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Konservativer Oberster US-Richter tot - Streit um Nachfolge

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Antonin Scalia
Blumen und Kerzen für den verstorbenen Antonin Scalia liegen vor dem Supreme Court in Washington D.C. © dpa

Washington - Schon jetzt sind die USA politisch so gespalten wie kaum jemals zuvor. Nun platzt der Tod eines Obersten Richters mitten in den Wahlkampf.

Der erste Schock über den jähen Tod von Antonin Scalia war noch nicht abgeebbt, da begann der Streit. Wird die Berufung eines neuen Richters im Supreme Court der USA häufig zu einer politischen

Antonin Scalia
Antonin Scalia, hier am 8. Februar in New York, wurde tot auf seiner Ranch in Texas gefunden. © dpa

Schlacht, platzte die Nachricht nun mitten in den Präsidentschaftswahlkampf - in einem Land, das so tief gespalten ist wie selten zuvor.

Ausgerechnet jetzt wird ein Platz in dem selber so hochpolitischen Gericht frei - und nicht irgendein Platz. Dass Scalia geradezu ein erzkonservatives Urgestein war, eine Ikone etwa für Abtreibungsgegner, Waffenliebhaber und Todesstrafenbefürworter, macht die Auseinandersetzung um seine Nachfolge und damit die künftige Ausrichtung des Gerichts umso erbitterter.

Scalia stand in den Augen vieler Republikaner genau für das, was sie für gefährdet halten, sollte wieder ein Demokrat - oder eine Demokratin - ins Weiße Haus einziehen: eine möglichst kleine zentrale Regierung, Schutz der individuellen Rechte, eine strikte Auslegung der Verfassung ganz im ursprünglichen Sinn ihrer Autoren. Das macht die Neubesetzung für die Konservativen zu einem geradezu idealen Wahlkampfthema, unterstreicht ihre Botschaft, was dem Land drohe, wenn die Wähler ihnen nicht folgen: ein hoffnungsloses Absinken in Richtung links, wenn nicht gar hin zum Sozialismus.

Das spiegelt sich auch darin wider, dass die republikanischen Präsidentschaftsbewerber, die sich sonst unerbittlich bekriegen, in diesem Punkt an einem Strang ziehen. Zumal kurz vor der nächsten Vorwahl in South Carolina: Dort gibt es viele evangelikale Wähler.

„Es geht um die Rettung von gleich zwei Zweigen der Regierung, nicht nur der Präsidentschaft, sondern auch des Supreme Courts“, warnte etwa der selber erzkonservative Senator Ted Cruz. Und Multimilliardär Donald Trump gab die Parole aus: „Verzögern, verzögern, verzögern.“

So hat sich der Demokrat Barack Obama wohl kaum Illusionen gemacht, als er am Samstag ankündigte, dass er einen Nachfolger nominieren wird - und erwartet, dass der Senat „seiner Verantwortung gerecht wird, dieser Person ein faire Anhörung und eine zeitlich angemessene Abstimmung zu bieten.“ Obama weiß genau, dass er das nur erhält, sollte er einen so überparteilich respektierten Kandidaten finden, dass ihn die Republikaner schlechthin ablehnen könnten. Aber so ein Bewerber ist in derart polarisierten Zeiten schwer zu finden.

Richterbennennung: Obama nicht den Hauch einer Chance

Zweimal schon hatte Obama in seiner Amtszeit die Gelegenheit, den Supreme Court mit frischen moderaten Richtern anzufrischen: Sonia Sotomayor und Elena Kagan. Dass ihm das gelang, haben ihm die Republikaner nie verziehen. So galt es am Sonntag bereits als völlig ausgeschlossen, dass der Präsident auch nur den Hauch einer Chance erhält, in seiner Amtszeit die Richtung des bisher fünf zu vier zugunsten der Konservativen gespaltenen Gerichts neu zu bestimmen.

Wahrscheinlicher gilt eine Blockade durch den Senat - und damit das Szenario eines fast kompletten politischen Stillstands im Land. Der Kongress bringt wegen unaufhörlichen Parteienstreits kaum etwas zustande, Obama ist, ob er es will oder nicht, schon mit einem halben Fuß aus der Tür, und der Supreme Court würde im Fall einer Vier-zu-Vier-Pattsituation weitgehend machtlos.

Letzteres wäre nicht so gravierend, hätte das Gericht in dem Land mit sehr klagefreudigen Bürgern nicht traditionell eine überaus starke Rolle. Es ist beispiellos, wie oft es in aktuellen Auseinandersetzungen um Gesetze oder auch Verfügungen das letzte Machtwort hat.

Wer sich mit einer politischen Maßnahme - etwa wie im Fall Obamacare - einfach nicht abfinden will, läuft von Pontius nach Pilatus, das heißt, von einer gerichtlichen Instanz zur nächsten, bis zum Supreme Court. Mangels eines oft wenig funktionsfähigen Kongresses ist das Gericht damit zu einer Art Ersatzparlament geworden.

So hängt Obama selber mit mindestens zwei wichtigen Maßnahmen in den Seilen, wenn es zu einem vorläufigen Patt kommt oder - schlimmer noch - ein Republikaner im Weißen Haus im nächsten Jahr Scalias Nachfolger nominieren könnte und sich bei der anstehenden Neuwahl eines Drittels des Senats nichts an der Mehrheit der Republikaner in dieser Kammer ändert. Es geht um strengere Emissionsregeln zum Klimaschutz und Restriktionen bei der Abschiebung von illegalen Immigranten - Herzensangelegenheiten Obamas und rote Tücher für die Republikaner.

Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass Scalias Tod am Ende die noch wichtigere Neubesetzung - im Weißen Haus - bestimmt. Wittert die religiöse Rechte Morgenluft, hegen moderate konservative Kreise eine andere Hoffnung: dass die neue Lage im Supreme Court den Populisten Trump und den extremen Cruz stoppt und einen gemäßigteren Republikaner an die Spitze katapultiert.

„Du kannst Scalia nicht ersetzen, wenn du nicht gewinnst“, zitiert die „New York Times“ Senator Lindsey Graham, der Jeb Bush unterstützt. „Ich hoffe, dass die Konservativen verstehen, dass das ein Weckruf ist.“. Man müsse jemanden zum Spitzenkandidaten machen, der siegen könne, und „Donald Trump kann es nicht, Ted Cruz kann es nicht.“

Die Demokraten wiederum hoffen, das sich die Republikaner so oder so am Ende selber ins Knie schießen. Den Supreme Court praktisch ein ganzes Jahr lahmzulegen, würde ihnen Wahlkampfmunition liefern. Und angesichts wichtiger anstehender Gerichtsentscheidungen, so sagt die demokratische Strategin Stephanie Cutter voraus, „glaube ich nicht, dass es eine junge Person, eine Frau, einen Demokraten oder unabhängigen Wähler gäbe, der (bei der Wahl) zu Hause bliebe“.

dpa

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