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100 Prozent der Stimmen: Martin Schulz ist neuer SPD-Chef

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100 Prozent der Stimmen: Martin Schulz ist neuer SPD-Chef.
100 Prozent der Stimmen: Martin Schulz ist neuer SPD-Chef. © AFP

Berlin - Martin Schulz ist neuer SPD-Vorsitzender: Er wurde bei einem Sonderparteitag in Berlin mit 100 Prozent der gültigen Stimmen zum Nachfolger von Sigmar Gabriel gewählt. Es ist das beste Wahlergebnis eines SPD-Chefs der Nachkriegszeit.

Die SPD hat an diesem Sonntag bei einem Sonderparteitag in Berlin Martin Schulz zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt - mit einem Traumergebnis. Die Delegierten auf dem SPD-Sonderparteitag in Berlin kürten ihn zum Parteichef. Der SPD-Vorstand hatte den 61-Jährigen Ende Januar nominiert, nachdem der bisherige Parteichef Sigmar Gabriel verzichtet hatte. Gleichzeitig wurde er per Akklamation zum Kanzlerkandidat nominiert.

Schulz: "Ich will der nächste Bundeskanzler sein"

"Ich will der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sein", meldete Martin Schulz auf dem SPD-Sonderparteitag seinen Anspruch auf die Regierungsführung an. Nach seinem 100-Prozent-Erfolg fügte der neu SPD-Chef hinzu: "Ich glaube, dass dieses Ergebnis der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramtes ist."

Schulz‘ Vorgänger Sigmar Gabriel stand siebeneinhalb Jahre an der Spitze der ältesten deutschen Partei. Ende Januar verzichtete der heutige Außenminister auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz zugunsten des populären früheren EU-Parlamentspräsidenten Schulz. Seitdem hat die SPD in den Umfragen stark zugelegt und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union. Gabriel sagte: „Es dürfte der fröhlichste und optimistisches Übergang zu einem neuen Parteivorsitz sein, den unsere Partei so in den letzten Jahrzehnten erlebt hat.“ Es gebe „keinen Grund für Melancholie“.

„Die SPD ist wieder da, wir sind wieder da“

Der designierte SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz will mit den Leitmotiven Gerechtigkeit, Respekt und Würde das Kanzleramt erobern. In seiner kämpferischen Bewerbungsrede versprach Schulz am Sonntag vor rund 600 Parteitagsdelegierten und mehr als 2000 Gästen in Berlin mehr Lohngerechtigkeit, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zum Studium, aber auch ein hartes Vorgehen gegen Alltagskriminalität. Er bitte um Vertrauen: „Nicht nur heute, sondern ab heute, solange ich dieses Amt ausübe“, sagte Schulz.

Er bekräftigte den Anspruch der SPD, als stärkste Kraft aus der Wahl am 24. September hervorzugehen, äußerte sich aber nicht zu Koalitionsoptionen. Die politischen Gegner rief er zu einer fairen Auseinandersetzung auf: „Mit mir wird es keine Herabwürdigung des politischen Wettbewerbs geben. Wenn andere einen anderen Weg wählen, wird es am Ende die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler sein, darüber ein Urteil zu fällen.“

Sigmar Gabriel (r) nach seiner Rede beim SPD-Sonderparteitag neben SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzendem Martin Schulz.
Sigmar Gabriel (r) nach seiner Rede beim SPD-Sonderparteitag neben SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzendem Martin Schulz. © dpa

Außerdem zeigte sich Schulz zuversichtlich mit Blick auf die Bundestagswahl im September. "Die SPD ist wieder da, wir sind wieder da. Das ist eine gute Nachricht für die Menschen im Lande", sagte Schulz am Sonntag. Der frühere EU-Parlamentspräsident sagte, er bewerbe sich um den Vorsitz "der ältesten Partei in diesem Lande", die Diktaturen und Kriege überlebt habe. Der Kampf für Freiheit und Demokratie in Deutschland werde seit mehr als 150 Jahren symbolisiert durch die drei Buchstaben SPD.

Wahlprogramm der SPD soll im Juni beschlossen werden

Das Wahlprogramm will die SPD erst im Juni beschließen. Details verriet Schulz noch nicht. Er verzichtete darauf, neue inhaltliche Akzente zu setzen. Die von ihm angekündigten Korrekturen an der Agenda 2010 des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder verteidigte der 61-Jährige aber. Es gehe ihm dabei nicht um „Vergangenheitsbewältigung“, sondern um Weiterqualifizierung als Antwort auf den dramatischen Fachkräftemangel. Schröder blieb dem Parteitag wegen einer Auslandsreise fern.

Vor den von der Union in Aussicht gestellten Steuersenkungen warnte Schulz. Sie würden den Staat 35 Milliarden Euro kosten. „Das ist das Wahlgeschenk-Programm der CDU/CSU und das sind Milliarden, die für wichtige Zukunftsinvestitionen fehlen würden.“ Die Pläne der Union seien ein „alter Wahlkampfschlager“, ungerecht und unvernünftig. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwähnte Schulz in seiner Rede nicht ein einziges Mal.

Er wandte sich aber mit scharfen Worten gegen Rechtspopulisten. Die AfD bezeichnete er als „Schande für die Bundesrepublik“. Auch US-Präsident Donald Trump warf er vor, das „Rad der Freiheit“ zurückzudrehen. „Wer die freie Berichterstattung als Lügenpresse bezeichnet, wer selektiv mit den Medien umgeht, legt die Axt an die Wurzeln der Demokratie - ob er Präsident der Vereinigten Staaten ist oder ob er in einer Pegida-Demonstration mitläuft.“

Schulz bekannte sich klar zu Europa: „Mit mir wird es kein Europa-Bashing, kein Schlechtreden Europas geben.“ Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan warnte er davor, mit Nazi- Vergleichen Menschen in Deutschland gegeneinander aufzuhetzen.

Junge Union will „Gottkanzler“ Schulz übers Wasser laufen sehen

Die Junge Union hat sich vom Wasser aus über die sozialdemokratische Krönungsmesse für Martin Schulz in Berlin lustig gemacht. Auf der Spree schipperten die jungen Christdemokraten am Sonntag nah an die Halle, in der Schulz zum SPD-Chef und Kanzlerkandidaten gewählt werden sollte. „Hey Gottkanzler! Wenn du übers Wasser laufen kannst, komm rüber!“, stand auf einem großen blau-weißen Banner.

SPD-Bundesparteitag - Demonstrationen
Die Junge Union will „Gottkanzler“ Schulz übers Wasser laufen sehen. © dpa

Auch musikalisch zeigte der CDU-Nachwuchs sich kreativ. Den Schlager „Kein Schwein ruft mich an“ dichtete die Junge Union um in „Kein Schwein ruft mein' Namen“ - und spielten Schulz' Aufforderung „Martin rufen!“ ein, mit der er kürzlich in Würzbug seine Fans angefeuert hatte.

SPD hofft, dass sich „Schulz-Effekt“ auch bei Landtagswahl im Saarland zeigen wird

Die Sozialdemokraten hoffen, dass der Rummel um Schulz sich bei der Landtagswahl im Saarland am nächsten Sonntag (26. März) in Stimmen auszahlt. Dort regiert seit 18 Jahren die CDU. Ein rot-rotes Bündnis von SPD und Linkspartei an der Saar liegt Umfragen zufolge im Bereich des Möglichen.

Am Vorabend des Parteitags spielte der SPD-Hoffnungsträger die Frage nach dem zu erwartenden Ergebnis für ihn als nebensächlich herunter. „Die Prozente spielen ernsthaft keine Rolle“, sagte er bei einem Rundgang durch die „Arena“ in Berlin-Treptow. Schulz sagte, er sei demütig, bitte die Delegierten um einen „Vertrauensvorschuss“ und wolle die breite Mehrheit der Partei hinter sich versammeln. Da müsse man bei der Abstimmung nicht über Nachkommastellen nachdenken. Den Nachkriegsrekord bei der Wahl eines SPD-Vorsitzenden hält Kurt Schumacher. Er bekam 1948 in Düsseldorf 99,71 Prozent.

Unterstützung erhielt der frühere EU-Parlamentspräsident auch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Schulz als zuverlässig und Mann des offenen Wortes lobte. „Sowohl Martin Schulz als auch Angela Merkel haben Kanzlerqualitäten“, sagte Juncker der „Bild am Sonntag“.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann rechnet nicht damit, dass nach der Wahl von Martin Schulz zum Parteivorsitzenden die Flügelkämpfe in der SPD wieder aufflammen. „Bei uns ist ein Teamgeist entstanden, der Berge versetzen kann. 12.000 neue Mitglieder bringen jede Menge frischen Wind und Zuversicht. Der Parteitag am Sonntag wird zeigen: Alle stehen hinter Martin Schulz“, sagte Oppermann der „Nordwest-Zeitung“ (Samstag).

Im jüngsten Sonntagstrend kommt Rot-Rot-Grün erneut auf eine knappe Mehrheit von 48 Prozent. Die SPD verliert in der Emnid-Umfrage im Auftrag der „Bild am Sonntag“ zwar einen Punkt auf 32 Prozent. Dafür legen die Grünen um einen Punkt auf 8 Punkte zu. Die Linkspartei bleibt bei 8 Prozent.

dpa

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