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Töpferei Klampfleuthner: So geht es mit Traditionsbetrieb auf Fraueninsel weiter

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Von: Raphaela Kreitmeir

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Collage: An einer Drehscheibe wird getöpfert/Sophia Klampfleuthner und ihr Vater
Gelebte Tradition auf der Fraueninsel: die Töpferei Klampfleuthner © Michael Butolo

Seit 300 Jahren heißen die Töpfer auf der Fraueninsel Klampfleuthner. Und es sieht so aus, als würde diese Familientradition weiterleben. Denn Sophia Klampfleuthner arbeitet jetzt im elterlichen Betrieb mit. Nach Stationen in Regensburg, Washington und Hamburg ist die studierte Kulturanthropologin auf die Insel zurückgekehrt. Warum? Weil Heimat Halt gibt, weil Handwerk glücklich macht, weil sie Tradition mit neuen Ideen füllen kann – das sind einige der Eindrücke, die bei einem Treffen spürbar sind.

von Raphaela Kreitmeir, Fotos: Michael Butolo

Sophia Klampfleuthner
Sophia Klampfleuthner © Michael Butolo

Treffpunkt ist morgens am Anleger in Gstadt. Es ist so still, wie man es im Sommer kaum für möglich hält. Nur ab und zu schnattern Enten, damit ihr Schnabel nicht zufriert; das ist zumindest meine Vermutung, denn es ist eiskalt. Aus dem feinen Nebel taucht langsam der legendäre Zwiebelturm-Umriss der Fraueninsel auf, davor ein Boot, das den Fotografen und mich abholt. Am Steuer: Sophia Klampfleuthner. Mit dabei: Ihr Vater Georg, der sie nicht nur das Schiff steuern lässt, sondern ihr allen Freiraum lässt, den ein junger Mensch zum Wachsen braucht – was vielleicht auch die Bedingung dafür ist, dass ein Kind, wenn es längst erwachsen ist, gerne zurückkommt.

Die beiden sind ein eingespieltes Team: auf dem Boot genauso wie in der Werkstatt auf der Insel. Der Vater ist da, wenn Sophia etwas braucht oder eine Frage hat, bei dem Interview zieht er sich zurück. „Wir begegnen einander auf Augenhöhe“, beschreibt die 29-Jährige die Zusammenarbeit mit dem Vater, der in diesem Jahr sein 40-jähriges Berufsjubiläum feiern kann. „Er gibt mir sein Wissen weiter, seine Erfahrungen und lässt mich Dinge auch anders machen. Manchmal misslingt mir dann etwas, aber manchmal entsteht dadurch auch etwas ganz Neues“, erklärt Sophia und nimmt eine Schale zur Verdeutlichung in die Hand. „Wie hier dieser Farbverlauf durch das Auftragen mehrerer Glasuren übereinander.“ Ihre blauen Augen leuchten, während ihr Zeigefinger dem Farbverlauf folgt.

An der Drehscheibe wird aus dem Ton eine Schale.
An der Drehscheibe wird aus dem Ton eine Schale. Von Beginn bis Fertigstellung braucht jedes Objekt etwa drei Wochen. © Michael Butolo

Glasiert und getöpfert wird in ihrer Familie seit dem Jahr 1723. Der Vater führt die Inseltöpferei in der 13. Generation. Sophia könnte die 14. Töpfergeneration sein. 

Wie fühlt es sich an, eine 300-jährige Familientradition fortzuführen?

Meine Eltern haben mir nie vermittelt, dass ich den Betrieb fortführen muss. Sie haben stattdessen meine Schwester und mich ermutigt, die Welt kennenzulernen, unsere Interessen zu entdecken, zu studieren. Demzufolge habe ich auch das Gefühl, nichts machen zu müssen, sondern alles machen zu dürfen. Ich kann kreativ sein und will gleichzeitig Techniken bewahren, die es so nur bei uns gibt, wie die Kacheln für die Kachelöfen. Einige der Modeln, die wir für das Relief der Kacheln verwenden, sind so alt wie die Töpferei.

Studiert hast du Kulturanthropologie, jetzt arbeitest du als Töpferin – gibt es da Berührungspunkte?

In meinem Studium habe ich mich damit beschäftigt, wie Dinge eine Kultur prägen, weil sie im Alltag verwendet werden und durch den Gebrauch und die Gefühle, die damit verbunden sind, Wert erhalten. Genau das erlebe ich in unserer Werkstatt, wenn mir Kunden erzählen, wie ein Service oder eine Weihwasserschale sie durch unterschiedliche Lebensabschnitte begleitet haben. Diese Gegenstände sind dann viel mehr als ein Stück Keramik, sie haben eine Geschichte.

Du bist Mitautorin eines Werkes zur Kulturwissenschaft mit dem Titel „Orientieren & Positionieren. Anknüpfen & Weitermachen“. Trifft dieser Titel auch für deine Ausgangsposition in der Inseltöpferei zu?

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber passt eigentlich total, auch wenn der Zusammenhang natürlich ein ganz anderer ist. Für mich trifft es insofern zu, dass ich mich orientieren muss, um meinen Platz zu finden, dass ich navigieren muss, was bleiben und was sich verändern soll.

Wie wichtig war es für dich, als junger Mensch wegzuziehen?

Enorm wichtig. Meine Eltern haben meine Schwester Felicia und mich auch ermutigt, neue Orte kennenzulernen. Nach dem Abi bin ich fürs Bachelor Studium nach Regensburg, danach für ein halbes Jahr nach Washington DC und New York, wo ich mich mit nachhaltiger Entwicklungshilfe beschäftigt habe, und dann für den Master nach Hamburg. Ich kannte keinen dort und blieb sechs Jahre. Unter den als kühl geschmähten „Nordlichtern“ habe ich mich sehr wohl gefühlt und ich war begeistert von meinem Studium, in dem es um Themen wie Protestkultur und die Möglichkeiten ging, aktiv etwas zu gestalten. Gearbeitet habe ich dann im MARKK, dem Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Als ich dort Ausstellungen betreute und Objekte in einen Kontext setzte, habe ich erstmals darüber nachgedacht, was das eigentlich für Keramiken sind, die wir hier auf der Fraueninsel machen.

Georg und Sophia Klampfleuthner
Georg Klampfleuthner ist Inseltöpfer in 13. Generation und gibt sein Wissen an seine Tochter Sophia weiter. © Michael Butolo

Und dann hast du beschlossen zurückzukommen?

Noch nicht ganz, aber mir wurde klar, dass mich sehr viel mit der Insel und der Töpferei verbindet. Als mein Vater dann darüber sprach, dass er überlegt, sich in den nächsten Jahren zur Ruhe zu setzen, um endlich Zeit zu haben für all das, was in 40 Berufsjahren zu kurz kam, wie Musik machen und reisen, wurde mir bewusst, dass jetzt die Zeit gekommen ist, auszuprobieren, ob mein Platz in der Töpferei ist.

Wie haben deine Eltern auf deine Entscheidung reagiert?

Sie haben sich total gefreut und hatten gleichzeitig Bedenken, ob ich als junge Frau aus der Großstadt auf der Insel glücklich werde.

Wie fühlt sich das Leben auf der Insel an?

Im Sommer ist es traumhaft schön, am Schönsten sind die Morgenstunden, wenn es noch ruhig ist. Man sieht den Sonnenaufgang, schwimmt im See und ist einfach nur dankbar. Dann beginnt die Arbeit in der Werkstatt und über den Tag kommen viele, ganz unterschiedliche Menschen ins Geschäft. Die Insel ist sehr klein, aber die ganze Welt kommt zu Besuch, so ist zumindest mein Eindruck im Sommer.

Und im Winter?

Da ist es ruhig, sehr ruhig, sehr, sehr ruhig. Mit Ausnahme des Christkindlmarktes kommen nur sehr wenige Menschen, wir Insulaner sind unter uns und mit dem Chiemsee allein. Das kann sich sicher auch einsam anfühlen, aber wenn man hier aufgewachsen ist, kennt und schätzt man diese Ruhe.

Die Werkstatt befindet sich mitten im Laden.
Die Werkstatt befindet sich mitten im Laden. © Michael Butolo

Ihr Freund, der als geborener Gstadter die Insel eher vom Festland her kennt und als Musiker in München lebt, ist total begeistert von der Ruhe. Die Insel im Winter bietet ihm einen Ort, um die Akkus aufzuladen. Und München bietet Sophia die Möglichkeit, in Ausstellungen zu gehen, neue Impulse und Ideen zu sammeln. Das bewahrt sie vor jeder Form von Inselkoller. Schließlich ist die Fraueninsel nur 620 Meter lang und 300 Meter breit. Das kann sich eng anfühlen. Für Sophia Klampfleuthner fühlt es sich vertraut und gleichzeitig neu an. Denn sie ist kein Inselkind mehr, keine junge Frau, die zu Besuch kommt, sondern sie lebt und arbeitet jetzt auf der Insel.

Kann man eigentlich automatisch töpfern, wenn man aus einer Familie stammt, die das seit 300 Jahren tut?

Leider nicht. Man muss das Handwerk richtig lernen, Erfahrungen sammeln, ausprobieren, Fehler machen und dazulernen.

Ist Kreativität vererbbar?

Ich glaube nicht. Man bekommt im Elternhaus bestimmte Impulse, die es einem leichter machen, zu lernen, auf die Welt neugierig zu sein, etwas gestalten zu wollen. Wozu diese Impulse aber konkret führen, kann sehr unterschiedlich sein. Das beste Beispiel sind meine Schwester und ich. Felicia hat ihren Doktor in Biologie in Heidelberg gemacht und hat jetzt eine Post-Doc-Stelle in Boston. Und ich beschäftige mich mit Kulturphänomenen und mit Keramik.

Wie wichtig ist es für dich, das Resultat deiner Arbeit in die Hand nehmen zu können?

Das ist total schön. Und am Schönsten ist, dass ich von Anfang bis Ende, also vom Ton bis zum Werkstück am Prozess beteiligt bin, den ich zwar steuere, aber dann, wenn ich den Ofen aufmache, lasse ich mich immer wieder von Neuem vom Ergebnis überraschen. Und wenn ich dann noch die Menschen erlebe, wenn sie eine Keramik in die Hand nehmen und erzählen, was sie sehen und welche Assoziationen ausgelöst werden, dann weiß ich, dass ich gerade genau am richtigen Ort bin.

Die sogenannten Scherben werden per Hand, sobald sie abgekühlt sind, bemalt oder glasiert.
Die sogenannten Scherben werden per Hand, sobald sie abgekühlt sind, bemalt oder glasiert. © Michael Butolo

Als wir dann nach dem Interview noch über die Insel gehen und uns Sophia ihre Lieblingsorte zeigt, ist zu spüren, wie tief sie hier verwurzelt ist. Sie balanciert auf dem Baum, der seit Jahrzehnten neben dem Südsteg liegt und ihr schon in Kindertagen als Kletterbaum diente, sie führt auf den hauseigenen Steg und erklärt das Panorama, das man im Nebel nur erahnen kann. Bevor sie dann das Boot anlässt und uns mit 70 PS zurück ans Festland nach Gstadt bringt, beantwortet sie noch meine letzte Frage und gibt damit einen Ausblick auf das, was sie sich für die Zukunft vorstellen kann.

Wo möchtest du künstlerisch hin?

Manchmal denke ich an meine Großtante Katharina Klampfleuthner-Kirchner und an ihr  Atelier, das sie mit ihrem Mann Heinrich Kirchner in Pavolding hatte. Das war für mich als Kind so ein lebendiger und faszinierender Ort, an dem sich Künstler unterschiedlichster Richtungen ausgetauscht und gemeinsam etwas geschaffen haben. So eine Begegnungsstätte für Kunst und Handwerk könnte ich mir auch hier auf der Fraueninsel vorstellen.

Vom Ton zur Keramik

Den Ton hatte der Großvater noch selbst in Breitbrunn gestochen. Heute wird er aus dem Westerwald geliefert: neun Tonnen pro Jahr, die im Keller gelagert und dann portionsweise in der Werkstatt weiterverarbeitet werden.

Jedes Objekt ist ein Unikat und zu 100 Prozent Handarbeit.
Jedes Objekt ist ein Unikat und zu 100 Prozent Handarbeit. © Michael Butolo

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