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Selenskyj hält emotionale Rede vor Bundestag - und erhebt schwere Vorwürfe

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Von: Felix Graf

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht auf einer Videoleinwand im Bundestag und bekommt Applaus von der Bundesregierung. © Michael Kappeler/dpa

Bei seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eindringlich um weitere Unterstützung für sein Land gebeten. Gleichzeitig kritisierte er Deutschland für sein Agieren vor dem russischen Einmarsch.

Berlin - Mit stehenden Ovationen war Selenskyj am Donnerstagmorgen (17. März) von den Abgeordneten des Bundestages begrüßt worden. In seiner gut 15 Minuten langen Rede berichtete Selenskyj von der dramatischen Lage in seinem vom Krieg gebeutelten Land.

Selenskyj mit Vorwürfen

Die zögerlichen Reaktionen Deutschlands vor dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine griff der Präsident, der sichtlich mitgenommen und mit tiefen Augenringen in die Kamera sprach, mit dem Vergleich der Mauer auf. „Sie befinden sich irgendwie wieder hinter der Mauer, nicht Berliner Mauer, aber mitten in Europa, wo es Freiheit gibt. Und diese Mauer ist stärker, mit jeder Bombe, die auf unsern Boden in der Ukraine fällt.“

Das Verhalten der EU und Deutschlands in den Jahren kritisierte Selenskyj. Der Nato-Beitritt der Ukraine sei abgelehnt, der Bau der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 sei trotz der ukrainischen Warnungen weiter vorangetrieben worden. Berlin habe sie aber lange nicht gestoppt. Der EU-Beitritt der Ukraine sei auch nicht weiter verfolgt worden. Das seien „Steine für eine neue Mauer“, warf Selenskyj der deutschen Regierung vor.

Selenskyj mit direkter Ansprache an Scholz

Direkt wandte sich Selenskyj an den deutschen Regierungschef Olaf Scholz. In Anspielung auf die berühmte Rede von Ronald Reagan, der 1987 die damalige Sowjetunion aufforderte, die Berliner Mauer abzureißen, sagte er: „Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie die diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient.“ Die bisher zögerliche Unterstützung Deutschlands würden aber „immer Reue verlangen“.

Selenskyj: „Russland bombardiert unsere Städte“

Seine Mitbürger, egal ob Zivilisten oder Soldaten, würden wahllos Ziel russischer Angriffe. „Russland bombardiert unsere Städte und zerstört alles, was in der Ukraine da ist. Das sind Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, alles. Mit Raketen, mit Luftbomben, mit Artillerie. In drei Wochen sind sehr viele Ukrainer gestorben, Tausende. Die Besatzer haben 108 Kinder getötet, mitten in Europa, bei uns im Jahre 2022“, sagte Selenskyj. Und: „Wieder versucht man in Europa, das ganze Volk zu vernichten.“

Damit schlug der ukrainische Präsident einen Bogen zur deutschen Vergangenheit und der historischen Verantwortung Deutschlands. „Was ist die historische Verantwortung wert für das, was vor 80 Jahren geschah?“.

Aber auch Dank äußerte Selenskyj für die Unterstützung. Außerdem dankte er all jenen, die in dieser Lage die Moral vor den Profit stellen und keine Geschäfte mehr mit Russland machen würden. Weitere Hilfe sei aber nötig: „Es fällt uns schwer, ohne die Welt zu leben - ohne Ihre Unterstützung.“

Selenskyj bittet um Hilfe

Mit den Worten: „Helfen Sie uns, helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen“, schloss Selenskyj seine Rede. Vor der Ansprache hatte Bundestagsvize Katrin Göring-Eckardt ihr Entsetzen über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgedrückt. „Wir sehen euch, wir sind in Gedanken bei euch und bei denen, die um euch trauern“, sagte die Politikerin der Grünen. Da es in Kiew zu einem Anschlag in unmittelbarer Nähe von Selenskyjs Aufenthaltsort gekommen war, war die Sitzung mit leichter Verspätung gestartet.

Keine Weitere Diskussion im Bundestag

Die Koalition von SPD, Grünen und FDP hatte nach der Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Aussprache des Parlaments über den Ukraine-Krieg abgelehnt. Ein entsprechender Antrag der Union wurde am Donnerstag nur von den Abgeordneten der Linken und der AfD unterstützt. Die drei Koalitionsfraktionen stimmten dagegen.

Die Union hatte eine 68-minütige Aussprache beantragt. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz sagte zur Begründung, man wolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drei Wochen nach dessen erster Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine wissen: „Wo stehen wir, haben wir das richtig gemacht, gibt es möglicherweise Entscheidungen die nachkorrigiert werden müssen.“

Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt war nach der Rede Selenskyjs ohne Pause zur Tagesordnung übergangenen und hatte zunächst zwei Abgeordneten zum Geburtstag gratuliert - begleitet von Zwischenrufen aus der Unions-Fraktion wie „unwürdig“. Nach einer Geschäftsordnungsdebatte über den Antrag der CDU/CSU schloss sich dann die Debatte über die Impfpflicht an.

fgr

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