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Fußgänger-Zone stirbt aus: Kommt jetzt die Paket-Steuer bei Online-Bestellungen auf uns zu?

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Von: Markus Zwigl

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Geschlossene Läden, verwaiste Fußgängerzonen - dagegen gibt es beim Versandhandel vor Weihnachten kein Halten mehr. Eine neue Verbraucherabgabe, die Unions-Politiker vorschlagen, könnte den Innenstädten helfen.

Die Läden sind wegen des Corona-Lockdowns derzeit weitgehend geschlossen. Mit mehr als elf Milliarden Euro pro Monat will der Bund die betroffenen Unternehmen unterstützen. Doch ob das wirklich reicht, weiß niemand. Aus Sicht des Handelsverbandes Deutschland (HDE) ist das noch viel zu wenig: „Die bisher vorgesehenen Gelder reichen bei weitem nicht aus, um eine Pleitewelle in den Innenstädten zu verhindern“, kritisierte er am Sonntag. Zudem kämpft der Einzelhandel zunehmend gegen die Online-Riesen, welche vor allem durch die Corona-Krise immer beliebter bei den Konsumenten werden.

Online-Boom beim Weihnachtsgeschäft

Der Online-Boom beim diesjährigen Weihnachtsgeschäft heizt die Debatte um negative Auswirkungen des Versandhandels an. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag denkt deshalb über eine finanzielle Paketabgabe für den Onlinehandel zur Unterstützung der Innenstädte nach. Die Zahlungen für die Sendungen sollen dem stationären Einzelhandel zugute kommen. Das geht aus einem vom kommunalpolitischen Sprecher Christian Haase sowie vom Fraktions-Vize Andreas Jung (beide CDU) unterzeichneten Papier hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

„Mit den Einnahmen daraus wird der OnlineHandel an den Kosten von ihm genutzter kommunaler Infrastrukturen beteiligt. Beseitigt wird damit die Schieflage gegenüber dem stationären Einzelhandel, der schon heute mit seinen Steuern erheblich zum Gemeinde-Haushalt beiträgt“, heißt es in dem Forderungskatalog.  Jung und Haase betonten zudem, dass Einzelhändler die Paketabgabe nicht bezahlen müssten, wenn sie als zweites Standbein auf einem Onlineportal Produkte zum Versand anbieten.

Abgabe soll sich nach Bestellwert richten

„Die Mittel werden also in vollem Umfang zur Stärkung eines vielfältigen Einzelhandels in lebendigen Innenstädten eingesetzt, nichts davon verbleibt in der Bundeskasse“, schlagen die CDU-Politiker vor. Ob im Internet bestellte Ware dadurch teurer würde, hänge von den Anbietern ab. Die Abgabe solle sich in der Höhe nach dem Bestellwert richten.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) stemmt sich gegen so eine Abgabe mit dem Argument des internationalen Wettbewerbs. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth stellte die Frage, ob bei Lieferungen aus Fernost immer Steuern gezahlt würden. „Eine Paketsteuer träfe auch viele heimische Online-Händler, die korrekte und pünktliche Steuerzahler sind.“

Paket-Steuer ein „Bürokratiemonster“

Für die oppositionelle FDP wäre eine Paketsteuer „ein neues Bürokratiemonster“. Für die SPD äußerte sich Fraktionsvize Achim Post positiv zu dem Vorschlag: „Eine Art Corona-Abgabe von Online-Händlern wie Amazon kann ein Baustein für mehr Gerechtigkeit in der Krise sein und den Einzelhandel vor Ort konkret unterstützen.“ Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte der „Rheinischen Post“, es könne richtig sein, „über eine neue Abgabe Finanzmittel für die Unterstützung der in Not geratenen Innenstädte und Ortskerne zu erzielen“.

Seit 2008 hat sich die Zahl der Beschäftigten im Versandhandel laut den Angaben der Bundesagentur nahezu verdreifacht - von 60 022 auf 161 331 im März 2020. Die Verbraucher in Deutschland kauften laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel im Oktober und November Waren für 17,4 Milliarden Euro online - 17,5 Prozent mehr als Oktober/November 2019. 

Das mittlere Einkommen der im Versandhandel voll Beschäftigten lag im vergangenen Jahr laut den Angaben der Bundesagentur aber nur bei 2663 Euro brutto pro Monat - 738 Euro weniger als im Schnitt aller Branchen. Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte im Versandhandel arbeitete für weniger als zwei Drittel des mittleren Gehalts, für weniger als 2267 Euro im Monat. Der Anteil der Niedriglohn-Beschäftigten lag fast 15 Prozentpunkte höher als insgesamt. Die 2019 im Versandhandel begonnenen Jobs waren laut Bundesagentur zu rund 60 Prozent befristet. Zudem arbeiteten im März 29 000 Versandhandelsbeschäftigte als Minijobberinnen und Minijobber.

Kritik an Amazon, Zalando und Co.

Die Linke-Abgeordnete Sabine Zimmermann, die die Anfrage bei der Bundesagentur gestellt hatte, sagte: „Unternehmen wie Amazon und Zalando machten schon bislang Milliardenumsätze und gehören nun zu den Profiteuren der Pandemie.“ Amazon habe im dritten Quartal 2020 seinen weltweiten Gewinn gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Bei den Beschäftigten komme wenig davon an.

Amazon wies die Vorwürfe zurück. Die eigenen Corona-Schutzmaßnahmen gingen teils über die Länderregelungen hinaus. „Allein in Deutschland haben wir mehr als 470 Millionen Einheiten Händedesinfektionsmittel, 21 Millionen Paar Handschuhe, 19 Millionen Masken, Gesichtsschutz oder anderen Mund-Nasen-Schutz und 39 Millionen Packungen Desinfektionstücher bestellt“, sagte ein Sprecher. Was den durchschnittliche Lohn eines Mitarbeiters bei Amazon anbetreffe, so liege der nach 24 Monaten bei 2600 Euro brutto im Monat, also deutlich über der Niedriglohngrenze. Mehr als die Hälfte der 16 000 festangestellten Mitarbeiter seien länger als fünf Jahre dabei.

mz/dpa

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