Polit-Talkshows „stark diskriminierend“? Harte Kritik an „Maischberger“, „Hart aber fair“ und Co.
Wie nahe sind die Talks bei ARD und ZDF eigentlich an der gesellschaftlichen Realität? Nach einer Analyse gibt es harte Kritik - vor allem an „Hart aber fair“.
- Einmal mehr gibt es Kritik an Politik-Talks wie „Maischberger“ und „Maybrit Illner“ bei ARD und ZDF.
- Besonders schlecht kommt „Hart aber fair“ weg - milder fällt das Urteil bei „Anne Will“ aus.
- Neben dem öffentlich geförderten Netzwerk „CLAIM“ sieht auch der ORF-Journalist Armin Wolf Probleme - allerdings etwas andere.
München/Berlin - Vor einigen Wochen hatte der Grüne Boris Palmer eine überhitzte Debatte losgetreten - aber nebenbei auch eine überraschende und nicht ganz uninteressante Frage aufgeworfen: Soll Werbung die gesellschaftliche Realität abbilden? In erster Linie ging es dem streitbaren Politiker damals um - seiner Ansicht nach - zu viele ausländisch aussehende Menschen in einer Kampagne der Deutschen Bahn.
Nun, zum Jahresende, taucht diese Frage wieder auf. Nur andersherum: Eine Analyse zum Talkgeschehen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schließt mit harscher Kritik. Weil nach Ansicht der Verfasser nicht genug Menschen mit Migrationshintergrund und „People of Colour“ in den großen Politik-Runden auftauchen. Und nicht genug Frauen. Abgesehen von einem Format sind auch Ostdeutsche unterrepräsentiert.
Kritik für Hart aber fair, Anne Will, Maischberger und Maybrit Illner: „Stark diskriminierend“
Den Anstoß für die Erhebung gab eine Negativ-Preisverleihung. Im Oktober hatte die NGO „Neue Deutsche Medienmacher*innen“ den Öffentlich-Rechtlichen die „Goldene Kartoffel 2019“ zugesprochen. Es werde ein „verzerrtes Bild vom Zusammenleben im Einwanderungsland Deutschland“ gezeichnet, hieß es in der Begründung - unter anderem sei die Gästeauswahl diskriminierend. Angesprochen waren damals die Shows „Hart aber fair“, „Maischberger“, „Anne Will“ (alle ARD) und „Maybrit Illner“ (ZDF).
Aufgegriffen hat das Thema nun das Bliq Journal der „Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit“ (CLAIM). Das vom Familienministerium geförderte Projekt kommt zu einem ähnlich negativen Urteil: „Die Gästeauswahl der öffentlich-rechtlichen Talkshows ist vor allem gegenüber ‚nicht-weißen‘ Menschen stark diskriminierend“, heißt es in einer Jahres-Analyse der Webseite zu den vier genannten Sendungen.
Von „Anne Will“ bis „Hart aber fair“: Webseite übt harsche Kritik an öffentlich-rechtlichen Talkshows
Tatsächlich finden sich einige kuriose Befunde: So habe CDU-Außenexperte Norbert Röttgen alleine mehr Auftritte als Menschen aus Afrika, Arabien und dem Iran insgesamt gehabt - neun an der Zahl. Insgesamt habe der Ausländeranteil bei 5,4 Prozent gelegen.
Besonders hart trifft es aber wieder einmal Frank Plasbergs Talk „Hart aber fair“. Hier seien die wenigsten Frauen (33 Prozent der Gäste) und die wenigsten Ostdeutschen (6 Prozent) zu sehen gewesen. Beide Gruppen seien aber auch insgesamt bei den Talks unterrepräsentiert: Frauen hätten in den ARD- und ZDF-Runden 38,2 Prozent der Gäste ausgemacht, Ostdeutsche - bei einem Bevölkerungsanteil von 17 Prozent - nur zwölf Prozent.
„Nicht-weiße Menschen“ oder „People of Colour“ hätten lediglich sieben Prozent der Talk-Teilnehmer gestellt, hieß es weiter. Und von den Gästen mit deutscher Staatsbürgerschaft sei nur jeder Zwanzigste im Ausland geboren - in der Gesamtbevölkerung sei es jeder Achte.
Die Zahl wirkt allerdings arg hoch; vermutlich sind hier deutsche Staatsbürger mit „Migrationshintergrund“ (also einem Elternteil, das die deutsche Staatsbürgerschaft nicht von Geburt an besitzt) gemeint. Erst im August sei mit dem Schauspieler Charles M. Huber der erste „schwarze Mensch“ in einem Talk zu sehen gewesen - zum Thema Rassismus.
Polit-Talkshows bei ARD und ZDF: (Noch) „weniger Klempner als Anthonys“?
Je nach Gusto amüsant, erhellend oder empörend ist auch eine Analyse der Vornamen der Talk-Gäste, die Artikel-Autor Fabian Goldmann vorgenommen hat: Nur 56 Geladene hätten „nicht-deutsche Vornamen“ aufgewiesen. Der häufigste Gast-Name demzufolge: „Peter“. „Annalena“, auf Rang fünf, sei zehnmal vorgekommen - der häufigste fremdländisch anmutende Name sei „Cem“ gewesen. Zwei Befunde, die auch Rückschluss auf häufige Grünen-Auftritte schließen lassen könnten: Annalena Baerbock ist ohnehin „TV-Talkshow-Königin 2019“, wenn man die Auftritte bei „Hart aber fair“, „Anne Will“, „Maischberger“ und „Maybrit Illner“ zusammenzählt. Das berichtet Merkur.de*.
Auf Twitter reagierte unter anderem der seit einem turbulenten Interview mit einem FPÖ-Vertreter auch in Deutschland bekannte österreichische TV-Journalist Armin Wolf auf die Analyse. „Das ist sehr interessant, aber der Vergleich zur Gesamtbevölkerung problematisch“, gab er zu bedenken. Für die Gruppe der Politiker, Experten und Journalisten sei die Auswahl vermutlich „relativ typisch“ gewesen.
„Wette, dass weniger Klempner als ‚Anthonys‘ eingeladen waren“, schrieb Wolf weiter. Migranten, „People of Colour“ und Frauen seien ebenso wie Menschen ohne Abitur eben in den Gruppen, aus denen sich die Gäste meist rekrutieren, unterrepräsentiert. Das aber mache die Auswertung „wieder schmerzhaft“ deutlich.
„Anne Will“ kommt am besten weg - GroKo war 2019 das meistdiskutierte Thema
Entwarnung gab Bliq übrigens mit Blick auf den in vergangenen Jahren häufiger zu vernehmenden Vorwurf, die Talkshows fokussierten sich zu sehr auf Themen wie Migration: 2019 waren in den Sendungen von „Hart aber fair“ bis „Maischberger“ die GroKo und die Wahlen mit 24 Sendungen das meistbehandelte Thema in ARD- und ZDF-Talks. Auf den Plätzen folgten der Auswertung zufolge Klima- und Umweltpolitik (22) und EU und internationale Politik (16).
Am besten schnitt in den Augen der Webseite übrigens „Anne Will“ ab. Dort waren die meisten Frauen und die meisten Ostdeutschen zu sehen. Aktuell befindet sich die Sendung allerdings in der Winterpause. Den WDR trifft unterdessen auch wegen eines Kinderchor-Liedes teils heftiger Zorn.
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Die aktuelle Ausgabe von Maybrit Illner sorgte bereits im Vorfeld für Kritik - Schuld daran trug aber vielmehr das ZDF-Programm als die Moderatorin.
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Ab Juni gehen die Polti-Talkshows dann in Sommerpause. Maischberger* geht beispielsweise nach 3. Juni.
fn
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