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ARD-Doku deckt große Ungerechtigkeit auf - hat Österreich die Lösung?

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Von: Marcel Görmann

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Rentner Heinz Jürgens arbeitete als angestellter Bäckermeister - nun braucht er als Rentner noch einen Nebenjob. Neben ihm Reporter Jo Hiller.
Rentner Heinz Jürgens arbeitete als angestellter Bäckermeister - nun braucht er als Rentner noch einen Nebenjob. Neben ihm Reporter Jo Hiller. © Screenshot ARD

Wie ungerecht ist das deutsche Rentensystem - und wieso geraten so viele in Altersarmut? Eine ARD-Doku verglich das System in Deutschland mit dem österreichischen Modell.

Berlin - Am Montagabend zeigte die ARD die Dokumentation „Ausgetrickst bei Miete, Einkommen und Rente“. Es ging darum, wie ungerecht es in Deutschland trotz Wirtschaftsboom und sinkender Arbeitslosenzahlen zugeht. Ein großes Thema dabei: Die drohende Altersarmut. Jeder Sechste, der heute in Rente geht, droht, in Existenznot zu geraten.

ARD-Doku begleitet Rentner mit Nebenjobs

Am Beispiel von Heinz Jürgens wird so ein Schicksal deutlich. Der 73-jährige Kieler hat rund 50 Jahre als Bäckermeister gearbeitet. Seine Rente ist trotzdem mickrig: 1100 Euro. Allein für die Miete gehen 650 Euro drauf. Zwar hat Jürgens als Bäcker ordentlich verdient, für die Rente zählt aber nur der Grundlohn, nicht die Nachtzuschläge.

Um gut über die Runden zu kommen, geht Jürgens fünfmal in der Woche zum Putzen und er versucht, zu sparen. So teilt er sich eine Tageszeitung mit seiner Nachbarin - macht 20 Euro für beide, statt 40 Euro für einen alleine. 

ARD-Beispiel zeigt: Mehr als 10.000 Euro mehr Rente in Österreich

Im Vergleich mit Österreich wird offenkundig, wie mangelhaft das deutsche Rentensystem ist. Josef Wöss von der Arbeiterkammer Wien lobt die besseren Leistungen, die einen höheren Lebensstand im Alter ermöglichen. Konkretes Rechenbeispiel an Heinz Jürgens: Statt der 1100 Euro würde er in Österreich monatlich 1700 Euro bekommen - und das nicht nur zwölfmal im Jahr, sondern 14-mal! Der gravierende Unterschied: 23.800 Euro würde er im Jahr in Österreich bekommen, dagegen nur 13.200 Euro hierzulande. 

Reporter Jo Hiller machte mit Rentenexperte Josef Wöss die Beispielrechnung: Heinz Jürgens würde als Rentner aus Österreich 10.600 Euro mehr bekommen.
Reporter Jo Hiller machte mit Rentenexperte Josef Wöss die Beispielrechnung: Heinz Jürgens würde als Rentner aus Österreich 10.600 Euro mehr bekommen. © Screenshot ARD

Wie ist das möglich? In Österreich zahlt jeder Erwerbstätige ein - also auch die Beamten. Außerdem gibt es höhere Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung.  

Lesen Sie auch: Renten-Paradies Österreich? Der Faktencheck

Arbeitsminister Heil: Österreich kein 1:1-Rentenvorbild 

Kann das österreichische Modell also ein Vorbild für Deutschland sein? Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister, wiegelt in der Doku ab. Man könne ein System nicht 1:1 von einem anderen Land übernehmen. Stattdessen wolle der SPD-Politiker die gesetzliche Rente aber wieder zur „tragenden Säule“ machen.

Hierfür solle das Rentenniveau stabilisiert werden, man habe die Erwerbsminderungsrente verbessert und berücksichtige Kindererziehungszeiten stärker. 

Rentenexperte beklagt den Optimismus der deutschen Politik

Aus Sicht von Florian Blank, Renten-Experte der Hans-Böckner-Stiftung, ist das aber nicht ausreichend. „Das Rentensystem ist insgesamt abgewertet worden“, beklagt er die Reformen seit der Schröder-Regierung.

Die Politik habe zu optimistisch gedacht, was die private Altersvorsorge angeht. Viele könnten sich gar nicht leisten, privat für das Alter zu sparen. Außerdem hätten die Kapitalmärkte die Erwartungen auch nicht erfüllen können. Deshalb hat für Blank das österreichische System durchaus Vorbildcharakter. 

Rentnerin Ingrid Rieper: Man muss sich damit abfinden

Profitieren würde von einem österreichischen Modell auch die Hamburgerin Ingrid Rieper. Sie hat in der Gastronomie gearbeitet, aber wenig verdient. Nun ist sie auf die Tafel angewiesen. „Es bleibt einem nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Wenn man es nicht tut, macht man sich das Leben noch schwerer“, sagt sie. Sie leidet jedoch unter der sozialen Ausgrenzung. Besuche im Theater oder im Schwimmbad sind nicht mehr drin. „Darüber nachdenken darf ich nicht, da möchte ich am liebsten heulen.“ 

Die Doku kann man sich noch bis zum 12. November 2019 unter diesem Link in der ARD-Mediathek anschauen.

Video: Armutsfalle Rente - Staat nimmt Rentnerin fast gesamtes Geld weg

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