Russischer Talk-Clip verblüfft alle, schräger Lanz-Moment folgt – „Versuche, Herrn Stegners Gesicht zu deuten“
Thema Ukraine-Krieg bei Markus Lanz im ZDF: SPD-Mann Ralf Stegner: Deutschland muss bei humanitärer Hilfe vorangehen. Keine militärischen Alleingänge.
Hamburg – Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert. Was da genau besprochen wurde, will Markus Lanz von Ralf Stegner wissen. Doch der muss abwinken: „Das weiß ich auch nicht. Aber ich weiß, dass es gut ist, zu reden.“
FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff hat sich auch die Stellungnahme des Kreml angesehen. Die sei völlig anders als das, was Kanzler Scholz berichtet habe, sagt er. „Das ist so weit auseinander, das klingt wie zwei unterschiedliche Gespräche.“ Es scheint den gelernten Diplomaten zu überraschen. Was wiederum Stegner wundert. Propaganda sei doch in solchen Situationen nicht überraschend, sondern erwartbar auf beiden Seiten.

Womit die „Markus Lanz“-Runde auch schon dort ist, wo sie sich die nächste knappe Stunde aufhalten wird: Beim Ukraine-Krieg und all seinen Facetten.
Lanz‘ nächste Ukraine-Debatte: Wie ist die Lage auf dem Schlachtfeld?
Osteuropa-Expertin Liana Fix sieht in den jüngsten Gebietseroberungen der Ukraine den Beweis dafür, „wie sehr wir die russische Armee überschätzen“. Die ukrainische Armee habe sich seit Beginn des Kriegs „konstant verbessert“. Ihr Vorrücken zeige, „dass es ein Wendepunkt sein könnte“.
Fast sieben Minuten diskutieren Lanz‘ Gäste nun in bester Feldherrn-Manier alle Details der Schlachtfelder ab. Ob es im Norden der Ukraine ein Ablenkungsmanöver gab oder nicht, ob sich der Krieg im Süden der Ukraine entscheidet oder nicht. Expertin Fix scheint sehr weitreichende Informationen zu haben, zumindest von ukrainischer Seite. Sie kommt daher auch zu demselben Schluss wie die Ukraine: Deutschland müsse mehr Waffen liefern. Lambsdorff fragt sogar, „ob wir uns schuldig machen, wenn wir sie nicht unterstützen“.
Mit Markus Lanz diskutierten diese Gäste:
- Liana Fix (Historikerin und Politologin, Russland- und Osteuropa-Expertin)
- Alexander Graf Lambsdorff (FDP-Fraktionsvize)
- Ralf Stegner (Bundestagsabgeordneter, SPD)
- Diana Zimmermann (ZDF-Journalistin)
Ralf Stegner ist der Einzige an diesem Abend, der Mäßigung propagiert. Wie bei „Hart aber Fair“ in der vergangenen Woche in derselben Konstellation mit Lambsdorff, zeigt er sich im Diplomatengewand. Er muss sich erneut gegen alle anderen Gästen verteidigen – und diesmal auch noch gegen den Moderator.
Lanz macht aus seinem Herzen keine Mördergrube, er ist für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Er fällt Stegner ins Wort, wenn der dagegenhält, doch Stegner gibt Gegenfeuer. Dass dieser Krieg nur mit weiteren Waffen beendet werden könnte, sei nur eine Hypothese. „Ich kenne keine Panzer, die Leben retten. Ich kenne nur Panzer, die Leben beenden.“ Deutschland müsse „im westlichen Bündnis im Einvernehmen handeln“, sagt Stegner. „Bei militärischer Hilfe steht uns die Führungsrolle nicht zu, nach dem, was wir im letzten Jahrhundert angerichtet haben“. Die Deutschen sollten stattdessen lieber „mit gutem Beispiel vorangehen. Bei humanitärer, ökonomischer und finanzieller Hilfe“.
Stegner bei „Lanz“ im ZDF: „Ich bin nicht Sahra Wagenknecht und auch nicht in der AfD“
„Ich habe große Sympathie für diese Haltung“, beteuert Lanz, legt aber nach. Die Konsequenz für die Ukraine sei dann wohl: „Ergebt Euch, und dann seid ihr ‘ne russische Provinz.“ Stegner nimmt das als persönlichen Treffer. „Das ist eine Karikatur, die müssen Sie mir nicht vorhalten“, blafft er Lanz an. „Ich bin nicht Sahra Wagenknecht und auch nicht in der AfD.“ Da die Angesprochenen aber bei Lanz nicht eingeladen sind, muss er den ungeliebten politischen Gegner nun im Schulterschluss mit verteidigen, ob er will oder nicht.
Und Lanz gibt nicht auf: „Ohne diese Waffenlieferung wäre die Ukraine längst eine russische Provinz“, mahnt er Stegner. Der bleibt ruhig: Die öffentliche Debatte drehe sich immer nur um Waffen. Er fordert die alte Debattenkultur zurück: Man dürfe doch wohl „diskutieren, dass es verschiedene Wege zum Frieden gibt“, sagt er. Lanz versucht es nochmal. „Waffen beenden keine Kriege? Ich würde dem deutlich widersprechen.“ Stegner stellt klar: „Lieber Herr Lanz, ich bin kein Pazifist. Aber wir können da im warmen Studiosessel leicht drüber diskutieren.“ Lambsdorff wirkt geradezu versöhnlich. Er lobt Scholz für das Gespräch mit Putin.
Da hakt Liana Fix nochmal ein: Russland sei „gar keine so erfolgreiche Militärmacht“, wie man immer meine. Das Land habe nur „Glück gehabt“. Ihre These: „Der Mythos der russischen Überlegenheit ist entlarvt.“ „Wissenschaft kann das kühl betrachten“, pfeift Stegner sie zurück, aber „Diplomatie hat immer die Aufgabe der Deeskalation“.
Ein bemerkenswerter Einspieler zeigt eine Talkrunde aus dem russischen Fernsehen. Man hört verschiedene Meinungen, sogar Kritik am Kreml. Alles sehr erstaunlich, da ist sich die Runde bei Lanz einig. Lambsdorff wundert sich, dass es ausgerechnet dort eine gewisse Ausgewogenheit gab und nicht eine Übermacht von Gästen, die auf einen Andersdenkenden „eindreschen“. Lanz scheint sich tatsächlich ertappt zu fühlen: „Ich versuche gerade, das Gesicht von Herrn Stegner zu deuten.“
Fazit des Talks bei Markus Lanz:
Lanz verließ seine Moderatorenrolle und wurde zum Mitdiskutanten. Die Mehrheit seiner Gäste entsprach – Überraschung – seiner eigenen Meinung. Wie um das abzufedern, begann Lanz diese Sendung mit einem völlig anderen Thema: Die Liveschaltung nach London aus Anlass des Todes der Königin wirkte allerdings wie ein Fremdkörper. Die wenig erstaunliche Erkenntnis: Jüngere Briten können mit der Monarchie nicht mehr viel anfangen. Interessanter: Lanz nennt den König immer noch „Prinz Charles“. (Michael Görmann)