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Kopftuchverbot: Neues Gesetz vergleicht Religion mit Rechtsextremismus

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Von: Christian Einfeldt

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Der Bundestag beschloss am 22. April 2021 ein neues Gesetz. Es ermöglicht ein Kopftuchverbot für Beamte – unter Bezugnahme auf „weltanschauliche Merkmale“.

Berlin – In vielen Ländern ist das Kopftuchverbot seit mehren Jahren schon im Gesetzbuch verankert. Immer wieder steht das Thema auch in Deutschland zur Debatte – vor allem im Zusammenhang mit dem Beamtendienst. Ein explizites Gesetz, welches das Tragen eines Kopftuches für Beamtinnen verbietet, gab es hierzulande aber bisher nicht.

Nun wurde in der vergangenen Woche ein Gesetz erlassen, welches genau das tun kann. „Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds“ können jetzt im Beamtendienst verboten werden.

Parlament:Deutscher Bundestag
Gründung:7. September 1949, Bundeshaus, Bonn
Sitz:Reichtagsgebäude, Berlin
Abgeordnete:709

Nazi-Tattoos leiteten das neue Gesetz des Bundestages ein

Ausgerechnet ein Polizist mit Nazi-Tattoos kann sich auf die Fahne schreiben, den entscheidenden Anstoß für das neue Gesetz gegeben zu haben. Der Körper des Berliner Beamten zierte Nazisymbole, die bis zu seinem Hals zu sehen waren. Dazu kommen noch entsprechende Texte, die er sich auf seine Haut verewigen ließ. Dass ein Mensch mit solchen Werten nicht als Polizist dienlich sein darf, steht außer Frage.

Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich im November 2017 der Meinung an und entfernte ihn aus seinem Dienst. Schließlich sei „ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, derart identifiziert, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lässt, nicht tragbar“, entschied das Leipziger Gericht.

Eine Frau mit Kopftuch sitz im Gerichtsaal.
Ein neues Gesetz ermöglicht ein bundesweites Kopftuchverbot. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Ein neues Gesetz ermöglicht das Verbot von religiösen Merkmalen

Mehr als drei Jahre zogen in das Land, bis sich der Bundestag dieses Themas annahm. Ausgelöst durch Fälle wie des Berliner Polizisten, stand eines neues Gesetz im Raum. Dadurch können nicht nur Hamburger Muslime, die während des Corona-Lockdowns im Ramadan auf Vieles verzichten müssen, bestimmte optische Merkmale verboten werden. Die Voraussetzung ist, dass sie dadurch das „Vertrauen in die neutrale Amtseinführung der Beamtin oder des Beamten beeinträchtigen“.

Auch wenn der Bundestag ursprünglich vorhatte, mit einem neuen Gesetzesentwurf verfassungsfeindliche Inhalte im Keim zu ersticken, machten die Politiker kurzen Prozess. Während in der Türkei das Kopftuch im Staatsdienst erlaubt ist*, dürfen religiöse Symbole in Deutschland nun nicht mehr von Beamten und Beamtinnen getragen werden – sofern Neutralität nicht mehr aufrecht gehalten werden kann.

Neues Gesetz: Beamte sollte Neutralität repräsentierten

Nachdem das neue Gesetz bekannt gegeben wurde, stellt sich vor allem eine Frage: Sollte man religiöse Symbole wirklich untersagen dürfen – nur, weil sie aus einem subjektiven Empfinden heraus als störend bewertet werden?

In der Vergangenheit machten bereits mehrere Schlagzeilen die Runde, die offenbarten was für Auswirkungen Beamtinnen aufgrund religiöser Symbole befürchten können. So wurde in Osnabrück etwa eine Lehrerin wegen ihres Kopftuches nicht eingestellt*. Mit heftiger Kritik sah sich auch eine französische Sportartikel-Kette konfrontiert, die ein Kopftuch für Joggerinnen verkaufte*.

Die Meinungen sind gespalten. Im vergangenen Jahr sorgten Kopftuch-Diskussionen an der Frankfurter Goethe-Universität für einen Polizeieinsatz*. Nun steht das Thema also erneut zur Debatte.

Für Befürworter des neuen Gesetzes gilt, dass nur durch Neutralität der Staat glaubwürdig repräsentiert werden würde. Gerade das Erscheinungsbild von Beamten müsste während ihrer Arbeitszeit daher frei von religiös-aufgeladenen Symbolen sein. Schließlich sei Religion und Staat voneinander getrennt und genauso müsse man es als Beamter des Staates auch handhaben.

Neues Gesetz würde die Identität des Menschen unterdrücken

Andererseits entgegnen Kritiker des neuen Gesetzes, dass eine solche Bestimmung den freien Zugang zum öffentlichen Dienst gefährde. Denn es handelt sich bei Kreuz und Kopftuch um Symbole von Religionen, denen viele Menschen angehören. Eine bamf-Studie zeigte erst kürzlich, dass gerade die Zahl der Muslime in Deutschland deutlich angestiegen ist*. Anders als ein Tattoo zieren sie nicht nur das Erscheinungsbild – vielmehr sind sie Symbole, die Werte und Identität des Menschen darstellen.

Die neue Gesetzgebung unterdrücke demnach das Gedankengut des jeweiligen Menschen. Da der Mensch und das Erscheinungsbild – zu dem eben auch die religiösen Symbole gehören – nicht voneinander zu trennen sind, könne es Kritikern zufolge bereits im Vorfeld Vorurteile zum Vorschein bringen.

Und zu guter Letzt hinterlässt das Gesetz noch einen faden Nachgeschmack, indem es – zumindest indirekt – Nazi-Tattoos mit Religion gleichsetzt. Das Gesetz zeigt nun einmal mehr, wie brisant das Thema eigentlich ist. *nordbuzz.de, 24hamburg.de, kreiszeitung.de, fr.de und merkur.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.

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