Unternehmen zieht Kündigung wegen zwölf Toilettenbons zurück

Augsburg - Ein Unternehmen kündigte einer langjährigen Beschäftigten, weil sie angeblich Wertbons unterschlagen hatte. Die Sache sollte vor Gericht verhandelt werden. Jetzt sieht alles anders aus.
Kurz vor einem Prozess wegen der angeblichen Entwendung von Toilettenbons im Wert von sechs Euro hat das Unternehmen die Kündigung zurückgezogen. Am Dienstag sollte der Fall einer Mitarbeiterin vor dem Augsburger Arbeitsgericht verhandelt werden, nachdem dort zunächst der Gütetermin gescheitert war. Die Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) und der Raststättenbetreiber Tank & Rast berichteten am Freitag übereinstimmend, dass eine Einigung zwischen den Parteien erreicht worden sei.
Angeblich zwölf Wertmarken von je 50 Cent eingesteckt
Nach Angaben der Gewerkschaft hatte der Arbeitgeber der Angestellten gekündigt, weil sie angeblich zwölf Wertmarken von je 50 Cent, die Kunden für die kostenpflichtige Nutzung der Toiletten erhalten, eingesteckt habe. „Dafür gibt es aber keine Beweise“, betonte der schwäbische NGG-Geschäftsführer Tim Lubecki. Mit den Bons kann in den Raststätten eingekauft werden.
Mitarbeiterin lehnte hohe Abfindung ab
Bei dem gerichtlichen Schlichtungstermin habe der Arbeitgeber „tief in die Schatulle gegriffen“, sagte Lubecki. Es sei eine Abfindung fast in Höhe eines Jahresgehalts angeboten worden. Dies habe die Mitarbeiterin, die seit dem Jahr 2000 bei Tank & Rast beschäftigt war, jedoch abgelehnt. Sie habe immer ihren Job zurückhaben wollen.
Tank & Rast hatte sich zu Details der Kündigung nicht geäußert. Unternehmenssprecher Andreas Rehm berichtete aber ebenfalls, dass sich am Freitag beide Seiten auf einen Vergleich geeinigt hätten. Tank & Rast halte an der im Mai 2016 ausgesprochenen Kündigung nicht mehr fest. „Das Arbeitsverhältnis mit der Mitarbeiterin wird zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt“, meinte Rehm.
Nach mehr als einem halben Jahr zurück an den Arbeitsplatz
Der Verhandlungstermin in der kommenden Woche ist nun hinfällig. Die Frau darf nach mehr als einem halben Jahr an ihren Arbeitsplatz an der Autobahnraststätte Augsburg Ost zurückkehren. Die NGG hatte vermutet, dass Tank & Rast die langjährige Mitarbeiterin habe loswerden wollen, weil die Frau fast vier Euro pro Stunde mehr als neue Mitarbeiter verdiene. Das Unternehmen hat dies als „Unterstellung“ zurückgewiesen.
In der Vergangenheit hatten immer wieder Arbeitsgerichtsprozesse, bei denen es um angebliche Diebstähle mit geringem Wert ging, für Schlagzeilen gesorgt. Besonders bekannt wurde die Berliner Kassiererin „Emmely“, die im Jahr 2008 wegen der Einlösung zweier liegengebliebener Pfandmarken im Wert von 1,30 Euro fristlos gefeuert wurde. Das Bundesarbeitsgericht erklärte die Kündigung später als unrechtmäßig.
dpa