Streit um Flugreisen: Bundestags-Abgeordnete flogen 2018 mehr - Grüne an der Spitze

Das Reiseverhalten der Bundestags-Abgeordneten steht in der Klimaschutzdebatte im Fokus. Eine neue Statistik zeigt: Die Grünen flogen zuletzt am häufigsten.
Update vom 11. August, 16.30 Uhr:
In der Klimaschutzdebatte werden Forderungen laut, zur Vermeidung von Treibhausgasen auch das Flugverhalten der Bundestagsabgeordneten auf den Prüfstand zu stellen. Angesichts zuletzt gestiegener Flugstrecken der Parlamentarier mahnte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), die Dienstflüge müssten durch Zahlungen in Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Linken-Chefin Katja Kipping forderte, die Abgeordneten sollten Inlandsflüge nicht mehr bezahlt bekommen.
Nun gibt es neue Zahlen, die den Druck verschärfen könnten: Im vergangenen Jahr legten die Abgeordneten des Bundestags größere Strecken per Flieger zurück als im Vorjahr. Wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Samstag unter Berufung auf Angaben der Bundestagsverwaltung berichteten, flogen die Parlamentarier 2018 insgesamt mehr als neun Millionen Flugmeilen. 2017 waren es noch 7,4 Millionen Meilen gewesen.
Im Vergleich zu den Jahren 2015 und 2016 verbesserte sich die Flugbilanz der Abgeordneten demnach aber. In diesen beiden Jahren kam der damals noch deutlich kleinere Bundestag auf jeweils mehr als elf Millionen Flugmeilen.
Nach Angaben der Bild-Zeitung vom Samstag rechneten die insgesamt 709 Bundestagsabgeordneten seit Beginn der Legislaturperiode bei der Bundestagsverwaltung 1182 Dienstreisen ab, fast alle davon mit dem Flugzeug. Abgeordnete von CDU und CSU unternahmen demnach 330 Einzeldienstreisen, SPD-Abgeordnete 168. Pro Kopf seien jedoch die Grünen-Abgeordneten am häufigsten geflogen: innerhalb von zwei Jahren 126 mal.
Als Begründung gab die Fraktion demnach an, Aufgabe der Abgeordneten sei es, sich umfassend zu informieren, um parlamentarische Initiativen auf einer "validen Wissensgrundlage" auf den Weg bringen zu können. Dafür sei der Dialog mit Fachleuten vor Ort besonders wichtig, erklärte die Grünen-Fraktion der "Bild"-Zeitung zufolge. Ob Flugreisen erforderlich seien, werde auch weiterhin kritisch geprüft, für Dienstreisen per Flugzeug werde "eine CO2-Kompensation vorgenommen".
Zum Thema Klimaschutz dürfte sich am Sonntag auch SPD-Interimschefin Manuela Schwesig im ZDF-Sommerinterview äußern.
Streit um Flugreisen: Kipping will jetzt auch Abgeordnete in den Zug zwingen
Update vom 29. Juli, 10.55 Uhr: Im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe regt Linken-Chefin Katja Kipping an, strengere Regeln für Dienstreisen von Abgeordneten und Ministeriumsmitarbeitern zu erlassen. Flugreisen im Inland sollten ihnen im Regelfall nicht mehr erstattet werden, forderte sie am Sonntag im Sommerinterview des ZDF. Wenn Politiker und Spitzenbeamte dann stärker auf gute Zugverbindungen angewiesen seien, steige auch der Anreiz, in den Bahnverkehr zu investieren.

Nach Angaben desBundesumweltministeriums schreibt das Bundesreisekostengesetz bislang vor, das jeweils kostengünstigste Verkehrsmittel für Dienstreisen zu nutzen - häufig ist dies wegen der billigen Tickets das Flugzeug. Das Ministerium fordert ähnlich wie Kipping Änderungen. Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit einer Dienstreise sollten künftig gleichrangig bewertet werden, Bahnfahren dann zur Regel werden. Einen entsprechenden Vorschlag hat das Ministerium dem sogenannten Klimakabinett vorgelegt, dem Ausschuss der Bundesregierung speziell für den Klimaschutz.
Pläne, das Fliegen zu verteuern, gibt es in allen drei Parteien der großen Koalition, also bei CDU, CSU und SPD. Zuletzt hatte die CSU ein entsprechendes Konzept vorgestellt. Im Gegenzug könnten Bahntickets im Fernverkehr über eine Steuersenkung günstiger werden. Eine Erhöhung der Abgaben im Flugverkehr könnte Teil eines Pakets werden, auf das das Klimakabinett der Bundesregierung sich am 20. September einigen will.
Zum Klimawandel und möglichen Gegenmaßnahmen hatte sich am Sonntag auch Grünen-Chefin Annelena Baerbock im Sommerinterview der ARD geäußert. Kritik an der Klimadebatte äußerte am Montag hingegen eine ARD-Journalistin - sie fühlt sich wegen ihres SUV zu Unrecht am Pranger.
Update vom 26. Juli, 16.50 Uhr: Mit im Streit um die Kosten für Flug- und Bahntickets hat die CSU erste Eckpunkte für ein neues Klimakonzept erarbeitet - enthalten ist darin auch der Plan, Inlandsflüge zu verteuern, wie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem Münchner Merkur* verriet.
Drastische Zahl zu Habeck-Vorstoß: So oft flogen Bundesmitarbeiter 2018 durch Deutschland
Update vom 25. Juli, 16.30 Uhr: Die Mitarbeiter der Bundesministerien und ihrer Behörden haben im vergangenen Jahr 229 116 Flüge im Inland absolviert. Dies berichtete die Welt unter Berufung auf das Innenministerium, das diese Dienstreisen erfasst. Auch in angegliederten Institutionen wie Bundesamt für Migration, Bundesbank oder Kreditanstalt für Wiederaufbau gehören der Anfrage nach Reisen per Flugzeug zum Arbeitsalltag.
Bei den Ministerien gehört das Verteidigungsressort zu den größten Vielfliegern. Seine Mitarbeiter flogen 2018 insgesamt 13 437 Mal inländisch, also 1119 Mal pro Monat.
Die Strecke von Berlin nach Bonn ist für die Ministerien wichtig, weil alle Ministerien zwei Dienstsitze haben - einer befindet sich in Berlin, einer in Bonn. Allein die Mitarbeiter des Ressorts für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung flogen im vergangenen Jahr dem Bericht zufolge 4490 Mal diese Strecke. Eine Fahrt mit dem Zug dauert dabei fünf Stunden, ein Flug eine Stunde und 15 Minuten.
Grüne fliegen besonders häufig - nur weil es billiger ist
Update vom 24. Juli, 19.30 Uhr: Die Grünen-Wähler fliegen zwar besonders häufig (siehe unten). Ihre Partei will nun aber in die andere Richtung steuern - indem sie die deutschen Beamten bei der Nutzung von Inlandsflügen einbremst. Bislang seien Beamte und Berater von Ministerien oft gehalten zu fliegen, weil es günstiger sei, sagte Grünen-Chef Robert Habeck nun in einem Interview mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Ich fände es richtig, das zu ändern", erklärte er. "Der Staat muss beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle übernehmen."
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Festgeschrieben werden solle in der Bundesreisekostenverordnung, "dass in der Regel die klimafreundlichste Alternative genutzt werden sollte". Das werde Binnenflüge deutlich reduzieren, sagte Habeck. Für Unternehmen werde das ein Anreiz sein, sich anzuschließen, sagte er.
Eine umstrittene Forderung seiner Partei bekräftigte der Grüne: Bis 2035 solle es keine Inlandsflüge in Deutschland mehr geben. Dafür müssten aber die Bahnstrecken "massiv ausgebaut werden". Habeck forderte entsprechende steuerliche Anreize. Kerosin für Binnenflüge solle normal besteuert werden, im Gesetz stehe dies auch so. Es gebe aber eine Ausnahme für die gewerbliche Luftfahrt. Diese Ausnahme müsse nur gestrichen werden.
Zusätzliche Einnahmen sollten verwendet werden, um Bahntickets günstiger zu machen - etwa über eine geringere Mehrwertsteuer. Eine solche Steuersenkung hatte auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im April vorgeschlagen.
Kurz nach Habeck meldete sich mit Blick auf den Klimawandel auch die Grüne-Bundestagsfraktion zu Wort: Sie fordern Maßnahmen für einen besseren Umgang mit Hitze - darunter ein Recht auf Hitzefrei und Homeoffice.
Grünen-Chef Habeck will Fliegen teurer machen - damit trifft er einen wunden Punkt
Update vom 22. Juli, 10.30 Uhr: In der Debatte um die richtigen Maßnahmen zum Klimaschutz springt Grünen-Chef Robert Habeck nun Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zur Seite. Im ZDF-Sommerinterview forderte er, Flugtickets teurer zu machen und dafür das Bahnfahren zu vergünstigen.
„Würde man beispielsweise Flüge in Deutschland besteuern, also die Kerosinsteuer, wie es eigentlich im Gesetz vorgesehen ist, wieder einführen für den innerdeutschen Luftverkehr, würde das innerdeutsche Fliegen teurer werden“, sagte Habeck. „Und es würde eins zu eins der Summe entsprechen, die wir brauchen, um die Mehrwertsteuer auf Bahntickets abzusenken.“
Grünen-Chef Robert Habeck fordert CO2-Steuer - „Zukunft günstiger machen“
Auch eine CO2-Steuer sei nötig, sagte Habeck, ohne sie werde es nicht gehen. „Die Wirtschaft, der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung, also die Expertise der Bundesregierung selbst, sagt, wir brauchen eine CO2-Besteuerung, Frau von der Leyen hat das gesagt.“ Die politische Mehrheit für eine solche Besteuerung bilde sich also ab, so Habeck.
„Wir müssen die Vergangenheit teurer machen und die Zukunft günstiger“, forderte der Grünen-Chef. Fossile Energien sollten teurer gemacht und das Geld dann über eine Reduzierung des Strompreises und über eine direkte Auszahlung an die Menschen zurückgezahlt werden.
Die Debatte um die Einführung einer CO2-Steuer hatte zuletzt an Fahrt gewonnen, nachdem die Wirtschaftsweisen eine entsprechende Bepreisung vorgeschlagen hatten. Im September will die Bundesregierung ihr Klimaschutzgesetz und damit entsprechende Maßnahmen zum Schutz des Klimas vorstellen.
Habeck sagte, er sei sich sicher, dass die Bundesregierung im September etwas Ähnliches wie eine CO2-Steuer vorschlagen werde. „Nur ist sie wieder zu spät. Sie humpelt aller politischen Entwicklung hinterher.“
Erstmeldung vom 19. Juli 2019: Grünen-Wähler schämen sich: Das macht sie zu den größten Luftverschmutzern
Mannheim - Vor allem innereuropäische Flüge sind in den letzten Jahren beinahe unverschämt günstig geworden. Ein Kurztrip von München nach London kostet teilweise gerade einmal zwölf Euro. Flugreisen werden dadurch immer beliebter - und das mitten in der bislang größten Klima-Debatte.
Flüge billig wie nie: Grünen-Wähler fliegen am meisten
In Deutschland steigen ausgerechnet die Wähler der Grünen am häufigsten ins Flugzeug. Diesen Widerspruch förderte eine noch nicht offiziell veröffentlichte Umfrage der „Forschungsgruppe Wahlen“ zutage. Der Stern präsentierte die Ergebnisse bereits.
Bei der Frage, ob sie im letzten Jahr eine Flugreise angetreten hatten, ließen die Grünen-Wähler sogar die FDP hinter sich. Fast die Hälfte aller Befragten, 46 Prozent, mussten bejahen. Noch mehr gaben zu: „Ich fliege gerne.“
Die Liberalen sind ihnen dabei allerdings schwer auf den Fersen. 45 Prozent der FDP-Wähler haben ebenfalls eine Flugreise hinter sich. Abgeschlagen ist hingegen die AfD, nur knapp mehr als ein Viertel ihrer Wähler ist im vergangenen Jahr geflogen. Kurioserweise fliegen aber ausgerechnet sie am liebsten, 59 Prozent der AfD-Wähler steigen gerne in den Flieger. Dicht gefolgt von Anhängern der Union, die nur einen Prozentpunkt hinter der Alternative für Deutschland landen.
Grünen-Wähler buchen die meisten Flüge - haben aber ein schlechtes Gewissen
Anscheinend wäre es für die meisten Wähler der Grünen auch in Ordnung, mehr für diese Reisen zu bezahlen. 56 Prozent sind der Meinung, Flugtickets seien generell zu günstig.
Ob höhere Preise das schlechte Gewissen der Grünen-Fluggäste bereinigen würden? Fast 60 Prozent der Befragten räumten ein, sich für das Fliegen zu schämen.
Ganz anders sieht es hier wieder in Reihen der AfD aus. Weniger als ein Drittel der Parteianhänger hat beim Fliegen ein schlechtes Gewissen, nur 19 Prozent halten die Flugpreise für zu billig. Etwas mehr als jeder dritte Union-Wähler stimmte bei diesen Fragen mit „ja“.
Sind Flüge zu günstig? Umweltministerin Svenja Schulze mahnt
Die Ergebnisse der Studie könnten auch Umweltministerin Svenja Schulze den Rücken stärken. Unlängst mahnte sie, das Klimakabinett habe noch viel Arbeit vor sich und forderte höhere Flugpreise im Namen des Umweltschutzes.
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg wird das mit Freuden vernommen haben. Am Freitag schwärmte sie in Berlin von der großen Unterstützung der deutschen Umwelt-Demonstranten und stellte klar: „Ich werde nie aufgeben.“
In puncto Flugreisen handelte sich ein WDR-Redakteur kürzlich viel Spott und Häme ein: In einem Tagesthemen-Kommentar forderte er, Fliegen, Autos und Fleisch teurer zu machen. Das ging dann sogar einem Kollegen zu weit.
mb
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