Missbrauch in der Kirche: Papst gewährt deutschem Erzbischof „Auszeit“ - Franziskus-Antwort lässt Fragen offen

Das Kölner Missbrauchsgutachten zieht weitere Kreise: Der Hamburger Erzbischof Heße bietet seinen Rücktritt an. Eine erste Reaktion von Franziskus lässt viel Interpreationsraum.
Rom - Papst Franziskus hat dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße eine Auszeit gewährt. Als Konsequenz aus dem Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln hatte Heße dem Papst zuvor seinen Amtsverzicht angeboten.
Vatikan: Franziskus reagiert auf Rücktrittsvorschlag von Hamburger Erzbischof - macht Heße weiter?
Wie das Erzbistum Hamburg am Montag mitteilte, ging nun eine „erste Antwort“ aus Rom ein. „Papst Franziskus* hat dem Erzbischof von Hamburg, S.E. Mons. Stefan Heße, eine Auszeit gewährt“, gab der Vatikan bekannt. Während seiner Abwesenheit werde Generalvikar Ansgar Thim das Erzbistum verwalten. Heße ist nicht der erste Geistliche, der im Zuge von Missbrauchsvorwürfen sein Amt ruhen lässt.
Ein Sprecher des Erzbistums Hamburg sagte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur, er verstehe die Mitteilung so, dass noch keine Entscheidung gefallen sei. Aus informierten Kirchenkreisen hieß es, die Mitteilung des Vatikans sei noch keine Vorentscheidung. Vielmehr sei damit zu rechnen, dass sich nun ein langwieriges Prüfverfahren anschließe, in dem sich der Vatikan die Akten zukommen lasse und den Fall eingehend untersuche. Das könne sich über viele Wochen hinziehen. Damit dauert es wohl noch einige Zeit, bis eine Entscheidung über die Zukunft Heßes gefällt wird. Kritische Stimmen, wonach die katholische Kirche die Missbrauchsfälle nicht in aller Härte aufarbeite, könnten dadurch womöglich wieder zunehmen. Auch wenn der Schritt des Papstes von anderen Beobachtern sehr gelobt wird.
Vatikan: Wie ist Papst-Statement zu deuten? „Er nimmt die Sache ernst“
Der italienische Vatikan-Experte Marco Politi sagte der dpa, die erste Reaktion des Papstes sei in jedem Fall sehr schnell gekommen. „Das bedeutet: Der Papst nimmt die Sache ernst, und er will nicht, dass Heße in der Zeit der Prüfung an der Spitze der Diözese steht.“ Bereits vergangenes Jahr hatte sich der argentinische Papst, der mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio heißt, zu den anhaltenden Missbrauchsvorwürfen innerhalb der katholischen Kirche geäußert und dabei Verständnis für die Empörung vor allem junger Katholiken gezeigt. Ein klares Statement war allerdings ausgeblieben.
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte, für ihn sehe es danach aus, dass am Ende sowohl Erzbischof Heße als auch die beiden infolge des Gutachtens beurlaubten Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff im Amt bleiben würden. Es passe zum Stil von Franziskus, dass er offenbar erst einmal Zeit gewinnen wolle.
Missbrauchsvorwürfe in Köln: „Kampagne“ gegen Woelki? Kardinal lehnt Rücktritt ab
Schüller kritisierte den Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, der der Süddeutschen Zeitung gesagt hatte, die Kritik an dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in den vergangenen Wochen habe „kampagnenhafte Züge“ getragen. „Hier wird so getan, als wäre es doch im Wesentlichen eine Kampagne der bösen Medien gewesen“, sagte Schüller der dpa.
In der vorvergangenen Woche war in Köln ein seit langem erwartetes Gutachten* vorgestellt worden. Darin wurde untersucht, wie Bistumsverantwortliche in der Vergangenheit mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester umgegangen sind. Das erschütternde Ergebnis: Im Erzbistum Köln gab es wohl deutlich mehr Missbrauchstäter- und opfer, als bisher angenommen. Auch wenn im Urteil keine unmittelbaren Pflichtverletzungen von Woelki festgestellt wurden, sah sich der in der Missbrauchsaffäre eher mit Zurückhaltung auffallende Woelki mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Entsprechende personelle Schritte lehnte der Kardinal allerdings ab. Er steht damit weiterhin federführend für das Erzbistum Köln in der Verantwortung.

Missbrauchsvorwürfe: Elf Pflichtverletzungen von Hamburger Erzbischof Heße?
Heße, der früher Personalchef und Generalvikar im Erzbistum Köln war, wurden im Gegensatz zu insgesamt elf Pflichtverletzungen vorgeworfen. Dabei handelte es sich nach Angaben der Gutachter unter anderem um Verstöße gegen die Melde- und Aufklärungspflicht.
Noch am selben Tag bot Heße dem Papst seinen Amtsverzicht an, „um Schaden vom Amt des Erzbischofs sowie vom Erzbistum Hamburg abzuwenden“. Der 54-Jährige betonte, dass er sich niemals an der Vertuschung von Missbrauchsvorwürfen beteiligt habe. Er sei aber dennoch bereit, seinen Anteil für das Versagen des Systems zu tragen. Heße war am 14. März 2015 als Erzbischof nach Hamburg gewechselt. (as/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA