EU-Gipfel einigt sich zumindest auf Waffen-Lieferungen: 500 Millionen Euro für die Ukraine
Kanzler Scholz steht beim EU-Gipfel oft auf der Seite der Bremser. Nach einer langen Gipfelnacht taten sich erste Risse in dem bislang geschlossen handelnden Staatenblock auf. News-Ticker.
- Die Staats- und Regierungschefs sind zu einem EU*-Gipfel in Versailles zusammengekommen.
- Kanzler Olaf Scholz* drückte am ersten Tag schon vielfach mit Kollegen auf die Bremse (siehe Erstmeldung).
- Die EU-Mitgliedschaft der Ukraine spaltet (Update vom 11. März, 12.25 Uhr).
- Dieser News-Ticker zum EU-Gipfel in Versailles wird fortlaufend aktualisiert.
Update vom 11. März, 16.55 Uhr: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat dem Wunsch der Ukraine nach beschleunigter Aufnahme in die Europäische Union eine klare Absage erteilt. „Können wir ein beschleunigtes oder außerordentliches Verfahren mit einem Land im Krieg haben, ohne auf irgendwelche Kriterien zu gucken? Die Antwort lautet Nein“, sagte Macron am Freitag nach einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU in Versailles.
Macron sagte, er verstehe die Emotionen und die Erwartung. Man habe die starke, klare und unmissverständliche Nachricht gesendet, dass die Ukraine Teil der europäischen Familie sei. Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen sagte, der Vorgang sei bereits sehr anders. „Es gibt ein enormes Tempo im Verfahren“, sagte sie mit Blick auf die zurückliegenden Tage.
EU-Gipfel einigt sich zumindest auf Waffen-Lieferungen: 500 Millionen Euro für die Ukraine
Update vom 11. März, 15.50 Uhr: Die EU will weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Das kündigte EU-Ratschef Charles Michel am Freitag nach Beratungen der Staats- und Regierungschefs im französischen Versailles an.
Das Geld für die militärische Unterstützung kommt aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität. Sie ist ein neues Finanzierungsinstrument der EU, das auch genutzt werden kann, um die Fähigkeiten von Streitkräften in Partnerländern zu stärken. Für den Zeitraum von 2021 bis 2027 ist die Friedensfazilität mit rund fünf Milliarden Euro ausgestattet.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält indes an seinem Nein zu einem Importstopp für russische Energie fest. „Es ist eine bewusste, begründete und nachvollziehbare Entscheidung, dass wir jedenfalls von unserer Seite aus die Importe, die wir heute im Bereich der Energie haben in Europa, nicht einstellen werden“, sagte Scholz am Freitag nach dem Gipfel.
Update vom 11. März, 12.25 Uhr: Die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft für die Ukraine spaltet die europäischen Staats- und Regierungschefs. „Wir sprechen über eine Einladung in die Europäische Union, nicht nur in die europäische Familie, das sind zwei unterschiedliche Dinge“, sagte Sloweniens Regierungschef Janez Jansa am Freitag in Versailles. Es sei wichtig, der Ukraine diese Perspektive zu geben, betonte der litauische Präsident Gitanas Nauseda. „Sie kämpfen für ihre Freiheit, aber auch für ihre Zukunft in Europa“, betonte er.
Nach einer mehrstündigen Debatte am ersten Tag des informellen Gipfeltreffens hatten die 27 europäischen Staats- und Regierungschefs am frühen Freitagmorgen eine vage formulierte Erklärung veröffentlicht. Die Ukraine sei „Teil unserer europäischen Familie“, heißt es beispielsweise (siehe Erstmeldung). Er empfinde dabei „eine gewisse Enttäuschung“, sagte Nauseda. Die Formulierung hätte stärker sein können, aber es sei „ein Kompromiss“ gewesen. „Wir werden auf das Thema zurückkommen“, sagte er mit Blick auf den nächsten regulären EU-Gipfel in Brüssel in zwei Wochen.
Die älteren und westlichen EU-Mitglieder zeigen sich deutlich skeptischer. „Wir haben die Tür zu einer schnellen Annäherung an die EU geöffnet“, sagte etwa der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo. „Es gibt einen Beitrittsprozess, dessen Etappen alle respektiert werden müssen. Ansonsten würden wir einen schweren Fehler machen“, betonte De Croo.
Scholz arg in Bedrängnis: EU-Gipfel ringt stundenlang um Sanktionen - mit mauem Ergebnis
Erstmeldung vom 11. März: Versailles - Seit Beginn des Ukraine-Kriegs bemüht sich die Europäische Union um Einigkeit. Doch bei so einigen Themen droht die Geschlossenheit wieder zu bröckeln. Am ersten Tag des EU-Gipfel-Treffens im französischen Versailles (10. März) rangen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU rund acht Stunden um das weitere Vorgehen rund um den eskalierten Ukraine-Konflikt*. Scholz stand vielfach auf der Seite der Bremser.
EU-Gipfel zum Ukraine-Krieg: Scholz unter Druck - Kanzler rechtfertigt seine Energie-Position
Unter Druck gerät der deutsche Kanzler vor allem wegen seiner Ablehnung eines Einfuhrstopps für Öl, Gas und Kohle aus Russland. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte Deutschlands Haltung zuletzt deutlich. Gehöriger Gegenwind kam etwa vom lettischen Premierminister Krisjanis Karins: „Ich bin überzeugt, dass wir die Entscheidung treffen sollten, Energieimporte aus Russland zu stoppen, um Putin zum Verhandlungstisch zu bringen und den Krieg zu beenden.“ Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, betonte, man müsse eine klare Botschaft senden und die russischen Exporte beschränken. Beide stellten sich damit auf die Seite von Ländern wie Polen und Litauen.
In Versailles sagte Scholz, man bedenke bei den Sanktionen der EU* sehr präzise, wie man die russische Regierung davon überzeugen könne, dass sie den Krieg beendet. Gleichzeitig gehe es darum, möglichst geringe Auswirkungen auf Europa sicherzustellen. „Diesen Kurs sollten wir auch weiter verfolgen.“ Unterstützung bekam Scholz von Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). In der am frühen Freitagmorgen veröffentlichten Gipfel-Erklärung hieß es schließlich allgemein, man sei bereit, schnell mit weiteren Sanktionen zu handeln.

Gipfel in Versailles: Schneller EU-Beitritt der Ukraine? Meinung gespalten
Deutliche Spannungen zeigten sich beim Gipfel auch bei der Frage, wie mit dem ukrainischen Wunsch nach einer schnellen Aufnahme in die EU* umgegangen werden soll. So erteilte der niederländische Premier Mark Rutte dem Anliegen eine klare Absage. „Einen beschleunigten Beitritt, so etwas gibt es nicht“, sagte er. Sein luxemburgischer Kollege, Xavier Bettel, sagte, er sei kein Regelfetischist, aber es gebe Bedingungen für einen EU-Beitritt. Scholz äußerte sich ähnlich. „Es ist ganz wichtig, dass wir die Dinge, die wir ja auch in der Vergangenheit beschlossen haben, weiter verfolgen“, sagte er.
Der slowenische Regierungschef Janez Jansa attestierte nach dem ersten Gipfel-Tag ein gespaltenes Meinungsbild. Die Mehrheit sehe, dass die Ukraine im Krieg sei und die Menschen um ihr Leben kämpften, andere debattierten noch immer über das Verfahren. Konkrete Zusagen werden der Ukraine in der Abschlusserklärung nicht gemacht. Stattdessen heißt es nur, die Ukraine gehöre zur „europäischen Familie“. Dabei hatten auch Länder wie Estland und Litauen eindringlich dafür geworben, Kiew mehr entgegenzukommen.
Ukraine-Krieg: EU berät über Waffen und wirtschaftliche Folgen - Scholz verweist auf Corona-Hilfen
Aber bei einem anderen Thema könnte es weitergehen: Die ukrainischen Streitkräfte könnten weitere Waffen und Ausrüstung aus der EU bekommen. Nach Angaben von EU-Ratspräsident* Charles Michel schlug der Außenbeauftragte Josep Borrell den Staats- und Regierungschefs beim Gipfel vor, für zusätzliche Lieferungen 500 Millionen Euro zu mobilisieren. Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden.
Noch ein weiteres brisantes Thema beim zweitägigen Gipfel ist der Umgang mit Auswirkungen des Krieges auf die wirtschaftliche Entwicklung in der EU. So hat Frankreich die Idee ins Spiel gebracht, wie schon in der Corona-Krise* ein schuldenfinanziertes Unterstützungsprogramm zu beschließen. Länder wie Deutschland und die Niederlande halten dies zum derzeitigen Zeitpunkt für nicht notwendig und verweisen darauf, dass erst einmal das 800 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfspaket aufgebraucht werden sollte.
Der Gipfel wird am Freitag fortgesetzt. Dann wollen die EU-Spitzen über Möglichkeiten für eine stärkere Unabhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung und den Ausbau der gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit beraten. Mehr zu den Verhandlungen im Ukraine-Krieg lesen Sie in unserem News-Ticker. (dpa/cibo) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.