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Krankenkasse warnt vor deutlich höherer Zahl an Impfnebenwirkungen - Kritik an Analyse folgt

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Von: Max Partelly

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Coronavirus - Impfung
Symbolbild: Die Impfung geht laut der Analyse einer Krankenkasse weitaus öfter mit Nebenwirkungen einher, wie bisher angenommen. An der Analyse wird jedoch gibt es jedoch einige Punkte, die scharf kritisiert werden. © picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod

Besonders Kritiker der Corona-Impfungen gehen oft davon aus, dass die Immunisierung gegen das SARS-Cov2-Virus gefährlicher ist, als von Ärzten, Wissenschaftlern und der Bundesregierung kommuniziert wird. Die Analyse einer Krankenkasse schien nun zu genau dieser Annahme Belege zu liefern. Die Kritik an den Erkenntnissen ließ jedoch nicht lange auf sich warten - und kam auch aus dem eigenen Haus.

Berlin/Langen - Es geht um die Frage, ob Nebenwirkungen nach einer Impfung gegen das Corona-Virus öfter auftreten, als bisher erfasst. Einer Analyse einer Krankenkasse zufolge kann diese Frage mit einem „Ja“ beantwortet werden. Die Krankenkasse BKK Provita will nach einer Analyse von Versichertendaten deutlich höhere Zahlen an Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe festgestellt haben als offiziell gelistet werden.

BKK Provita: „Deutliche Untererfassung“ - PEI: Angaben „allgemein und unspezifisch“

„Unsere Analyse zeigt, dass wir es hier mit einer deutlichen Untererfassung zu tun haben“, sagte BKK-Provita-Vorstand Andreas Schöfbeck der „Welt“ am Donnerstag (24. Februar), und dass die offiziellen Zahlen zu den unerwünschten Impfnebenwirkungen „dringend plausibilisiert werden“ müssten (Anm. d. Red.: Plausibilisierung = Überprüfung, ob ein Ergebnis realistisch ist). Schöfbeck nennt die Auswertung in einem Brief an den Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Paul Cichutek, laut „Welt“ ein „erhebliches Warnsignal, das unbedingt beim weiteren Einsatz der Impfstoffe berücksichtigt werden muss“.

Dem PEI liegt der Brief nach eigenen Angaben seit Dienstag (22. Februar) vor. Von dessen Seite teilt man mit, man könne die Daten nicht beurteilen, „da das Institut bislang keinen Zugang zu den Originaldaten hat und ihm außerdem keine Informationen zur Auswertungsmethode vorliegen“. Die Angaben im Schreiben seien „allgemein und unspezifisch“. Wie viele Fälle sich auf leichte und wie viele sich auf - meldepflichtige - schwerwiegende Reaktionen beziehen, werde demnach nicht angegeben. Zudem seien Abrechnungsdaten nicht generell mit Nebenwirkungen gleichzusetzen. „Darüber hinaus ist aus dem Schreiben nicht zu entnehmen, ob tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung festgestellt worden ist.“

Um mögliche Nebenwirkungen von Impfstoffen noch besser zu analysieren, sollen die offiziellen Impfquoten in einer Studie mit Daten der Krankenkassen verknüpft werden. Sie solle zeitnah starten, teilte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am Donnerstag in Langen mit.

BKK Dachverband distanziert sich von Ergebnissen der Impfnebenwirkung-Analyse

Seitens der Kasse heißt es, man sei hellhörig geworden, als im Fallmanagement der BKK Provita immer öfter Diagnosen aufgetreten seien, die auf Impfnebenwirkungen schließen ließen. In der Folge seien die Datenpools aller BKK-Kassen ausgewertet und alle für Impfnebenwirkungen vorgesehenen Diagnose-Codierungen herausgefiltert worden. Der BKK Dachverband teilte allerdings per Twitter mit, „dass die Daten nicht wie gemeldet vom BKK Dachverband stammen“. Inhaltlich wollte der Dachverband keine Stellung nehmen.

Die BKK Provita behauptet in der Analyse, die der „Welt“ vorlag, dass alleine in den ersten sieben Monaten des Jahres 2021 seien 216.695 BKK-Versicherte wegen Nebenwirkungen durch Impfstoffe behandelt wurden. Die Daten bezögen sich auf 10,9 Millionen Versicherte. Zum Vergleich: Bis Ende 2021 verzeichnete das PEI auf Basis von 61,4 Millionen Geimpften lediglich 244.576 Nebenwirkungsmeldungen. Zur Art und Schwere der Beschwerden könne man nichts sagen: „Klar ist nur: Es ist den Leuten so schlecht gegangen, dass sie zum Arzt gegangen sind.“

Bundesvorsitzender von deutschem Ärzteverband über Analyse: „Undifferenzierte Schwurbelei“

Der Virchowbund, der niedergelassene Ärztinnen und Ärzte vertritt, kritisierte die „Schwurbel-BKK“: Es handle sich entweder um „peinliches Unwissen oder hinterlistige Täuschungsabsicht“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands. Die Schlussfolgerungen aus der Datenlage seien „kompletter Unfug“, sagte Bundesvorsitzender Dirk Heinrich.

Die BKK Provita vermische zwei völlig unterschiedliche Bereiche: die ärztliche Diagnose-Codierung und die Meldung an das PEI. Es wird angeführt, dass der ICD-Code U12.9, der zur Dokumentation empfohlen sei, etwa bei „unerwünschten Nebenwirkungen bei der Anwendung von COVID-19-Impfstoffen, nicht näher bezeichnet“ angegeben werden solle. Die Einordnungen „unerwünscht“ und „nicht näher bezeichnet“ umfassen jedoch die gesamte Bandbreite der erwartbaren, milden und vorübergehenden Folgen einer Impfung, wie eine leichte Schwellung an der Einstichstelle oder erhöhte Temperatur durch die Immunantwort, heißt es weiter. Von einer „Gefahr für das Leben von Menschen“, wie die Kasse sich ausdrücke, könne dabei keine Rede sein. „Die ICD-Codes dienen auch vor allem dem Zweck der Abrechnung ärztlicher Leistungen“, führt der Virchowbund in seiner Argumentation an.

„Diese undifferenzierte Schwurbelei passt aber ganz offensichtlich in das Markenimage der Kasse, die mit Homöopathie und Osteopathie als Satzungsleistungen wirbt und sich selbst als ,veggiefreundlichste Krankenkasse‘ tituliert. Offenbar will man vor allem Werbung in der impfkritischen Klientel machen“, so Heinrich in der Stellungnahme.

mda mit Material der dpa

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