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Jamaika gescheitert: Und jetzt? Neuwahlen? Minderheitsregierung? Neue GroKo?

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Von: Franz Rohleder

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Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer, äußern sich am Montag zum Scheitern von Jamaika.
Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer, äußern sich am Montag zum Scheitern von Jamaika. © dpa

Jamaika ist gescheitert: Gibt es jetzt Neuwahlen? Eine Minderheitsregierung? Eine neue GroKo? So könnte es in Deutschland weitergehen.

Berlin - Jamaika ist gescheitert! Die FDP ist am späten Sonntagabend aus den Sondierungen über ein schwarz-gelb-grünes Bündnis ausgestiegen. „Besser nicht regieren als falsch regieren“, betonte FDP-Chef Christian Lindner gegen Mitternacht vor Journalisten in Berlin. Der Grund für das Scheitern von Jamaika laut Lindner: „Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam geteilte Idee, sie wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren.“

Am Montagmorgen erzählte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer im „ZDF Morgenmagazin“, wie man sich das Scheitern von Jamaika genau vorstellen muss. „Christian Lindner und Wolfgang Kubicki sind dann aus der Runde der Parteivorsitzenden gekommen und haben eben gesagt, in welche Richtung man sich dann doch von den anderen Gesprächspartnern her bewegen will. Und das war eine Richtung, von der klar war - auch den anderen Gesprächspartnern - dass wir diesen Weg nicht mitgehen können.“ Letztlich seien CDU/CSU und Grüne der FDP bei den Themen Solidaritätszuschlag, Digitalisierung und Bildung zu wenig weit entgegengekommen. So wäre der „Soli“ in dieser Legislaturperiode nicht abgeschafft worden.

Auch beim Thema flexible Arbeitszeiten im Zuge der Digitalisierung oder bei der Forderung, dass Bildungsinvestitionen in die Qualität "und nicht nur in Beton" fließen sollten, sei eine Einigung möglich gewesen. "Es hat sich leider ergeben, dass es nicht möglich war, die Modernisierung in Deutschland zu organisieren", resümierte Beer die Enttäuschung der FDP im Hinblick auf Jamaika. Letztlich sei mit dieser Koalition keine „Trendwende“ in der Politik möglich gewesen. „Wenn es eigentlich nur darum geht, ein „Weiter so!“ der GroKo-Politik mit ein bisschen mehr ökologischer Landwirtschaft zu garnieren: Sorry, das ist zu wenig für Deutschland!“

Aus für Jamika: Diese drei Optionen gibt es nun

Nach dem Scheitern von Jamaika gibt es in Deutschland genau drei mögliche Optionen zur Bildung einer neuen Regierung: Eine Neuauflage der Großen Koalition, eine Minderheitsregierung (unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder Neuwahlen.

Neuwahlen gelten zwar als wahrscheinlich, doch so einfach werden sie nicht zu realisieren sein. Eine entscheidende Rolle kommt nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu, mit dem die Kanzlerin bereits am Montag die Lage besprechen will. Natürlich wäre nach dem Scheitern von Jamaika auch eine Fortsetzung der Großen Koalition möglich - wogegen die SPD sich aber mehrfach ausgesprochen hat. Und eine Minderheitsregierung steht nicht unbedingt für Stabilität.

Ein Überblick über die mögliche Optionen nach dem Ende der Jamaika-Sondierungen:

Jamaika gescheitert: Gibt es jetzt eine Neuauflage der großen Koalition?

Nur mit den Sozialdemokraten könnte Angela Merkel mit einer stabilen Mehrheit im Bundestag weiter regieren. Allerdings ist eine Neuauflage der GroKo unwahrscheinlich. Die SPD hatte sich schon am Wahlabend auf die Oppositionsrolle festgelegt und rückte davon bislang nicht ab. Kurz nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen machte Parteivize Ralf Stegner direkt deutlich, dass sich die Lage für die SPD nicht verändert habe. Zuletzt sprachen sich die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles und Parteichef Martin Schulz gegen eine Fortführung der Koalition mit der Union aus.

Die Oppositionsrolle brachte der SPD schon im Oktober bei der Landtagswahl in Niedersachsen nach langer Zeit wieder einen Sieg. Deswegen wären Neuwahlen für die Sozialdemokraten derzeit wohl das attraktivere Szenario.

Keine Chance für Jamaika: Wäre eine Minderheitsregierung jetzt eine Option?

Wohl kaum. Dieses in anderen Ländern übliche Modell ist in Deutschland im Bund noch unerprobt. Und in den politisch unruhigen Zeiten wäre es misslich für Bundeskanzlerin Merkel, wenn sie sich bei jedem Gesetz Unterstützung von einer Oppositions-Fraktion holen müsste - so wie es der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy vormacht.

Fragt sich nur, mit wem die Kanzlerin dann so eine Regierung bilden würde. In einer Koalition mit der FDP würden der Kanzlerin 29 Sitze für eine Mehrheit im Bundestag fehlen, im Verbund mit den Grünen sogar 42 Sitze.  

Außerdem: So etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Die Kanzlerin wäre zudem international geschwächt, weil sie mit einer Minderheitsregierung nicht verlässlich regieren kann.

Die Kanzlerin hatte diese Option schon am Abend der Bundestagswahl ausgeschlagen: "Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen." Die SPD schloss ihrerseits bereits aus, eine Minderheitsregierung von Merkel zu tolerieren.

Nach dem Aus für Jamaika: Unter welchen Umständen könnte es zu Neuwahlen kommen?

Bevor es zu einem weiteren Urnengang kommt, muss der neue Bundestag aufgelöst werden. Ein Weg dorthin ist grundsätzlich die Vertrauensfrage. Die früheren Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) hatten so Neuwahlen herbeigeführt.

Doch Amtsinhaberin Merkel ist dieser Weg versperrt. Denn sie ist seit der Konstituierung des neuen Bundestags nur noch geschäftsführend im Amt. Und für diesen Fall besteht die Möglichkeit der Vertrauensfrage nicht.

Deshalb bleibt nur noch die Möglichkeit der Parlamentsauflösung nach einer Kanzlerwahl. Artikel 63 des Grundgesetzes sieht dafür als Szenario vor, dass Bundespräsident Steinmeier dem Parlament einen Vorschlag unterbreitet.

Verfehlt die Kanzlerin die erforderliche Mehrheit aller Abgeordneten, kann die Wahl innerhalb von 14 Tagen wiederholt werden. Bringt Merkel auch im zweiten Durchgang nicht die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich, reicht es im dritten Durchgang, wenn sie die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt. Das dürfte ihr problemlos gelingen, schließlich ist nicht einmal ein Gegenkandidat zu erwarten.

In diesem Fall hat Steinmeier zwei Möglichkeiten. Er kann Merkel zur Kanzlerin ernennen oder den Bundestag auflösen. Für diese Entscheidung hat er sieben Tage Zeit. Entscheidet er sich für die Parlamentsauflösung, muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Übrigens: Wir haben bereits zusammengefasst, wie viel Geld Neuwahlen dem Steuerzahler kosten könnten.

Jamaika ist gescheitert: Das würden Neuwahlen bringen 

Sollte es nun zu Neuwahlen kommen, wäre dies wohl vor allem eine Chance für die SPD, die historische Niederlage (20,5 Prozent) aus der Bundestagswahl wieder auszumerzen. Auch die AfD (12,6 Prozent) könnte ihr Ergebnis möglicherweise noch verbessern.

Laut einer ZDF-Umfrage sprachen sich 68 Prozent der Bundesbürger im Falle des Scheiterns von Jamaika für Neuwahlen aus. 

Nur: Sieht man sich die aktuellen Umfragen an, dann würden Neuwahlen die politischen Verhältnisse kaum verändern. Laut einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ kämen CDU und CSU auf 31 Prozent, die Grünen auf 11 Prozent. Die SPD würde 21 Prozent erreichen. Die FDP käme auf 10 Prozent, die Linken auf 9 Prozent. Die AfD erreicht in der Umfrage 13 Prozent.

So würde es rechnerisch wohl wieder nur für Jamaika oder eine Große Koalition reichen.

Wie soll es nach dem Scheitern von Jamaika weitergehen? Beteiligen Sie sich an unserer Diskussion zum Thema!

AFP/Video: Glomex

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