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Minderheitsregierung: So ganz ohne Erfahrung ist Deutschland nicht

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Sie regierten in Minderheitsregierungen: Klaus Wowereit (SPD, l.) in Berlin, Reinhard Höppner (SPD, M.) in Sachsen-Anhalt und Hannelore Kraft (SPD, r) in NRW.
Sie regierten in Minderheitsregierungen: Klaus Wowereit (SPD, l.) in Berlin, Reinhard Höppner (SPD, M.) in Sachsen-Anhalt und Hannelore Kraft (SPD, r) in NRW. © dpa

Ist das Projekt Minderheitsregierung ein Schrecksgespenst, oder könnte sie im Bund funktionieren? Oft wird vergessen, dass es sie auf Landesebene schon gab - immer unter Führung der SPD.

Berlin - Eine Minderheitsregierung, wie sie nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen jetzt im Gespräch ist, gibt es etwa in den skandinavischen Ländern immer wieder. In Deutschland wäre das Modell auf Bundesebene eine Premiere, und auch in den Bundesländern ist es bislang die Ausnahme. Es kommt allerdings immer wieder vor, das ein Regierungschef nach dem Bruch einer Koalition mit einem Minderheitskabinett weitermacht, bis es Neuwahlen gibt. Das sind dann aber nur Übergangslösungen.

In welchen Ländern gab es bislang Minderheitsregierungen?

Sachsen-Anhalt: Das wohl bekannteste Beispiel einer Minderheitsregierung ist das "Magdeburger Modell". 1994 bildete die SPD mit Reinhard Höppner in Sachsen-Anhalt eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der PDS toleriert wurde. Nachdem die Grünen 1998 aus dem Landtag flogen, wurde das Modell mit einer reinen SPD-Minderheitsregierung fortgesetzt. Diese hielt bis zur Landtagswahl 2002.

Berlin: Das Modell einer PDS-tolerierten Minderheitsregierung gab es 2001 auch im Land Berlin. Nachdem die große Koalition unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) an der Berliner Bankenaffäre gescheitert war, ließ sich Klaus Wowereit (SPD) im Abgeordnetenhaus zum Nachfolger wählen. Er regierte einige Monate mit einer rot-grünen Minderheitsregierung, die von der PDS gestützt wurde.

Das war nicht der erste Minderheitssenat in Berlin: 1981 ließ sich Richard von Weizsäcker zum Regierenden Bürgermeister wählen, obwohl die CDU bei der damaligen Abgeordnetenhauswahl die absolute Mehrheit knapp verfehlt hatte. Weizsäcker hatte die Unterstützung einiger Abgeordneter von der FDP - die 1983 dann auch als Koalitionspartner in den Senat eintrat.

Nordrhein-Westfalen: Nachdem bei der Landtagswahl 2010 die schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ihre Mehrheit verloren hatte, wurde eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft gebildet. Diese hielt bis 2012. Dann kam es zu vorgezogenen Neuwahlen, bei denen Rot-Grün die Mehrheit errang.

Welche Möglichkeiten gäbe es im Bund?

Sollte sich die Union zu einer Minderheitsregierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durchringen, könnte sie diese entweder alleine stellen - oder zusammen mit der FDP beziehungsweise den Grünen. Einer schwarz-gelben Koalition würden nur 29 Sitze zur Mehrheit fehlen, einer schwarz-grünen 42. Auch was die Mehrheitsbeschaffung betrifft, gäbe es mehrere Varianten: Es könnte mit wechselnden Mehrheit regiert werden oder - analog zum Magdeburger Modell - auf der Grundlage einer dauerhaften Tolerierung.

Ein Problem wäre allerdings die AfD: Denn es stünde der Union schlecht zu Gesicht, wenn ein Gesetz im Bundestag nur mit den Stimmen der Rechtspopulisten zustande kommen würde. Doch die CDU/CSU kann nicht verhindern, dass die AfD für ihre Vorlagen votiert. Das Problem ließe sich nur dadurch umgehen, dass sich die Union vor einer Abstimmung die Unterstützung anderer Fraktionen als der AfD sichert - ein mühsames Prozedere, das eine Minderheitsregierung nicht gerade einfach macht.

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AFP

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