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Impfung ohne Einfluss auf Mortalität: Das steckt hinter der irreführenden Aussage von Biologe Bhakdi

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Von: Markus Zwigl

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Der Nutzen der Corona-Impfung wird nach wie vor angezweifelt - zum Teil heftig. Aktuell sorgt eine Aussage von Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi, der schon öfter hart mit den Impfstoffen ins Gericht ging, im Netz für Wirbel. Dort heißt es: „Bei einer Sterbewahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent ist es für einen Impfstoff nicht möglich, diese noch weiter zu verringern“. Doch ist der Impfstoff wirklich unnütz bzw. sogar schädlich?

In Deutschland sind laut Bundesministerium für Gesundheit 53.449.211 Personen, gut 64 Prozent der Bevölkerung, vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Weltweit sind es wohl mehr als zweieinhalb Milliarden Menschen. Zahlreiche Studien und entsprechende Zahlen des RKI und des Bundesamtes für Statistik belegen, dass diese Menschen einen guten Schutz vor einem schweren bzw. tödlichen Krankheitsverlauf haben. Die geschätzte Impfeffektivität des RKI gegen weitere Covid-19-assoziierte Endpunkte für den Zeitraum der letzten vier Wochen (32. bis 35. KW) zeigen zum Beispiel:

Lesen Sie dazu: Impfdurchbrüche: So gut schützt die Impfung wirklich - das sind die Fakten

Dennoch sorgen Aussagen von selbsternannten Experten und Verschwörungstheoretikern weiter für Verunsicherung. Derzeit wird zum Beispiel folgendes Zitat von „Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi“, einem Arzt für Mikrobiologie im Ruhestand, in den sozialen Medien stark verbreitet: „Bei einer Sterbewahrscheinlichkeit von 0,1 % ist es für einen Impfstoff nicht möglich, diese noch weiter zu verringern“. Doch was steckt hinter dieser Aussage?

Fakt ist, dass dieses Zitat deutlich verkürzt dargestellt wird und sich Bhakdi im Original zudem nur auf die Altersgruppe unter 70 Jahren bezieht.

Bhakdi nennt vermeintliche Nebenwirkungen bei Corona-Impfung

Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi sorgte in der Vergangenheit bereits öfter mit der Verbreitung von Corona-Falschinformationen für Diskussionsstoff. Anfang Februar 2021 behauptete Bhakdi unter anderem, es sei unwahr, „dass die Pandemie noch da ist.“ Die Definition von Covid-19-Fällen sei „nicht offiziell, aber inoffiziell geändert“ worden. Als Beleg nannte er Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO vom 20. Januar 2021. An diesem Tag hatte die WHO eine Informationsnotiz veröffentlicht, die sich an Laborpersonal richtet und anmahnt, bei den in der Corona-Pandemie zur Diagnostik eingesetzten PCR-Tests genau die Gebrauchsanweisungen zu beachten.

Bhakdi unterstellte fälschlicherweise, dass der Test fehlerhaft sei und Menschen ohne Symptome nicht infiziert sein könnten. Bhakdi kam zu dem Schluss: „Es gibt keine asymptomatische Übertragung der Erkrankung Covid-19“.

Ende 2020 behauptet Bhakdi über den Impfstoff von Biontech und Pfizer: „Alleine die Impfung hat Nebenwirkungen, die recht schwer sind. Das sind junge, gesunde Menschen gewesen, und die Hälfte hat Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und sind krank gewesen. Wenn man hingeht und älteren Menschen, die vorerkrankt sind, mit solchem Impfstoff impft, dann möchte ich nicht wissen, was passiert.

Belege für einen derart hohen Anteil von Geimpften mit schweren Nebenwirkungen gab es nicht. Unklar war zudem, worauf Bhakdi seine Behauptungen stützte. Die Impfungen in Großbritannien auf die sich der Mikrobiologe bezog, begannen erst zwei Tage nach der Aussage.

Entsprechendes YouTube-Video wurde gelöscht

Zur oben erwähnten angeblichen Sterbewahrscheinlichkeit äußerte sich Bakdhi im Gespräch mit einem Youtuber bereits im November 2020. Das entsprechende Video wurde später von YouTube entfernt, weil es laut der Plattform gegen deren Community-Richtlinien verstoßen habe.

Damals behauptete Bhakdi ab Minute 10.: „Wenn Sie unter 70 sind und Sie bekommen dieses Coronavirus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an oder mit diesem Virus sterben, weniger als 0,1 Prozent. Es liegt sogar etwa bei 0,05 Prozent, das heißt fünf von 10.000 werden sterben. In dem Fall ist es nicht möglich für einen Impfstoff, die Sterbewahrscheinlichkeit noch zu verringern, weil sie schon so klein ist.“ Im Zitat, das sich auf Facebook verbreitet, fehlt also die Einschränkung, dass sich Bhakdi auf Menschen bezieht, die jünger als 70 Jahre sind.

Die Angabe zur Sterberate ist jedoch ebenfalls nicht so allumfassend gültig, wie es Bhakdi nahelegt. Bei Infektionskrankheiten beschreibt die Infektionssterblichkeit (Infection Fatality Rate, IFR) den Anteil der Todesfälle an der Zahl der tatsächlich Infizierten - also nicht nur der gemeldeten Infektionsfälle. Sie muss aufwendig gemessen oder berechnet werden. Zudem beeinflussen viele Faktoren, ob jemand in einem bestimmten Land an Covid-19 stirbt - etwa wie gut das Gesundheitssystem und wie krank oder alt die Bevölkerung ist.

Vermeintliche Sterberate deutlich höher als 0,1 Prozent

Bekannte Schätzungen bzw. Berechnungen liegen deutlich höher als die vermeintliche Sterberate von 0,1 Prozent. Für Deutschland schätzt eine im Oktober 2020 erstmals online erschienene wissenschaftliche Arbeit die Infektionssterblichkeit zwischen 0,5 und 1 Prozent. Weltweit, aber aufgeschlüsselt nach Altersgruppen schätzt eine im Dezember 2020 veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit die Infektionssterblichkeit für 55-Jährige auf 0,4 Prozent, für 65-Jährige auf 1,4 Prozent, für 75-Jährige auf 4,6 Prozent und für 85-Jährige auf 15 Prozent.

Im Video-Interview erwähnt Bhakdi als Quelle für die Angabe, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent liegen soll, eine bekannte Meta-Studie des Epidemiologen Giannis Ioannidis. Darin wurden mehrere nationale oder regionale Berechnungen zusammengeführt und so ein globaler Durchschnitt der Infektionssterblichkeit gebildet. An dieser Studie und ihrer Methode gab es viel Kritik.

Bhakdi verwendet fehlerbehaftete Quelle

Auch der Autor selbst weist darauf hin, dass ein durchschnittlicher weltweiter Wert Schwächen bei der Aussagekraft hat. „Die IFR hängt von der betroffenen Umgebung und der betroffenen Bevölkerung ab.“ Ein methodisches Problem seien zudem die offiziellen Sterbedaten: Die Zahlen zur Übersterblichkeit weisen für etliche Länder eine höhere Zahl an Toten aus, die vermutlich an den Folgen von Covid-19 starben. Der Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz, der an der Metastudie beteiligt war, fand an der publizierten Version der Ioannidis-Studie rund drei Dutzend Ungereimtheiten und Fehler verschiedenster Art. Diese Informationen lässt Bhakdi weg.

Und selbst wenn man fälschlicherweise davon ausgehen würde, dass die Sterbewahrscheinlichkeit für unter 70-Jährige bei 0,1 Prozent läge, widerlegte das nicht die Sinnhaftigkeit der Impfung. Denn die Impfung schützt nicht nur davor, an Covid-19 zu sterben, sondern auch vor schweren Verläufen der Erkrankung, die selbst Genesene noch lange beeinträchtigen kann. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, bei Menschen, die vollständig mit einem der beiden mRNA-Mittel (Biontech/Pfizer oder Moderna) geimpft sind, um etwa 95 Prozent geringer als bei Ungeimpften.

RKI und andere Experten von Wirksamkeit der Impfung überzeugt

„Außerdem wird die Weitergabe des Virus in der Bevölkerung reduziert. Je weniger Virus in Deutschland zirkuliert, desto weniger Infektionen und Erkrankungen“, erklärte hierzu Christine Falk, Biologin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie der Deutschen Presse-Agentur per Mail.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, ist signifikant vermindert. In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden“, so die Meinung des RKI.

mz

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