Raser geblitzt: Bald soll auch Fahrzeughalter büßen

Goslar - Angesichts der vielen ungeklärten Verkehrsdelikte sollten Fahrzeughalter nach Auffassung des Verkehrsgerichtstages zahlen, wenn sie nach Verkehrsverstößen den Fahrer nicht nennen wollen.
Ein Fall wie Tausende jedes Jahr in Deutschland: Die Ampel springt um von Gelb auf Rot. Der Fahrer hat es eilig und tritt aufs Gas, statt auf die Bremse. Ein Blitz von hinten, ein Blitz von vorn. Vier Wochen später kommt Post von der Ordnungsbehörde. Aber nicht zum Fahrer, sondern zu einem Verwandten, der ihm den Wagen geliehen hat. Da der Fahrer auf dem Bild nicht zu erkennen ist und der Halter schweigt, laufen die Bemühungen der Polizei ins Leere.
Der Rotlichtsünder, dem ein Fahrverbot und ein saftiges Bußgeld gewinkt hätten, ist nicht zu ermitteln. Irgendwann wird die Sache auf Kosten des Steuerzahlers eingestellt. Für den Fahrzeughalter hat der Fall keine Konsequenzen.
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Doch nicht mehr lange, hofft Kay Nehm, der Präsident des Verkehrsgerichtstages. Es gelte zwar der Grundsatz, dass niemand für etwas bestraft werden könne, wenn seine Schuld nicht nachgewiesen ist, sagt der frühere Generalbundesanwalt. Deswegen könne es die klassische Halterhaftung, wie sie von der EU-Kommission ins Spiel gebracht wurde, bei Verstößen im fließenden Verkehr nicht geben“. Es spreche aber nichts dagegen, einen Fahrzeughalter in einem solchen Fall zur Kasse zu bitten und ihm die Kosten der Ermittlungen aufzuerlegen. “Das ist keine Strafe, aber ein Denkzettel“.
Solche “Denkzettel“ für Fahrzeughalter sollte es auch bei anderen Delikten im fließenden Verkehr geben, wenn der Fahrer nicht zu ermitteln ist, etwa bei Überschreitungen des Tempolimits, fordert Nehm. Schließlich könne jeder siebte Tempoverstoß nicht aufgeklärt werden, weil die Halter sich weigerten, die Fahrer zu benennen.
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Österreich habe einen Weg gefunden, um Schweiger zum Reden zu bringen, sagt der frühere Generalbundesanwalt. Dort drohten saftige Bußgelder von bis zu 5000 Euro, wenn Halter den Fahrer nicht benennen. Unterstützung bekommt Nehm vom Auto Club Europa (ACE). Er halte “die Anwendung des österreichischen Haftungsrechtes mit einer verpflichtenden Fahrerauskunft auch in Deutschland für denkbar“, sagt ACE-Präsident Wolfgang Rose. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sehe darin keine Verletzung essentieller Rechtsnormen.
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Ansonsten stieß Nehms Forderung beim Verkehrsgerichtstag in Goslar eher auf Ablehnung. Eine “Denkzettelwirkung“ sei nur gewährleistet, “wenn ausschließlich derjenige zur Verantwortung gezogen wird, der den Verstoß tatsächlich begangen hat“, sagt ADAC-Sprecher Maximilian Maurer. Und “ein Fahrzeughalter darf nicht dafür bestraft werden, dass er den Namen des Fahrers nicht preisgibt“, meint die Sprecherin des Automobilclubs von Deutschland (AvD), Sabine Götz. Dies würde mit dem Zeugnisverweigerungsrecht zugunsten naher Angehöriger kollidieren. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) sähe das Recht auf Zeugnisverweigerung außer Kraft gesetzt.
Der Verkehrsgerichtstag sprach sich am Freitag in Goslar in seiner Empfehlung für den Gesetzgeber denn auch gegen eine generelle Halterhaftung aus. Dass die Halter für erfolglose Ermittlungen aber zumindest für einen Teil der Kosten zur Kasse gebeten werden können, halten die Experten für möglich. Die Bundesregierung solle wegen der großen Zahl nicht geklärter Verkehrssünden prüfen, ob gesetzlicher Handlungsbedarf besteht.
Der Verkehrsexperte Michael Bücken vom Deutschen Anwaltvereins hält etwas ganz anderes für wirksam: Der Staat solle durch ausreichende Kontrollen dafür sorgen, dass Verkehrssünder direkt nach dem Verstoß angehalten und zur Kasse gebeten werden.
dpa