Behelfskliniken für Abtreibungen: Weißes Haus lehnt Warren-Vorschlag vorerst ab
Die progressive demokratische Senatorin Elizabeth Warren hat eine Idee, wie ungewollt Schwangeren geholfen werden könnte. Doch die Biden-Regierung mauert.
Washington D.C. – US-Präsident Joe Biden steht unter Handlungsdruck, nachdem der Supreme Court das Grundsatzurteil zum Abtreibungsrecht Roe v. Wade aufgehoben hat. Besonders die Demokraten des linken Parteiflügels fordern konkrete Maßnahmen. Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachusetts, schlug vor, Behelfskliniken für Abtreibungen auf Bundesgebiet in Bundesstaaten zu errichten, in denen Schwangerschaftsabbrüche nun verboten sind. Die progressive Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez aus New York City bekräftigte die Forderung ihrer Parteikollegin.
In einem CNN-Interview wurde Vizepräsidentin Kamala Harris zu diesem Vorschlag befragt. Zunächst wich sie der Frage aus und sagte dann auf Nachfrage, die Idee sei „im Moment nicht das, was wir diskutieren“. Das Weiße Haus prüfe Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass ungewollt Schwangere „Zugang zu den Medikamenten haben, die sie benötigen“ und „Reisefreiheit“, da von Republikanern regierte Bundesstaaten versuchen, die Möglichkeiten ihrer Einwohnerinnen einzuschränken, Abtreibungen in angrenzenden Bundesstaaten vornehmen zu lassen.
Elizabeth Warrens Vorschlag ist laut dem Weißen Haus „gut gemeint“
Acht Bundesstaaten, darunter Texas und Oklahoma, haben unmittelbar, nachdem die rechte Mehrheit am Supreme Court Roe v. Wade aufgehoben hatte, komplette Abtreibungsverbote erlassen. Weitere Bundesstaaten werden bald folgen, während Abtreibungsbefürworter versuchen, sich mit Klagen und Demonstrationen gegen den Rechtsverlust zur Wehr zu setzen.

Bevor das Interview von Kamala Harris ausgestrahlt wurde, schlug Elizabeth Warren vor, die Biden-Regierung solle Außenposten von Planned Parenthood, eine gemeinnützige Organisation für Frauengesundheit, an den Grenzen von Nationalparks errichten. In den Bundesstaaten Utah, Texas und South Dakota – allesamt in republikanischer Hand – könnte diese Strategie eingesetzt werden. „Sie könnten Zelte aufstellen, geschultes Personal einsetzen – und da sein, um Menschen zu helfen, die eine Abtreibung benötigen“, sagte Elizabeth Warren der Washington Post. "Es ist Zeit, einen medizinischen Notfall auszurufen."
Die 73-Jährige war, bevor sie 2012 als Senatorin gewählt wurde, zunächst Professorin für Rechtswissenschaften an der Eliteuniversität Harvard und drängte den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama dazu, das Consumer Financial Protection Bureau, die Behörde für finanziellen Verbraucherschutz, einzurichten, was die Finanzexpertin Elizabeth Warren anschließend federführend übernahm.
Im Anschluss an das Interview mit Kamala Harris sagte ein namentlich nicht genannter Beamter des Weißen Hauses gegenüber dem US-Medium Insider, dass „Elizabeth Warrens Vorschlag bezüglich der Behelfsabtreibungskliniken zwar gut gemeint ist, aber Frauen und Klinikbetreiber gefährden könnte. Und vor allem in Bundesstaaten, in denen Abtreibungen jetzt illegal sind“, fügte der Beamte hinzu, „könnten Frauen und Klinikbetreiber, die keine Bundesangestellten sind, möglicherweise strafrechtlich verfolgt werden.“
Joe Biden und Kamala Harris scheinen nicht handeln zu wollen
Auf dem linken US-Nachrichtenportal Vox schreibt die Journalistin Li Zhou: „Da Bundesgebiet nicht den Zivilgesetzen der Bundesstaaten unterliegt und es Spielraum zur Auslegung des Strafrechts gibt, könnten sich Abtreibungskliniken theoretisch an Orten wie Militärbasen niederlassen, ohne sich mit dem Abtreibungsverbot eines Bundesstaates auseinandersetzen zu müssen.“ Li Zhou zitiert ferner die Juraprofessorin Khiara Bridges von der Universität Berkeley, eine Expertin für Abtreibungsrecht: „Obwohl das entsprechende Gebiet, das dem Bund gehört, sich innerhalb der Landesgrenzen eines einzelnen Bundesstaates befindet, unterliegt es nicht der Rechtsprechung des Bundesstaates.“
Die Senatorin Elizabeth Warren ist selbst Rechtsexpertin und auch andere juritische Expert:innen bestätigen, dass ihr Vorschlag rechtlich durchführbar ist, daher liegt es nahe, dass Joe Biden in dieser Angelegenheit nicht handeln möchte, obwohl er könnte. Während einer Kundgebung in New York City forderte Alexandria Ocasio-Cortez die Biden-Regierung abermals auf, „sofort Abtreibungskliniken auf Bundesgebiet in republikanisch regierten Bundesstaaten zu eröffnen“. Sie bezeichnete diesen Schritt – einen von mehreren, zu denen sie die Regierung drängt – als „den allerkleinsten aller kleinen Schritte“. (Johanna Soll)