition. Auf der Fahrt zur Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck habe er damaligen Angaben der Polizei zufolge von ganz alleine die Tat gestanden - die Tat soll er sogar gefilmt haben. Der 21-Jährige und der 20-Jährige sitzen seither in Untersuchungshaft. Denn der 20-jährige Mitangeklagte soll den 21-Jährigen damals zum Tatort gefahren, während der Tat in der Nähe gewartet und ihn anschließend wieder abgeholt haben.

Angebliches Motiv bekannt

Laut Anklagebehörde nahmen die beiden gemeinsam nach der Tat die oben erwähnten voll- und halbautomatischen Schuss- sowie Kriegswaffen aus dem Besitz des Sohnes mit. Dieses Waffenarsenal könnte auch das Motiv für die Tat gewesen sein. Denn laut einem Bericht der Bild-Zeitung hatte der Angeklagte auch einen Amoklauf im Münchner Shoppingcenter Pasing-Arcaden geplant. Sein getöteter Freund besaß die nötigen Waffen dafür, wollte aber an der Bluttat offenbar nicht mehr teilnehmen. Deshalb musste er wohl sterben, heißt es in dem Bericht weiter. Angeklagter und Opfer hatten sich wohl über ihre Waffenliebe kennengelernt. Ein Experte beschrieb laut bild.de den Hauptverdächtigen in einem psychologischen Gutachten auch als herzlos, er habe eine niedrige Schwelle für aggressives Verhalten.

Opfer durch Kopfschuss getötet

Eine Polizeistreife hatte die Leichen der 60 Jahre alten Frau und ihres 64 Jahre alten Mannes sowie des Sohnes am 12. Januar entdeckt. Die Tochter hatte sich Sorgen gemacht und Alarm geschlagen. Die Eltern lagen im Schlafanzug in ihrem Schlafzimmer im ersten Stock des Einfamilienhauses.

Die Leiche des Sohnes wurde in dessen Zimmer entdeckt. Er starb wie seine Eltern durch einen Kopfschuss; eine von zwei gefundenen Pistolen lag direkt neben ihm. Zunächst wurde deshalb vermutet, dass er zuerst die Eltern und dann sich selbst erschoss. Allerdings fehlte ein Abschiedsbrief - eine der Ungereimtheiten, die die Ermittler stutzig machten.

Beiden Verdächtigen wirft die Staatsanwaltschaft auch zwei bewaffnete Raubüberfalle auf Verbrauchermärkte mit insgesamt einigen Tausend Euro Beute vor.

mz/dpa

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