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CDU-Ministerpräsident Haselhoff für Steuererhöhung für Krisengewinner: „Meine Hand ist im Bundesrat sofort hoch“

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Reiner Haseloff zu Gast bei „Markus Lanz“
Reiner Haseloff zu Gast bei „Markus Lanz“ © Screenshot: ZDF-Mediathek / Markus Lanz

CDU-Ministerpräsident Reiner Haselhoff hat sich in der ZDF-Sendung von Markus Lanz für eine Übergewinnsteuer für Unternehmen ausgesprochen.

Hamburg/München – Die Energiepreise steigen exorbitant. Welche Probleme, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, noch auftreten, schildert der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Hasselhoff im ZDF-Talk bei Markus Lanz. Einer der größten mitteleuropäischen Düngemittelhersteller, die SKW Stickstoffwerke Piesteritz hätten bereits die Produktion einstellen müssen. Benötigt werde das russische Gas im Betrieb zur stofflichen Verwertung und der Herstellung – doch der hohe Preis mache die Produktion unrentabel, so der Minister. Derzeit mache das Unternehmen laut Haselhoff monatlich 70 bis 90 Millionen Euro minus. Es laufen die Verhandlungen, „ob im Oktober überhaupt wieder hochgefahren“ werden könne, so Haselhoff. Die Schließung bedrohe rund tausend Arbeitsplätze.

„Markus Lanz“ – diese Gäste diskutierten mit:

Die Alternative bezeichnet Hasselhoff als „absurd“, denn Düngemittel werde nun unter anderem aus Russland importiert, da Dünger als Nahrungsproduzent von den Sanktionen ausgenommen sei. Haselhoff ist davon nicht angetan: „Unsere Werke fliegen raus, während Putin Profit macht und an den hohen Düngemittelpreisen zusätzlich verdient“, macht er seiner Wut bei Lanz Luft.

Wie eng der wirtschaftliche Radius in Bezug auf Gas derzeit gesteckt und wie ungünstig er ist, verdeutlicht Haselhoff ebenfalls. Die großen Gaslieferanten seien neben Russland, China, der Iran und Katar. Aus Kanada und den USA käme das belastende Fracking-Gas – doch fehle es dafür noch ausreichend an entsprechenden Terminals für die Lieferung. Der Besuch in Norwegen, auch ein potenzieller Gaslieferant, von Bundeskanzler Olaf Scholz hätte aktuell keine Erfolge gebracht, sagt Haselhoff. Auch aus Katar werde derzeit kein Gas geliefert, so der Minister.

Ministerpräsident Haselhoff bei Lanz für die Einführung einer „Übergewinnsteuer“

Um die Kosten zu tragen, spricht sich Haselhoff indirekt für eine Übergewinnsteuer aus. Der Ministerpräsident: „Wir brauchen Zugriff auf diese Windfall-Profits, auf diejenigen, die sich gerade dumm und dämlich verdienen“. Wie auch ausländische Unternehmen, die hierzulande Einnahmen generieren, in die finanzielle Pflicht genommen werden könnten, sei Aufgabe von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der ein entsprechendes Gesetz erarbeiten müsse. Seine Unterstützung sagte Haselhoff aber in der Sendung bereits zu: „Meine Hand ist im Bundesrat sofort hoch, wenn es darum geht, dieses Geld abzugreifen“.

Gleichzeitig kündigte er einen „großen Umverteilungsprozess“ an, zu dem er bereits Gespräche im Kanzleramt geführt habe. Denn während die steigenden Energiekosten bei Hartz-IV-Empfängern durch die Sozialleistungen getragen werden, müssten arbeitende Bürger mit kleinen oder mittleren Einkommen selbst für die Kosten aufkommen. „Wir brauchen jetzt eine Wohngeld- und generell eine Leistungsreform, wo genau auch diese arbeitende Bevölkerung, die jetzt generell getroffen ist“, wieder eingefangen werde. Deutschland sei ein „rohstoffarmes Land“, mahnt Haselhoff. „Wir haben nur die Menschen, den Kopf um zu denken und zu arbeiten, den Rest holen wir von außen“, aber es eben nicht beliebig am Markt greifbar.

Lanz stellt die wichtige Frage in die Runde: Warum hat die Politik nicht vor Putin gewarnt?

Wer eigentlich die Verantwortung für die Misere trage, will Moderator Markus Lanz von seinen Gästen wissen. Reiner Haselhoff wirkt wenig überzeugend dabei, sich selbst eine weiße Weste zu verschaffen. Er „kenne die Russen“, hätte er immer gesagt. Putin habe sich als „Tschekist“, als Anhänger der sowjetischen Geheimpolizei, bezeichnet. Was das bedeute, sei ihm als ehemaligem DDR-Bürger in mahnender Erinnerung geblieben. Ihm sei klar gewesen, dass Deutschland sich beim Abschied von Kohle und Atomkraft vom russischen Gas abhängig mache – das habe er kritisiert, so Haselhoff. Doch als Lanz wissen will, ob er denn die Öffentlichkeit vor Putin gewarnt hätte, verfängt Haselhoff sich in historischen Ausführungen, bleibt eine klare Antwort aber schuldig.

Auch Zeit-Journalistin Anne Hähnig nimmt dem Ministerpräsidenten seine vorausschauende Haltung nicht ganz ab. Es sei richtig, dass sich der CDU-Politiker negativ gegenüber Putin ausgesprochen habe, doch gleichzeitig habe er den Bau der Gasleitungen von Nord Stream 2 unterstützt. Sie kritisiert, dass Demokratie nicht bedeute, „Lobbyist der eigenen Bevölkerung“ zu sein und gab zu bedenken, dass der Umstand, dass Ostdeutsche in Anspruch nehmen, Russland besser zu kennen als der Westen, auch Ursache des Problems gewesen sein könne.

Die Journalistin schließt mit einer scharfen Verurteilung: „Ihre Partei, die Kanzlerin Ihrer Partei und auch Sie persönlich haben die Russlandpolitik der früheren Regierung zu verantworten“, stellt sie fest. Da könne man sich doch nicht im Nachhinein hinstellen und sagen: „Das haben wir alles gewusst“, so die Journalistin.

Ex-Botschafter in Moskau: Niemand hat gewarnt, dass Putin sich selbst schadet

Auch der Militärexperte Prof. Sönke Neitzel forderte einen selbstkritischeren Umgang mit den Fehlern der Vergangenheit. Eine Regierung könne durchaus zugeben: „Wir haben einen kapitalen Bock geschossen“.

Selbstkritischer fällt dagegen das Urteil des ehemaligen deutschen Botschafters in Moskau Rüdiger von Fritsch aus, der die Verantwortung nicht der Politik in die Schuhe schieben will. Wir alle, so der Diplomat, hätten die Situation nicht kommen sehen wollen. „Was wir uns vorwerfen können“, so von Fritsch, sei, dass „keiner von uns Wladimir Putin zugetraut hat, sich selber so massiv zu schaden“. Putin habe seine eigentlichen politischen Ziele – Änderung der internationalen Ordnung, die Durchsetzung eines großrussischen Reiches – durch den Krieg torpediert, befindet der Russland-Kenner. Der Diplomat appelliert dennoch an das Nach-vorne-schauen: „Die grundsätzliche Zuversicht, dass uns etwas gelingen kann, so wie uns in der Vergangenheit unendlich vieles gelungen ist“, die dürfe man nicht verlieren.

Fazit des „Markus Lanz“-Talks

Der Talk konnte die Ursachenforschung nicht vertiefen, warf aber die richtigen Fragen auf. Die jeweiligen Antworten der Gäste mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln in der Betrachtung der Lage zeigte die Komplexität eben dieser auf – und welcher Preis für den Wandel zur Klimaneutralität gezahlt werden muss. Und wie lang und hart der Weg werden wird. (Verena Schulemann)

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