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Flutopfer: „Wollten nicht wahrhaben, dass uns eine fünf Meter hohe Welle trifft“

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Von: Simon Schmalzgruber

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Karl-Heinz und Irma vor ihrer aktuellen Bleibe in Sinzig.
Karl-Heinz und Irma vor ihrer aktuellen Bleibe in Sinzig. © Simon Schmalzgruber

Nach einem eindrucksvollen Aufenthalt im Sommer 2021 im Ahrtal machte sich unser Mitarbeiter Simon Schmalzgruber Anfang des neuen Jahres erneut ins Flutgebiet auf, um zu sehen, wie sich die Situation vor Ort verändert hat. Tag vier der bewegenden Reise...

Ahrtal - Ein neuer Tag bricht an. Ich bedanke mich bei Corinna für die Gastfreundschaft und verabschiede mich. Next Stop: Ahrweiler. Es dauert nicht lange, bis ich an meiner zweiten ehemaligen Einsatzstelle angekommen bin. Bis auf die Tatsache, dass die Fassade von Karl-Heinz‘ Haus komplett abgestemmt wurde, hat sich nicht viel getan. Zumindest, wenn man die Häuser von außen anschaut. Das geschäftige Drillen der Bohrhämmer ist nah und fern zu hören. Nur in Karl-Heinz‘ Haus ist es still. Ein Zettel hängt an der Tür. Ich rufe an und kurz darauf finde ich mich bei seinem Schwager, der an diesem Tag zufällig Geburtstag hat, wieder.

Auch er ist übergangsweise in einer Ferienwohnung untergekommen. Ein gutes Dutzend Leute sind zu seinem Ehrentag zusammengekommen. Und wieder dauert es nicht lange, bis man auf die Flut und seine Folgen zurückkommt.

Karl-Heinz‘ Haus in Ahrweiler.
Karl-Heinz‘ Haus in Ahrweiler. © Simon Schmalzgruber

„Jetzt haben wir nur noch die scheiß Ahr!“

„Wir wussten bereits um halb fünf, dass Schuld unter Wasser steht. Aber wir wollten einfach nicht wahrhaben, dass uns eine fünf Meter hohe Welle trifft! Hätte es eine offizielle Warnung gegeben, hätten wir vielleicht noch dies einer oder andere retten können.”, erzählt ein Mann. „Früher, da konnten wir von der Quelle bis zur Mündung radeln. Wunderschön war das. Doch jetzt... jetzt haben wir nur noch die scheiß Ahr!”, erinnert sich eine Frau. Ihre Tränen kann sie nicht mehr zurückhalten. Karl-Heinz hingegen ist froh, dass er wenigstens sein Auto und ein paar andere Dinge retten konnte.

“Zum Glück habe ich noch rechtzeitig reagieren können und das Auto am Berg geparkt. So kann es mir bis heute treue Dienste leisten.” Erleichterung und Frohmut sind in seinem Gesicht zu erkennen.  

Die Ahrmündung zwischen Sinzig und Remagen-Kripp.
Die Ahrmündung zwischen Sinzig und Remagen-Kripp. © Simon Schmalzgruber

Die reiselustigen Zwei

Ehe man sich versieht, wird es schon wieder dunkel. Ich wollte schon wieder nach einer Unterkunft suchen, doch Karl-Heinz und seine Frau Irma bieten mir an, eine Nacht bei ihnen in Sinzig zu verbringen - am Ende sind es sogar zwei Nächte. Zu lange sind die Gespräche über das Erlebte und das, was kommen wird. Und zu gut schmeckt der Wein, der aus den Trauben des nördlichsten zusammenhängenden Weinanbaugebiet Deutschlands, dem Ahrtal, gewonnen wird.

Karl-Heinz weiß über alles und jedes eine Geschichte zu erzählen, doch langweilig wird es nie. So sind die beiden gefühlt jedes Gewässer im deutschsprachigen Raum entlang geradelt. Auch in unserer Region sind sie schon öfter unterwegs gewesen: Einmal wie zum Beispiel auch den Inn von Innsbruck bis Passau. Ein andermal um den Chiemsee. „Nur mit Karte und dem Nötigsten bewaffnet und ohne zu wissen, wie das Wetter wird oder wo man die nächste Nacht schlafen wird, das ist schon immer wieder und wieder ein Abenteuer!”, resümiert Karl-Heinz.

„Beinahe hätte uns sogar selbst mal ein Hochwasser weggeschwemmt, aber zum Glück haben wir noch rechtzeitig die andere Seite des Radweges erreicht. Knietief mussten wir durchs Wasser waten.” Seine Frau Irma, gebürtig aus dem „Pott”, ist eine stille Zuhörerin. Und dennoch hat sie immer einen kessen Spruch auf den Lippen, wenn es darauf ankommt. Ich muss mein Lachen zurückhalten, wenn sie ihn immer wieder völlig aus dem Nichts mit einem dieser Sprüche neckt. Während dieser zwei Tage gewinne ich die beiden richtig lieb. Karl-Heinz und Irma, so denke ich mir bei meinem Abschied, hätte jeder gerne als Großeltern.  

Simon Schmalzgruber

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