1. rosenheim24-de
  2. Bayern

Kindern nicht nur zu Weihnachten Glücksmomente schenken

Erstellt:

Von: Raphaela Kreitmeir

Kommentare

Skirennläuferin Michaela Gerg bringt mit ihrer „Stiftung Schneekristalle“ Kinderaugen zum Funkeln.
Die Kinder haben bei den Sporttagen viele kleine Erfolgserlebnisse, die sie im Alltag stärken. © Thomas Griesbeck

Warum eine Skirennfahrerin eine Stiftung gründet, was Sport mit Werten zu tun hat, und wie die „Stiftung Schneekristalle“ Kinderaugen zum Funkeln bringt. Ein Gespräch mit der Spitzensportlerin und Stiftungsgründerin Michaela Gerg.

von Raphaela Kreitmeir

Michaela Gerg, geboren 1965 in Bad Tölz, stand bereits mit zwei Jahren auf Skiern. Sie war ein Talent, trainierte hart und ging mehr als einmal über ihre körperlichen Grenzen hinaus. Das zahlte sich karrieretechnisch aus: Sie gewann vier Weltcuprennen, die Bronzemedaille im Super-G bei der Weltmeisterschaft 1989, war fünfmal Deutsche Meisterin, zweimal wurde ihr der Goldene Ski verliehen, die höchste Auszeichnung, die der Deutsche Skiverband jährlich vergibt. Aber diese ständige Hochleistung forderte der jungen Frau auch viel ab: Trümmerbrüche, Kreuzbandrisse, Gelenkschäden waren u.a. die sichtbaren Folgen der Maximalbeanspruchung, mit der ihr Körper fertig werden musste. 1996 zog sie sich aus dem Profisport zurück. Nach der aktiven Karriere war sie Ski-Co-Kommentatorin für Eurosport und das ZDF, eröffnete 2008 die „Skischule Michaela Gerg“ am Brauneck in Lenggries, die heute mit über 60 Skilehrern zu den größten in der Region zählt. Man kann sie auch zu Skievents, beispielsweise für Mitarbeiter, buchen.

Die ehemalige Skirennläuferin Michaela Gerg
Michaela Gerg © Privat

Aber nicht nur beruflich, auch privat ist ihr Leben von großen Herausforderungen geprägt. Als ihr größter Wunsch Wirklichkeit wurde und sie schwanger war, musste sie mit dem Verlust ihrer Mutter fertig werden, die an Schilddrüsenkrebs starb. Wenige Monate nach der Geburt ihres Sohnes wurde auch bei ihr Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. Ein Befund, der alles in Frage stellte. Glücklicherweise verliefen Operation und Therapie erfolgreich, sodass sie gesund wurde und ihren Sohn als Mama begleiten durfte und darf. Aber diese Erfahrung hat ihre Sicht aufs Leben geschärft und fokussiert. Seitdem hält sie Vorträge zum Thema „Aufstehen oder Liegenbleiben“ und darüber, wie man gestärkt aus Lebenskrisen hervorgeht. Und sie wollte etwas weitergeben: ihre Liebe zum Skifahren natürlich, aber auch ihre Erfahrung, dass Sport viel von dem vermittelt, was für ein selbstbestimmtes und selbstbewusstes Leben nötig ist. Daher gründete sie 2011 die „Stiftung Schneekristalle“, die finanziell benachteiligte oder körperlich beeinträchtigte Kinder fördert. 

Frau Gerg, was lernen Kinder durch Sport?

Sport ist für mich das ideale Medium, um allen Kindern wichtige Werte wie Fairness, Mut, Teamgeist, Toleranz, Ausdauer, Disziplin und Demut zu vermitteln. Denn genau diese Werte spielen im Sport eine wesentliche Rolle. Dazu kommt der Spaß an der Bewegung. Sport motiviert zudem zu Leistungsbereitschaft, weil Erfolgserlebnisse möglich sind, und erzeugt ganz allgemein eine positive Grundhaltung.

Eignet sich dafür Individual- oder Gruppensport besser?

Das kommt darauf an, was das Kind gerne mag und wofür es sich eignet. Grundsätzlich ist Sport in der Gruppe super, weil der faire und respektvolle Umgang miteinander gefördert wird. Der Gedanke, im Team sind wir stärker, wird nähergebracht. Dies tut den Kindern, aber auch unserer Gesellschaft gut.

Wie kamen Sie auf den Gedanken, eine Stiftung zu gründen?

Für mich persönlich war und ist der Sport die beste Schule des Lebens. Ich habe gelernt mit Niederlagen umzugehen und Erfolge zu genießen. Beides hat mich gestärkt, um die Höhen und Tiefen des Lebens zu meistern. Denn egal ob jemand auf höchster Ebene trainiert oder nur gelegentlich zum Spaß: Sport wirkt stark persönlichkeitsbildend. Dass ich diese Erfahrung in eine Stiftung eingebracht habe, hat mit dem zu tun, was ich im Skischulbetrieb beobachtet habe. Oftmals kamen Schulen oder Kindergärten zu uns, aber einige Kinder konnten am Skitag nicht teilnehmen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe einen Blick hinter die Fassade unserer Wohlstandsgesellschaft geworfen und da wurde mir klar, dass Handlungsbedarf besteht, dass auch viele Kinder in Bayern Unterstützung benötigen, um den Weg in ein eigenständiges Leben zu finden. So entstand die Idee, eine Stiftung zu gründen, um Spendengelder für unterschiedlichste Sporttage einsammeln zu können. Begonnen haben wir mit Angeboten rund um Winter- und Schneesport. Mittlerweile bieten wir das ganze Jahr über Sport für die Kinder an.

Michaela Gerg mit ihrem Lebenspartner Achim Winter
Michaela Gerg mit ihrem Lebenspartner Achim Winter, der als ehrenamtlicher Vorstand für die „Stiftung Schneekristalle“ tätig ist. © Privat

Woher nehmen Sie die Kraft für dieses Engagement?

Ich selbst habe viel Unterstützung als Kind bekommen und empfinde es als Aufgabe, etwas zurückzugeben. Die meiste Kraft schöpfe ich, wenn ich diese Kinder an einem Sporttag begleiten darf: diese unverstellte Freude, diese Glücksmomente sind unbeschreiblich. Mich motiviert es auch, wenn ich Freunde und Gleichgesinnte mit ins Boot holen und für unsere Idee begeistern kann.

Wofür steht der Name der Stiftung „Schneekristalle“?                                                                                   

Nach einem Sporttag funkeln die Augen der Kinder wie Schneekristalle. Daher kamen wir auf den Namen, der auch gleichzeitig zu meiner Person als Skirennläuferin passt.

An wen richtet sich die Stiftung?

An sozial benachteiligte und behinderte Kinder und Jugendliche, die vorwiegend aus Förderschulen und sozialen Einrichtungen kommen. Aber auch an einzelne Kinder, die Unterstützung brauchen.

Wie wählen Sie die Sportarten für Ihre Projekte aus?

Die Sportarten wählen wir entsprechend der Wertevermittlung aus. Beispielsweise wird beim Rafting der Teamgeist geschult, beim Klettern geht es um Mut und Vertrauen, beim Skifahren um Ausdauer und Geduld. Im Taekwondo lernen die Kinder, sich der eigenen Kraft bewusst zu werden und sie zu kontrollieren. 

In welcher Form können sich Kinder bzw. deren Eltern bei Ihnen bewerben?

Über unsere Homepage kann jeder zu uns Kontakt aufnehmen und einen Antrag stellen.

Wie können Spender Sie unterstützen?

Meist organisieren wir Golfturniere oder sind Charitypartner bei Golfveranstaltungen. Es eignen sich aber eigentlich Veranstaltungen aller Art, um Geld einzusammeln. Geburtstagsfeste mit Spenden statt Geschenken sind genauso möglich wie Spenden an Weihnachten. Einfach bei uns melden und ausprobieren.

Die Kinder, die dank Ihrer Stiftung unbeschwerte Stunden beim Sport genießen können, führen in der Regel ein Leben, das viel mit Kinderarmut, Ausgrenzung und fehlenden Chancen zu tun hat. Wie glauben Sie, dass Sie ihnen konkret helfen können?

Wenn die Kinder durch diese Sporttage erkennen, dass sie selbst ihr Leben ein Stück weit besser machen können, wenn sie sich anstrengen und die Möglichkeiten nutzen, haben sie langfristig eine Chance aus der Abwärtsspirale herauszukommen. Davon bin ich überzeugt. Denn Sport wirkt inklusiv und integrativ. Wenn Kinder durch Sport Selbstwert und Selbstvertrauen entwickeln können, hilft ihnen dies, in der Gesellschaft Fuß zu fassen.

Bekommen Sie auch Feedback von den Kids oder deren Betreuern?

Die Kinder schicken nach den Sporttagen viele Briefe und Zeichnungen, um ihre Dankbarkeit ausdrücken. Die Erzieher und Lehrkräfte sind oft sehr erstaunt, wie sich die Kinder während der Sporttage zeigen und wie sie versuchen, das Gelernte ins tägliche Leben zu übersetzen. Mein schönstes Erlebnis war ein Mädchen, das nach einem Skitag, an dem es Skifahren gelernt hatte, viel bessere Noten schrieb. Sie begründete dies folgendermaßen: „Wenn ich an einem Tag lernen kann, einen Hügel herunterzurutschen, kann ich es auch schaffen, gute Noten zu schreiben. Das ist nämlich viel leichter!“

Sie selbst haben als Spitzensportlerin und im Umgang mit persönlichen Krisen viel über die Sonnen- und Schattenseiten des Lebens gelernt. Was ist Ihr Rat, Ihr Lebensmotto?

Aufstehen oder Liegenbleiben – ich habe selbst die Entscheidung.

Wenn Sie auf dieses Jahr zurückblicken, gibt es etwas, was Ihnen Mut gemacht hat?

Das vergangene Jahr hat dazu geführt, dass sich viele Menschen in Richtung zu mehr Miteinander entwickelt haben, das finde ich sehr schön.

Mehr Informationen zur Stiftung, zu den Projekten und Spendenmöglichkeiten unter www.stiftung-schneekristalle.org.

Leselust geweckt?

Diesen Artikel findet Ihr in der neuen Ausgabe der ROSENHEIMERIN.

Außerdem bunte Geschichten aus dem Leben, tolle Stories über besondere Menschen und jede Menge Inspiration in Sachen Lifestyle, Fashion, Beauty und Genuss. 

Lest Euch mit uns einfach durch die schönsten Seiten der Region!

Die ROSENHEIMERIN

JETZT am Kiosk und online unter www.rosenheimer.in

Die neue Ausgabe der Rosenheimerin ist da! © Crisp Media

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion