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Schlangengrube SPD? Lars Klingbeil im Exklusiv-Interview: „Gehen hart mit Führungspersonal um“

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Von: Klaus Rimpel

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Lars Klingbeil ist Generalsekretär der Bundes-SPD.
Lars Klingbeil ist Generalsekretär der Bundes-SPD. © Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Die SPD ist derzeit auf der Suche nach einem neuen Parteivorsitzenden. Generalsekretär Lars Klingbeil erklärt im Interview, wie die Kandidaten punkten können.

München - Am Samstag endet für die SPD der erste Teil eines Verfahrens, das auch in dieser an Geschichte reichen Partei bisher einmalig ist: Im Münchner Löwenbräukeller findet die letzte der insgesamt 23 Regionalkonferenzen statt, auf der sich die Kandidaten für den SPD-Vorsitz der Parteibasis vorstellen. Zerfleischung oder großartige Basisdemokratie? Wir sprachen mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (41).

Hat die Kandidaten-Kür Wunden hinterlassen?

Lars Klingbeil: Nein, auf gar keinen Fall. Natürlich ist das eine Konkurrenzsituation, in der die sieben Teams ihre unterschiedlichen programmatischen und strategischen Vorstellungen deutlich machen. Das ist auch gut für die SPD, dass das auf offener Bühne gemacht wird. Alle haben immer wieder betont, wie viel Spaß ihnen dieser faire Wettbewerb gemacht hat. Am Ende wird es ein Gewinnerteam geben – und was ich erwarte, ist, dass sich dann die gesamte Partei hinter diesen Gewinnern einreiht. Egal, ob sie mit 51 oder 70 Prozent gewählt werden: Sie haben die 100-prozentige Solidarität verdient. Die sechs anderen Teams haben die große Verantwortung, sich hinter die Gewinner zu stellen und die Partei geschlossen durch die nächsten Jahre zu führen.

Etliche der Kandidaten, etwa Karl Lauterbach und Nina Scheer, haben sich klar für eine vorzeitige Beendigung der GroKo ausgesprochen. Wird die Abstimmung über den Vorsitz da nicht automatisch zur Abstimmung über die GroKo?

Klingbeil: Natürlich spielt das Thema eine Rolle, das habe ich auf vielen Regionalkonferenzen erlebt. Aber am Ende wird unser Bundesparteitag über die Bewertung der Halbzeitbilanz der Bundesregierung entscheiden. Da wird dann auch eine wichtige Rolle spielen, ob sich die Koalition in den nächsten Wochen auf die Grundrente einigen kann.

Lars Klingbeil (SPD): SPD braucht keinen Messias, kein Wunder, sondern eine Teamleistung

Ist die Haltung zur GroKo die entscheidende Frage für die Mitglieder?

Klingbeil: Das nehme ich so nicht wahr. Natürlich ist das für viele auch wichtig. Aber es gibt genauso die Debatten darüber, wer von den Kandidaten-Teams in der Lage ist, die SPD in die nächste Bundestagswahl zu führen oder ob man jemandem zutraut, mit schwierigen internationalen Partnern mal Tacheles zu reden.

Ist der Eindruck beim Wähler nicht fatal, dass hochkarätige Genossen wie Malu Dreyer oder Hubertus Heil sichtlich keine Lust auf die „Schlangengrube“ Willy-Brandt-Haus haben?

Klingbeil: Da muss ich mich erst mal wirklich schützend vors Willy-Brandt-Haus stellen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Parteizentrale machen einen großartigen Job, das sehen wir aktuell bei der Organisation von 23 Regionalkonferenzen. Derartige Kritik richtet sich nicht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Partei, sondern an die gewählte Führung der Partei. Und da sage ich klar: Wir müssen zu einem neuen Teamspiel und einer anderen Kultur kommen. Deshalb setzen wir jetzt ja auch bewusst auf Teams an der Spitze der Partei. Da geht es um ein faires Miteinander. Und so positiv wie ich die SPD auf der Tour durch das Land erlebt habe, so wünsche ich mir meine Partei auch in Zukunft. Ich bin jetzt seit eindreiviertel Jahren Generalsekretär der SPD – in dieser Zeit habe ich mit sechs Vorsitzenden zusammengearbeitet. Ich habe immer für einen anderen Umgang geworben und jetzt brechen wir mit den alten Ritualen. Das ist gut so.

Das Wort „Schlangengrube“ stammt vom rheinland-pfälzischen SPD-Landes­chef Roger Lewentz, und man kennt die Klagen von Ex-SPD-Chefs wie Kurt Beck. Warum neigt die SPD derart zur Selbstzerfleischung?

Klingbeil: Wir gehen manchmal sehr hart mit unserem Führungspersonal um, das stimmt, weil wir auch eine sehr debattenfreudige Partei sind. Seit ich Generalsekretär bin, versuche ich eine andere Kultur zu pflegen. Und das klappt schon an vielen Ecken. In der schwierigen Situation, in der die SPD gerade ist, brauchen wir keinen Messias, kein Wunder, sondern eine Teamleistung.

Falls der einzige kandidierende Minister, Scholz, verliert: Muss er dann als Minister zurücktreten?

Klingbeil: Es geht hier um die Frage, wer wird Parteivorsitzender, da würde ich solche Nebenschauplätze nicht aufmachen. Es ist gut, dass jemand wie Scholz seinen Hut in den Ring geworfen hat.

Lars Klingbeil (SPD): Union steht gespalten zur Grundrente

Warum beharrt die SPD bei der Grundrente derart auf den Verzicht auf eine Bedürftigkeitsprüfung? Ist das nicht ur-sozialdemokratisch, zu verhindern, dass die, die es gar nicht nötig haben, staatliche Leistungen kassieren?

Klingbeil: Bei der Bedürftigkeitsprüfung geht es schlichtweg um die Frage, ob ein Riesen-Bürokratiemonster aufgebaut werden soll. Soll eine Frau, die ihr Leben lang hart gearbeitet hat, die ihre Kinder großgezogen hat, sich blank machen vor dem Staat und um Unterstützung betteln? Das wird am Ende Menschen davon abhalten, die Grundrente zu beantragen, obwohl sie ihnen zusteht. Die berühmte Zahnarztgattin, die mit ihrem Mann sehr viel Geld verdient, wird das am Ende über die Steuer zurückzahlen.

Sehen Sie da Bewegung bei der Union?

Klingbeil: Ich nehme da sehr unterschiedliche Stimmen aus der Union wahr. In den ostdeutschen Bundesländern gibt es Vertreter der Union, die sagen, lasst uns zu einer schnellen Lösung kommen. Gerade, weil auch viele Frauen in Ostdeutschland von einer Grundrente profitieren würden. Im Wirtschaftsflügel der Union gibt es grundsätzliche Ablehnung, etwas für Rentner zu tun. Die SPD jedenfalls will das Thema zu einem schnellen Abschluss bringen.

Der Streit zwischen der SPD und der Union über die Grundrente hält weiter an. Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer forderte kürzlich eine schnelle Lösung.

Video: Studie: Altersarmut in Deutschland droht deutlich zu wachsen

Interview: Klaus Rimpel

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