Lebenslang für Zschäpe: Nur ihre Finger verrieten, wie es ihr in diesem Moment ging

Im NSU-Prozess hat die wegen mehrfachen Mordes angeklagte Beate Zschäpe die Höchststrafe erhalten. Einige Punkte im Prozess waren juristisch umstritten.
München - Beate Zschäpe sitzt starr auf ihrem Stuhl. Der Rücken gerade, das Gesicht reglos. Alleine ihre Finger verraten, dass die gerade von Richter Manfred Götzl verhängte Höchststrafe sie getroffen haben muss. Fest verschränkt, fast verkrampft hält Zschäpe ihre Hände gefaltet zusammen, ihre Daumen bearbeiten die Handgelenke. Erhält Götzls Urteil Rechtskraft, wird die 43-Jährige wohl erst ab dem Jahr 2030 auf eine Rückkehr in Freiheit hoffen können.
Nach einem mehr als fünf Jahren dauernden Mammutprozess hat das Oberlandesgericht München Beate Zschäpe als Mittäterin an den Morden und Gewalttaten des rechtsextremen NSU zur Höchststrafe verurteilt. Das Gericht verhängte am Mittwoch gegen die 43-Jährige unter anderem wegen zehnfachen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe und stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Vier als NSU-Helfer mitangeklagte Männer erhielten Haftstrafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren.
Das Oberlandesgericht verurteilte Zschäpe nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen versuchten Mordes, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und schwerer Brandstiftung. Es folgte mit der verhängten Strafe der Forderung der Bundesanwaltschaft in dem Prozess um die Mordserie der rechtsextremen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Beate Zschäpe vor Gericht: Diese Punkte waren juristisch umstritten
Juristisch umstritten war vor allem, ob Zschäpe als Mittäterin an den zehn dem NSU zugerechneten Morden, zwei Bombenanschlägen und fünfzehn Raubüberfällen zu verurteilen war, obwohl sie an keinem der Tatorte der Morde und Anschläge anwesend gewesen sein soll. Die Taten sollen die 2011 mutmaßlich durch Suizid ums Leben gekommenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangen haben.
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Die ursprünglichen drei Verteidiger Zschäpes und auch die erst im späteren Verlauf ins Verfahren eingestiegenen zwei weiteren Verteidiger hatten im Wesentlichen nur eine Verurteilung wegen Brandstiftung als erwiesen angesehen. Zschäpe hatte gestanden, 2011 das letzte Versteck des Trios in Zwickau in Brand gesetzt zu haben. Beide Verteidigergruppen wollten wegen der Gewalttaten einen Freispruch und wegen der Brandstiftung maximal zehn Jahre Haft.
Mehrjährige Haftstrafen für NSU-Helfer
Gegen die mitangeklagten vier NSU-Helfer Ralf Wohlleben, André E., Holger G. und Carsten S. verhängte das Gericht mehrjährige Haftstrafen. Der frühere NPD-Funktionär Wohlleben wurde wegen Beihhilfe zum Mord zu einer Strafe von zehn Jahren verurteilt. Er soll die für neun Morde benutzte Ceska-Pistole beschafft haben.
Carsten S. wurde ebenfalls wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Er erhielt eine Jugendstrafe von drei Jahren, weil er zur Tatzeit noch Heranwachsender war. Er soll ebenfalls eine zentrale Rolle beim Beschaffen der Ceska-Pistole gehabt haben. Die Angeklagten E. und G. wurden wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb Jahren beziehungsweise drei Jahren verurteilt.
Beate Zschäpe: 13 Jahre lang Straftaten aus Untergrund verübt
Die nach der Wiedervereinigung in der rechtsradikalen Szene in Thüringen aktiven Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren nach dem Auffliegen einer Bombenwerkstatt in Jena Anfang 1998 untergetaucht. In den folgenden 13 Jahren im Untergrund verübten sie unentdeckt von der Polizei ihre Straf- und Gewalttaten. Erst nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos wurden die rechtsextremen Motive dieser Morde und des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn bekannt.
Die Tatserie sorgte bundesweit für Entsetzen. Mehr als ein Dutzend parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Bund und Ländern stellte ein eklatantes Versagen von Polizei und Verfassungsschutz fest. Insbesondere die Rolle des Verfassungsschutzes sorgt für bis heute andauernde scharfe Kritik.
Außenminister Maas kommentiert Zschäpe-Prozess auf Twitter
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erinnerte nach der Urteilsverkündung an die Opfer der Mordserie. "Was die Täter angerichtet haben, ist durch nichts wiedergutzumachen", erklärte Maas auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter. "Die Opfer bleiben unvergessen", schrieb er unter dem Schlagwort #keinSchlusstrich.
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afp