Söder-Weggefährte Maly im Interview: „Bisserl dünnhäutiger geworden“

Markus Söder ist mit seiner Wahl zu Bayerns Ministerpräsident am Ziel seiner Wünsche. Das sagt sein langjähriger Weggefährte Ulrich Maly. Der Nürnberger OB spricht über das neue Oberhaupt des Freistaats.
An diesem Freitagvormittag wird Markus Söder zum Ministerpräsidenten gewählt. Sein Oberbürgermeister verfolgt das mit gemischten Gefühlen: Die Nürnberger Ulrich Maly (SPD, 57) und Söder (CSU, 51) kennen sich schon lange, sind aber komplett unterschiedliche Typen. Wir haben mit Maly gesprochen.
Herr Maly, was sagt Ihnen Ihr Bauch zur Söder-Wahl - Hurra, ein Nürnberger? Oder: Och nöö, schon wieder ein Schwarzer?
Maly: Weder noch. Dass in Bayern die Schwarzen den Ministerpräsidenten stellen, ist leider schon so Gewohnheit, dass man sich darüber nicht mehr erregt. Nötig wäre da eher der Blick auf uns Sozialdemokraten, warum wir der CSU diese Stärke lassen. Zur Herkunft: Diese Wer-kommt-woher-Geschichte in Bayern ist doch in Wahrheit eher Folklore als eine politische Kategorie.
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Ist es denn nicht so, dass er als Finanzminister zig Millionen Euro nach Nürnberg geleitet hat?
Maly: Das stimmt doch so nicht. Das Haus der Bayerischen Geschichte kommt nach Regensburg, Augsburg erhält eine Uniklinik, München die milliardenschwere zweite Stammstrecke, Staatstheater und weiß der Himmel was. Nürnberg hat zu Recht die Projekte bekommen, die unsere Stadt braucht. Wir erwarten gar nicht, dass darüber hinaus Milch und Honig fließen. Ein Ministerpräsident, der die Landesteile nicht gleichmäßig bedenkt, ist nicht lang im Amt. Gerade weil Söder sich zum Nürnberger-Sein bekennt, wird er vom Rest Bayerns noch aufmerksamer beobachtet.
Söders Herkunft - echt ganz egal?
Maly: Was ihn vielleicht unterscheidet von manchen Vorgängern: Er hat als Nürnberger - das ist jetzt vielleicht blöd, wenn ich das in Ihrer Zeitung sage - die Arroganz des oberbayerischen Zentralismus sicher kennengelernt.
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Sie kennen sich gut, siezen sich aber...
Maly:
Ja.
...und sagten mal: Einen Freund, nein, so würden Sie ihn nicht nennen.
Maly: Das ist eine Kategorie, die in der Politik schon in der eigenen Partei schwierig ist. Insofern: Nein, keine Freunde, wir sind auch politisch diametral auseinander, aber es gibt ein professionelles, vertrauensvolles Verhältnis. Wir pflegen Vier-Augen-Runden, die absolut vertraulich sind. Ich hatte noch nie Anlass zur Beschwerde, dass er sich nicht an Vereinbartes hält - und umgekehrt.

Was sind Söders gute Eigenschaften, was seine schlechten?
Maly:
Er ist blitzgescheit, hat eine schnelle Auffassungsgabe. Er kann die große Linie relativ gut von der detailverliebten Sachbearbeitung unterscheiden. Wenn man mit ihm hart zu verhandeln hat - wie beim kommunalen Finanzausgleich -, darf man nicht darauf hoffen, dass er schlecht im Film wäre und hilflos zu seinen Mitarbeitern schaut.
Schlechte Seiten?
Maly:
Er ist, meine ich, ein bisserl dünnhäutiger geworden. Die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, mag etwas geschwunden sein. Er wird manchmal ungeduldig, wenn er längeren Erläuterungen zuhören muss. Und er hat einen Hang zur Selbstinszenierung, der meiner nicht wäre, der aber in der Politik jetzt auch kein singuläres Söder-Phänomen ist.
Wie kann die SPD ihn bei der Wahl im Oktober stellen?
Maly:
Das wird davon abhängen, ob und wie er sein Zehn-Punkte-Programm, das bisher nur aus Überschriften besteht, mit Leben füllt. Ich glaube außerdem, dass die CSU einen riesigen Fehler macht, wenn sie nur den rechten Flügel spreizt, um die AfD klein zu machen. Auch die CSU gewinnt ihre Wahlen in der Mitte. Sie hat sich spätestens unter Stoiber und auch weiter unter Seehofer von der katholischen Soziallehre als einer wichtigen Quelle ihres Erfolgs verabschiedet. Die SPD wird all jenen, denen eine nur noch rechte CSU zu wenig ist, die Hand reichen.
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Wünschen Sie ihm also viel Erfolg? Oder lieber weniger?
Maly:
Ich kenne ihn. Ich weiß, dass er jetzt am Ziel seiner Wünsche ist. Ich wünsche ihm, dass er die Demut, über die er gerne spricht, tatsächlich bewahrt über die Zeit hinweg. Dieser Augenblick, wenn man in den Spiegel schaut und der Ministerpräsident schaut zurück, der ist verführerisch. So ein Spitzenamt kann man aber nur mit Demut, mit Distanz zu sich selbst, ausüben.
Interview: Christian Deutschländer