EU-Sondertreffen zum Ukraine-Konflikt
Brüssel - Die Kritik an Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt wächst. Die EU-Außenminister beraten über mögliche neue Strafmaßnahmen. Widerworte aus Athen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. EU-Parlamentspräsident Schulz poltert gegen die neue Regierung.
Nach dem Wirbel um ein Ausscheren Griechenlands in der Russland-Politik beraten die Außenminister der EU-Staaten am Donnerstag (15.00 Uhr) über mögliche neue Strafmaßnahmen gegen Moskau. Mit Spannung wird vor allem erwartet, ob Russland wegen seiner Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine zusätzliche Wirtschaftssanktionen befürchten muss. Als ersten Schritt in diese Richtung könnten weitere Unterstützer von Präsident Wladimir Putin auf eine Liste gesetzt werden, die für das EU-Territorium Einreiseverbote und Kontensperrungen vorsieht. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sprach sich gegen eine Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen Russland zum jetzigen Zeitpunkt aus.
Die Gefechte in der Krisenregion Donbass hatten zuletzt an Schärfe zugenommen. Das ukrainische Militär und die Separatisten berichteten von zahlreichen Toten in der Ostukraine.
Konkrete Entscheidungen zu einer möglichen Ausweitung von Wirtschaftssanktionen werden nach Angaben aus Diplomatenkreisen vermutlich erst bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs am 12. Februar getroffen. Als sicher gilt hingegen, dass die im März vergangenen Jahres beschlossenen Kontensperrungen und Einreiseverbote für Rebellen und Unterstützer um ein Jahr verlängert werden sollen. Dies waren die ersten EU-Strafmaßnahmen, die als Folge der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland verhängt wurden.
Die erst seit Dienstag amtierende Regierung in Athen hatte mit Kritik an einer EU-Erklärung zur möglichen Ausweitung der Russland-Sanktionen für Unmut in Brüssel gesorgt. Unklar blieb, ob Griechenland in Erwägung zieht, mögliche Schritte zu blockieren. Theoretisch wäre dies möglich, da Strafmaßnahmen nur einstimmig verabschiedet werden können. Dem neuen griechische Außenminister Nikos Kotzias steht eine mit Spannung erwartete Premiere im Kreis der EU-Kollegen bevor.
SPD-Chef Gabriel sagte am Mittwochabend im ZDF, er glaube nicht, dass die Außenminister neue Sanktionen beschlössen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es zu früh, schon wieder nach weiteren Strafmaßnahmen zu rufen. „Selbst in den schwierigsten Zeiten darf man das europäische Russland nicht aufgeben und einfach sagen, dann haben wir jetzt eben 30 Jahre einen neuen Kalten Krieg.“
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnte die neue Athener Regierung vor politischen Alleingängen. Diese sei nicht gewählt worden, um Sanktionen gegen Russland zu boykottieren, sagte Schulz im ZDF. Der Staat habe ganz andere Sorgen. „Ich habe keinen Bock, ideologische Debatten zu führen mit einer Regierung, die gerade mal zwei Tage im Amt ist.“ Schulz wollte sich am Donnerstag in Athen unter anderem mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras treffen.
Ukraine erwartet von EU-Außenministern starkes Signal an Russland
Die ukrainische Regierung erwartet beim Sondertreffen der EU-Außenminister ein klares Signal an Russland. "Die Minister sind bereit, eine starke Erklärung zu veröffentlichen und weitere robuste Maßnahmen in Betracht zu ziehen", sagte der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin in Brüssel. Er habe in den vergangenen Tagen "mit jedem Minister" der EU gesprochen und sehe Unterstützung dafür. Die neue griechische Linksregierung hat jedoch Vorbehalte gegen eine Verschärfung der Sanktionen geäußert. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Dienstag eine Erklärung veröffentlicht, in der Russland mit weiteren "restriktiven Maßnahmen" gedroht wird. Die am Sonntag gewählte Regierung in Athen hatte sich davon aber distanziert und erklärt, sie sei vorab nicht konsultiert worden. Dies weckte Befürchtungen, die EU könne vor einer Spaltung in der Sanktionsfrage stehen. Bei EU-Strafmaßnahmen muss die EU einstimmig entscheiden, Griechenland kann sie also mit einem Veto blockieren. Vorberatungen auf Botschafterebene führten auch am Donnerstagvormittag nicht zu einem Konsens, wie Diplomaten mitteilten. Im Beschlussentwurf für das Außenministertreffen war die entscheidende Passage deshalb weiter in Klammern gesetzt. Dies betrifft die geplante vorzeitige Verlängerung der im März 2014 wegen der Krim-Annexion verhängten Sanktionen bis September diesen Jahres, weitere Reise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in der Ukraine-Krise und die Drohung mit zusätzlichen "restriktiven Maßnahmen", was dann auch neue Wirtschaftssanktionen bedeuten könnte. Das Sondertreffen der Außenminister war einberufen worden, nachdem die Lage in der Ostukraine vergangene Woche eskaliert war. International für Empörung hatte der Raketenbeschuss der Hafenstadt Mariupol am Samstag gesorgt, durch den mindestens 30 Menschen getötet wurden. Wegen des Ukraine-Konflikts hat die EU seit März 2014 eine Reihe von Sanktionen verhängt. Insgesamt sind mittlerweile 132 Ukrainer und Russen mit Einreise- und Vermögenssperren belegt sowie die Guthaben von 28 Organisationen eingefroren. Gegen Russland selbst wurden zudem Wirtschaftssanktionen insbesondere im Finanz-, Rüstungs- und Energiebereich verhängt.
dpa/AFP