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Chiemgauer als Fluthelfer im Kreis Ahrweiler: Der weite Weg zum Basislager

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Von: Simon Schmalzgruber

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Totale Zerstörung wie hier in Ahrbrück findet sich in fast jedem Ort an der rund 80 Kilometer langen Ahr.
Totale Zerstörung wie hier in Ahrbrück findet sich in fast jedem Ort an der rund 80 Kilometer langen Ahr. © Simon Schmalzgruber

Landkreis Ahrweiler – Seit zwei Monaten laufen im Ahrtal die Aufräumarbeiten nach der verheerenden Flutkatastrophe. Feuerwehr, Rotes Kreuz oder Bundeswehr, private Lohnunternehmer und Tausende freiwillige Helferinnen und Helfer arbeiten unermüdlich daran, dass wieder Normalität einkehrt. Für drei Tage war ich einer davon. Ich nehme euch mit in eine Welt, in der nichts mehr ist, wie es einmal war. 

Rund 200 Hektar überflutete Flächen, 60.000 zerstörte Fahrzeuge, 3.000 beschädigte und 467 zerstörte Gebäude, ein geschätzter Schaden von 40 Milliarden Euro, 766 Verletzte und 133 Tote allein an der Ahr und immer noch drei Vermisste - das ist die verheerende Bilanz der verhängnisvollen Nacht vom 14. Auf den 15. Juli. So eine Katastrophe gab es seit der Sturmflut 1962 nicht mehr. Und dennoch werden diese Zahlen erst so richtig greifbar, wenn man sich direkt im Geschehen wiederfindet. 

Zerstörte Häuser und Straßen in der ganzen Region

Der “Aha-Moment” kam am Rande der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler: Zerstörte Häuser, zerstörte Straßen, Leid und Elend überall. Meterhoch waren die Müllberge, die sich an den Rändern der buckligen Piste (Straße konnte man das nicht mehr nennen) türmten. Ich fuhr durch den Ort, um irgendeine Registrierungsstelle für Helfer ausfindig zu machen. Ohne Glück. Erst als ich zurück in Richtung Sinzig fuhr, konnte ich bei einer netten Polizistin einige Daten erfragen. “Haribo Grafschaft Adenau” wurde auf einen kleinen Zettel geschrieben, dazu die E-Mail-Adresse einer Fluthilfe. Da ich mir allerdings erst einmal einen Überblick über die gesamte Region verschaffen wollte, sollten noch ein paar Tage vergehen, bis ich wirklich tätig wurde. 

Mein weiterer Weg führte mich in den Norden, in die Städteregion Aachen, wo ich die ersten Geschichten von direkt und indirekt von der Katastrophe Betroffenen hörte. So seien hier und da Keller unter Wasser gestanden und es gäbe Zoff mit der Versicherung. „Ganz normales Prozedere, wie bei jedem Unwetter“, dachte ich mir.

Ich fuhr durch Vicht, einen von der Katastrophe betroffenen Ortsteil von Stolberg. Doch im Vergleich zu Bad Neuenahr sah es hier wieder zivilisiert aus und nur hier und da war ein Haus vom Wasser angenagt. Weiter ging es durch die Eifel. In Schleiden, wo die Olef und die Urft zusammenfließen, ergab sich schon ein anderes Bild: Ähnlich wie in Bad Neuenahr türmten sich die Müllberge und Autowracks am Straßenrand, zerstörte Häuser und planierte Flächen offenbarten ein erstes Mal so richtig die Zerstörungskraft des Wassers. Doch im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, sah es auch in Schleiden noch harmlos aus… 

Eine der verbliebenen sechs Brücken von einst mehr als 70, die die Ahr nicht zerstört hat, steht in Ahrbrück.
Eine der verbliebenen sechs Brücken von einst mehr als 70, die die Ahr nicht zerstört hat, steht in Ahrbrück. © Simon Schmalzgruber

Totale Verwüstung in Ahrbrück

Später des Tages gelangte ich nach Ahrbrück: Hier steht so gut wie nichts mehr. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, tätig zu werden. Ich begann, mich durchzufragen: Zuerst bei einer Frau vom THW. Die verwies mich in den Nachbarort Altenburg. Dort angekommen traf ich auf den stellvertretenden Kreisbrandrat des Landkreises Ahrweiler, der zufällig einen Rundgang mit der Presse machte. „Einfach mal die Leute fragen, wo noch Hilfe gebraucht wird, wenn Sie welche sehen“, war seine knappe Antwort.

So versuchte ich es weiter bei einem nahen Supermarkt und fragte, ob sie denn noch Hilfe bräuchten. „Bei uns ist alles clear, aber danke fürs Fragen!“ Es war schon am frühen Abend und ich sah kaum noch Leute arbeiten. Da fiel mir wieder ein, dass auf dem Zettel ja „Haribo Grafschaft Adenau“ stand. Also entschied ich mich dazu, ins 20 Kilometer entfernte Adenau am Nürburgring zu fahren, in der Hoffnung, hier besagten Haribo zu finden. Ich fand ich nicht. Dafür aber zwei Supermärkte, in denen ich die Restbestände an Brot sowie Schinken, Salami und zwei Kisten Bier für die Helfer kaufte.

Im mittleren Ahrtal, wie hier im Ahrbrücker Ortsteil Altenburg, hat das Hochwasser die größten Zerstörungen angerichtet.
Im mittleren Ahrtal, wie hier im Nachbarort von Ahrbrück, Altenburg, hat das Hochwasser die größten Zerstörungen angerichtet. © Simon Schmalzgruber

Auf dem Parkplatz des zweiten Supermarkts sprach mich ein älterer Herr an: „Landkreis Traunstein, da biste ja weit mit dem Ding hergekommen.“ Nach einem kleinen Ratsch über meinen Trabi gab mir der Herr endlich die Erleuchtung, als er sagte: “Um zu helfen, musst du in die andere Richtung fahren, nach Grafschaft! Die haben da ein Mordszentrum, von wo aus sie Leute, die helfen wollen, runterbringen.”

Erst jetzt wurde mir klar, dass Grafschaft eine eigene Gemeinde ist und mit Adenau recht herzlich wenig am Hut hat. Ich bedankte mich und fuhr nun wieder 20 Kilometer nach Ahrbrück runter, um das Bier und die Brotzeit abzuliefern. Hier kam ich mit Stefan in Kontakt. „Kannst du einen Stemmhammer bedienen?”, fragte er mich. „Wie, Stemmhammer?” Ich behaupte von mir, einen recht ausgeprägten Wortschatz zu haben, aber „Stemmhammer” hörte ich tatsächlich zum ersten Mal. 

Doch wie sich in den nächsten Tagen herausstellen sollte, auch nicht zum letzten Mal…

Chiemgauer als Fluthelfer im Kreis Ahrweiler

Teil 1 - Der weite Weg zum Basislager

Teil 2 -Vom Basislager an die Front

Teil 3 - Ein besonderer Ort 

Teil 4 - Mein Freund, der Stemmhammer 

Teil 5 - Ein ganz besonderer Schlag Menschen

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