Schulstart in Bayern, Corona – und wieder kein Konzept? Von Lüftern, Tests und Kindern aus der Spur

Normal ist anders: Ab Herbst werden Kinder und Jugendliche wohl wieder mit Maske im Unterricht sitzen. Es wird um Testen, Impfen und Lüften gehen. Die Schulen sehen da noch viel Klärungsbedarf. Schließlich soll das Schuljahr gut starten, trotz Corona.
Von Cordula Dieckmann, dpa
München – Früher war die Schule in Bayern Mitte August noch weit weg. Sommerferien-Halbzeit, die wenigsten dachten da ans Lernen. Wenn überhaupt ging es um Fragen wie «Welche Lehrerin bekommt mein Kind?» oder «Wird mein bester Freund in meiner Klasse sein?»
Doch zum Schulstart am 14. September steht erneut Corona im Mittelpunkt, wieder einmal. Die Fallzahlen steigen schon rasant, ohne dass irgendein Schüler im Unterricht sitzt. Wird es Präsenzunterricht geben oder das leidige Homeschooling? Müssen alle Masken tragen? Und wie sieht es aus mit Impfen, Lüften, Testen, Quarantäne, Abstand halten? Themen, bei denen die Schulen klare Vorgaben von der Bayerischen Staatsregierung fordern – und das möglichst rasch.
Kommen wieder hektische Ansagen kurz vor Ende der Ferien?
«Unser oberstes Ziel ist es, die Schulen im Herbst und Winter offen zu halten und maximalen Gesundheitsschutz für alle Beteiligten zu gewährleisten», fordert Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes (bpv). Schulschließungen? Auf gar keinen Fall, heißt es auch beim Landesschülerrat. «Diese würden bei den Schülern wiederholt Lücken im Unterrichtsstoff und Lerndefizite auslösen», erklärt Vizesprecher Nevio Sebastiano Zuber. Dann besser Corona-Tests und Impfaktionen an Schulen. «Außerdem muss aus meiner Sicht mehr Aufklärung zu diesem Thema in den Schulen betrieben werden, um kuriosen Verschwörungstheorien vorzubeugen», sagt Zuber.
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Noch gut drei Wochen ist Zeit, die Weichen für einen reibungslosen Schulstart zu stellen. Etwas wollen die Schulen auf gar keinen Fall: Erst kurz vor knapp von neuen Regelungen erfahren und sie in aller Hektik umsetzen müssen. «Das geht nicht von Freitag auf Montag», warnt Simone Fleischmann. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes sieht die Politik in der Pflicht etwa zur Überlegung, welche Corona-Tests in den Klassen verwendet werden sollen. Das seien medizinische Fragen, die Schulen nicht beantworten könnten. Hier müsse der Staat Klarheit schaffen, «aber bitte nicht wahlkampf-politisch motiviert, sondern medizinisch astrein».
Kultusministerium setzt auf mobile Raumluft-Reiniger
Auch der Bayerische Realschullehrerverband (brlv) verlangt deutliche Ansagen, wie die Sicherheit an Schulen zu gewährleisten ist. «Kein Zögern mehr - keine Ausnahmen», erklärt brlv-Vorsitzender Jürgen Böhm. Zu den Punkten, die den Schulen Kopfzerbrechen bereiten, gehört die Frage, ob und wie Lehrer Auffrischungsimpfungen erhalten sollen. Wie sich die hochansteckende Delta-Variante auswirken wird und wer wann wie lange in Quarantäne muss - oder auch nicht. Böhm hofft auch, dass sich viele Schüler ab 12 Jahren impfen lassen. Das würde einen weiteren Schritt in Richtung Sicherheit bedeuten, findet er.
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Das Kultusministerium sieht die Schulen gut gerüstet und verweist auf die Zeit nach den Pfingstferien, als es Präsenzunterricht mit vollen Klassen gab. Die Schutzkonzepte hätten sich da bewährt, sagt ein Sprecher. Als wichtigen Baustein nennt er mobile Raumluft-Reiniger, die in Klassenzimmern für virenfreie Luft sorgen sollen und für deren Beschaffung die Schulaufwandsträger zuständig sind. Der Freistaat unterstütze die Träger mit insgesamt 240 Millionen Euro. Damit könne die Zahl der Geräte noch einmal deutlich erhöht werden.
Bei den Schülern machen sich psycho-soziale Probleme bemerkbar
Der Philologenverband ist bei den Lüftern weniger optimistisch. So halten manche Kommunen den Zuschuss für zu niedrig und zögern mit der Anschaffung, weil sie hohe Kosten fürchten. «Hier blieb es bei der Landesregierung und in zu vielen Kommunen bei guten Absichten, Appellen oder verbalen Aufforderungen», bedauert bpv-Sprecherin Ulrike Schneider. «Entscheidend und zugleich enttäuschend ist aber, dass nicht genug unten bei den Schulen angekommen ist.»
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Und dann sind da noch die Schülerinnen und Schüler, bei denen die anderthalb Jahre Pandemie Spuren hinterlassen haben. «In den letzten Wochen des Schuljahres in Präsenz hatten sich bei nicht wenigen Probleme im psychosozialen Bereich bemerkbar gemacht», berichtet Schneider. Hinzu kämen Lernrückstände, die man in großen Klassen nicht aufholen könne. Hier machten Kleingruppen Sinn. Doch dazu brauche es mehr Lehrer: «Bei einer ohnehin knappen Personalversorgung kann diese Rechnung nicht aufgehen.»
Klassen mit 28 Kindern, statt Kleingruppen und individuelle Förderung
BLLV-Präsidentin Fleischmann unterstützt diese Forderung. Vor allem an Grund- Mittel- und Förderschulen herrsche Lehrermangel. Die Folge: Riesige Klassen mit 28 Kindern statt Kleingruppen und individueller Förderung. Für die Pädagogin ist das kein Weg, um Mädchen und Buben zu helfen, die aus der Spur geraten sind. Zumal man das Problem nicht kurzfristig lösen könne - das sei Langstrecke: «Diese Kinder werden nicht bis Weihnachten geheilt sein.»