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„Die SPD ist schon oft totgesagt worden“

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Von: Christoph Hollender

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„Uns geht es richtig schlecht“, sagt Ulrich Maly (SPD).
„Uns geht es richtig schlecht“, sagt Ulrich Maly (SPD). © Marcus Schlaf

Der SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg, Ulrich Maly, ist auch nach dem Wahl-Fiako der Genossen in Bayern davon überzeugt, dass es die SPD weiter braucht.  Das sagt er im Interview mit dem Münchner  Merkur.

Ulrich Maly: Seit 2002 SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg. Als am Sonntag die Prognose im Fernsehen läuft, sitzt der 58-Jährige mit seiner Frau im Wohnzimmer. Was er fühlt? Trauer, Enttäuschung, Schock. Alles auf Natascha Kohnen zu schieben, sei nach dem Wahlergebnis von 9,7 Prozent falsch, sagt er. Warum es die SPD braucht und die Grünen „leistungslos“ sind. 

Herr Maly, wird es nicht langsam Zeit, dass Sie in die Landespolitik wechseln, um die SPD zu retten?

Das sehe ich genau wie Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter.

Das heißt?

Nein! Ich bin Ende 50, ein alter Mann und nicht die Erneuerung der SPD...

...die sie anscheinend braucht. Muss es nach diesem Wahlergebnis keine Personaldebatte in der Bayern-SPD geben?

Ist das Köpferollen das, was es jetzt braucht? Gibt es noch das Recht auf Niederlage in der Politik? Zu sagen, der schafft es nicht, weg damit, ist mir zu einfach.

Im Gespräch mit Merkur-Reporter Christoph Hollender - SPD-Abgeordnete sagt: „Es fühlt sich fast an wie eine Amputation“

Wie geht es dann weiter?

Ich komme mir vor, als hätte ich ein Puzzle mit 500 Teilen vor mir ausgeschüttet. Jeder Puzzlestein ist eine Hypothese, an was es liegt. Und diese Teile schauen wir jetzt alle an. Wenn am Ende klar wird, dass ein anderer Kopf das vielleicht besser kann, dann ist das so. Aber jetzt zu sagen, Natascha Kohnen hat alles falsch gemacht, ist zu leicht.

Das sieht der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn anders: Er will einen radikalen Schnitt.

Wenn man sich anschaut, wer das sagt, wundert es mich nicht. Dass alles auf den Prüfstand muss, hat auch Natascha Kohnen gesagt. Das ist aussagekräftig genug. Bei zu schnellen Diagnosen und Therapien dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Krankheit nicht weggeht.

Der Fall der SPD ist ein bundesweites Phänomen.

Als Anhänger des 1. FC Nürnberg bin ich immer Optimist. Die SPD ist schon oft totgesagt worden. Hans-Jochen Vogel (Anmerk. d. Red.: Ehemaliger SPD-Bundesvorsitzender) wurde mal gefragt: Ist das Jahrhundert der Sozialdemokratie nicht vorbei? Vogel hat geantwortet, dass die SPD entstanden ist, weil es so viel Ungerechtigkeit auf der Welt gab. Die SPD sei dann überflüssig, wenn man sich darauf verständigen könne, dass die Welt nicht mehr ungerecht sei. Ich glaube, dass das immer noch stimmt.

Was muss die SPD in Bayern tun, um besser zu werden?

Wir müssen es in einer Welt 4.0 schaffen, unsere Politik der Gerechtigkeit zu übersetzen. Dass die Menschen sie wieder verstehen. Wir müssen wieder Vertrauen herstellen. Und wir müssen die ökologische Komponente in der SPD aufbauen. Gerade Menschen in Großstädten wie Nürnberg und München brennen auf dieses Thema.

Mehr Grün in Rot?

Wer über Ökologie und Nachhaltigkeit nachdenkt, ist nicht automatisch ein Grüner.

Schwingt da Groll auf die Grünen mit?

Ich habe nur ein bisschen das Gefühl, dass der Wahlerfolg der Grünen bei der Landtagswahl „leistungslos“ ist, weil sie weder im Bund, im Land noch in München Verantwortung tragen. Da redet es sich leichter. Aber das hat nichts mit Groll zu tun. Ich bewundere die Grünen. Sie haben eine super Performance hingelegt, der Generationenwechsel ist ihnen geglückt.

Und das hat die SPD nicht verstanden? Sich dem „Lifestyle“ anzupassen?

Das Lifestyle-Argument halte ich für falsch. Wenn man sich München anschaut und die Stimmen der Grünen und der FDP zusammenzählt, sind sie bei rund 40 Prozent. Wenn ich das vorsichtig interpretiere, dann ist das eine wahrscheinlich gut verdienende bildungsbürgerliche Schicht, die es sich leisten kann, die Parteien zu wählen. In Nürnberg schaut das ganz anders aus. Weil die soziale Schicht anders ist.

In München hat die SPD massiv verloren. In einer Stadt, in der ein SPD-Bürgermeister regiert.

Das Argument mit dem Oberbürgermeister spielt keine Rolle. Weder Dieter Reiter noch ich standen am Sonntag zur Wahl. Wobei ich nicht behaupten will, dass es dann anders ausgegangen wäre.

Das Gespräch führte Christoph Hollender

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