Bamf will Flüchtling abschieben, obwohl ihm der Tod droht: Sätze im Asylbescheid machen sprachlos

Der Bamf-Skandal nimmt neue Fahrt auf. Neben missglückten Abschiebungen und weiteren Ermittlungen sieht sich die Behörde nun auch weiteren heftigen Anschuldigungen eines Anwalts ausgesetzt.
Berlin/München - Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) steht seit Wochen massiv in der Kritik, seit im April bekannt wurde, dass die Bremer Außenstelle womöglich 1200 Menschen Asyl ohne die nötige Rechtsgrundlage gewährt hatte. Aber auch Klagen über organisatorische Mängel häuften sich. Die Vorgänge kosteten Bamf-Leiterin Jutta Cordt schließlich das Amt (wir berichteten*).
Und das Bamf ist noch längst nicht über den Skandal hinweg. Erst am Freitag meldete die Welt, dass die Staatsanwaltschaft neben Bremen an weiteren Außenstellen ermittelt. Auch die Abschiebung von Sami A., dem Ex-Leibwächter von Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden, verlief alles andere als optimal (mehr hier). Und auch auf Seehofer wirft die ständige Asyl-Problematik ein schlechtes Licht. Die Bilanz seiner ersten 125 Tage als Innenminister, lesen Sie hier zusammengefasst nach.
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Flüchtlingsanwalt über das Bamf: „Es läuft gerade vieles sehr sehr schräg“
Nun erzählt ein Rechtsanwalt aus Berlin via Facebook eine Geschichte, die sprachlos macht: „Mein Mandant ist Afghane und es ist unstreitig, dass ihm in Afghanistan Blutrache nach paschtunischem "Gewohnheitsrecht" droht. Die Ablehnung wird nun u.a. damit begründet, dass nach diesem "Gewohnheitsrecht" nicht zwingend die Tötung des Mandanten erfolgen muss - es genügte auch die Übergabe zweier heiratsfähiger Mädchen aus der Familie des Mandanten an die Familie, die auf Rache sinnt“, so Rechtsanwalt Volker Gerloff. Er sei gespannt, ob das Bamf noch mitteile, „woher mein Mandant die beiden Mädchen zaubern soll und ob das Bamf dann die "Übergabe" organisieren würde(?). Es läuft gerade vieles sehr sehr schräg“.
Dann schreibt Gerloff sogar noch ein Update hinzu, das den Wortlaut der Bamf-Entscheiderin im Bescheid wiedergeben soll: "Als Kompensationsmöglichkeit wird auch aufgezeigt, dass etwa zwei Mädchen im heiratsfähigen Alter an die Gruppe des Opfers übergeben werden könnten, ohne dafür eine Brautgabe zu erhalten. Die Tötung des Ausländers ist also nicht der einzige Ausweg, die Streitigkeiten der Familien beizulegen. So ist es nach paschtunischem Gewohnheitsrecht vorstellbar ... dass zwei Frauen aus der Täterfamilie an die Opferfamilie übergeben werden."
Warum dem Mann die Blutrache droht, ist offen
Die Kommentare häufen sich unter seinem Post vom 4. Juli 2018.
So reagiert das Bamf
Eine Bamf-Sprecherin teilte auf Nachfrage des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks lediglich mit: „Auch wenn die aus dem Bescheid stammenden Textpassagen unpräzise formuliert sind, so sind diese aus Sicht des Bundesamts dennoch zutreffend und sollten im Kontext betrachtet werden.“
Aus Bamf-Sicht stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: „Der in dem Post angedeutete Zusammenhang, dass die Übergabe zweier heiratsfähiger Mädchen genüge, um die Gefahr für den Antragsteller zu beheben, wurde nicht von dem Entscheider / der Entscheiderin hergestellt. Die veröffentlichten Zitate befinden sich im Bescheid an zwei unterschiedlichen Stellen und stehen nicht im Sinnzusammenhang.“
Zudem stamme der Satz ‚Die Tötung des Ausländers ist also nicht der einzige Ausweg (...)‘ „inhaltlich sowohl vom Antragsteller selbst als auch einem beauftragten Gutachter. Beschrieben wird von diesen das aus ihrer Sicht geltende Gewohnheitsrecht vor Ort“.
Weshalb dem Mann in Afghanistan die Blutrache droht, ist derweil offen. Anwalt Gerloff war am Freitagnachmittag für eine Stellungnahme nicht mehr zu erreichen gewesen. Das Bamf erklärte: „Das Bundesamt nimmt seine Verantwortung gegenüber den Schutzsuchenden sehr ernst. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir Ihnen keine Auskunft zu Einzelfällen und Details aus dem Asylverfahren erteilen.“
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