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Experte zu Waffenlieferungen an die Ukraine: Diese finale rote Linie steht nicht zur Diskussion

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Von: Anna-Katharina Ahnefeld

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US-Soldat:innen verstärken im Ukraine-Krieg die Nato-Flanke in Osteuropa. Ein direktes Eingreifen der kampffähigen Nato-Streitkräfte in das Kriegsgeschehen ist jedoch keine Option.
US-Soldaten verstärken im Ukraine-Krieg die Nato-Flanke in Osteuropa. Ein direktes Eingreifen der kampffähigen Nato-Streitkräfte in das Kriegsgeschehen ist jedoch keine Option. © U.S. Army/Imago

Gepard, Leopard, jetzt Kampfjets? Die rote Linie hat sich in Russlands Krieg in der Ukraine immer weiter verschoben. Ein Tabu aber gibt es noch.

Berlin/Köln/Marburg – Die vermeintliche rote Linie hat sich in Russlands Krieg gegen die Ukraine schon oft verschoben. Viele sahen die Grenze erst beim Marder und Gepard, dann bei der Lieferung des Kampfpanzers Leopard. Schließlich hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einer wochenlangen Hängepartie auch dafür die Freigabe erteilt. Jetzt der Ruf nach Kampfjets zur Verteidigung gegen die russische Aggression in der Ukraine. Ein weiteres Agieren an der roten Linie.

Wolodymyr Selenskyj ist optimistisch, dass er die Kampfjets bekommt. Das machte er beim EU-Gipfel in Brüssel vergangene Woche deutlich. Es gebe im Hintergrund positive Entscheidungen. Nun ist Selenskyj dafür bekannt, sein öffentliches Auftreten sehr genau zu orchestrieren. Realistisch ist, dass bereits seit Wochen über die Lieferung von Kampfflugzeugen diskutiert wird – und nicht erst während des Gipfeltreffens. Doch sein entschiedenes Auftreten lässt die Debatte innerhalb der Europäischen Union weiter an Fahrt aufnehmen. In Deutschland verweigert sich Scholz der Diskussion um die Kampfjets momentan noch. Und auch seine sonst forscher agierende Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte kürzlich: „Es geht nicht um Spielzeug, sondern um schweres Kriegsmaterial.“

Russlands Krieg: Kampfjets an die Ukraine? Experte sieht gefährliche militärische Situation

Dennoch bleibt die Frage, ob rote Linien dafür da sind, immer wieder neu gezogen zu werden. Das will der Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA von Prof. Thorsten Bonacker vom Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg wissen. „Rote Linien hängen vom Kriegsgeschehen ab. Dieses ist aktuell davon gekennzeichnet, dass es der Ukraine gelungen ist, Gebiete zurückzuerobern. Jetzt befinden wir uns jedoch in einer für die Ukraine gefährlichen militärischen Situation“, analysiert Bonacker. Denn momentan formiere Russland seine Truppen neu. Und militärisch und personell sei Russland deutlich in der Übermacht, so der Soziologe. Befürchtet wird eine große russische Frühjahrsoffensive. Darauf müsse reagiert werden.

Gleichzeitig warnt er: „Die europäischen Partner und die Amerikaner müssen sich sehr genau überlegen, ob sie diesen Schritt gehen wollen. Die Lieferung von Kampfjets stellt eine neue Dimension in der militärischen Kampfführung der Ukraine dar.“ Generell müsse die rote Linie an zwei Koordinaten ausgerichtet werden. „Erstens, wie ist die militärische Situation, und muss man befürchten, dass Russland einen erneuten massiven Angriff auf die noch nicht eroberten Territorien, gegebenenfalls auch auf Kiew, startet? Zweitens, inwiefern wird die Nato direkte Kriegspartei – was vermieden werden muss“, so Bonacker. Eine Grenze stehe jedoch nicht zur Verhandlung: „Die finale rote Linie ist der Einsatz von Bodentruppen, die direkte Verwicklung in Kampfhandlung.“

Grüne zieht rote Linie: „Auseinandersetzung zwischen zwei Atommächten darf nicht riskiert werden“

Zustimmung erhält Bonacker dafür aus der Politik. Die Vize-Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es gibt eine klare rote Linie, und das ist das direkte Eingreifen in das Kriegsgeschehen. Eine Auseinandersetzung zwischen zwei Atommächten darf nicht riskiert werden.“ Gleichzeitig müsse jede Lieferung, jedes Waffensystem, sorgfältig abgewogen werden.

Die Diskussionen über weitere Waffenlieferungen sei mit den Panzern nicht beendet. Gerade zu Kampfflugzeugen gäbe es jedoch komplexe Fragen zu Wartung, Systembedienung und militärischem Personal zu beantworten. Die Sorge, dass die Lieferung eine neue Eskalationsstufe auslösen und Kampfjets etwa in den russischen Luftraum eindringen könnten, schwächt Brugger ab. „Es gibt verschiedene Gründe, die gegen eine Lieferung von Kampfflugzeugen aus Bundeswehrbeständen sprechen. Unabhängig davon hat Deutschland bereits eine führende Rolle bei der Lieferung von Panzern und Luftverteidigung geleistet, daher richtet sich diese Bitte eher an andere Partner. Die Ukraine hat sich in den vergangenen Monaten als ein zuverlässiger Partner gezeigt, der sich grundsätzlich an die Absprachen mit den unterstützenden Staaten hält. Die Waffen werden benutzt, um sich zu verteidigen und Gebiete zu befreien. Selbstverteidigung ist kein Beitrag zur Eskalation.“

Klar wird damit jedoch: Die Diskussion über Kampfjets dürfte so bald nicht beendet sein. Im Gegenteil, sie nimmt gerade erst an Fahrt auf.

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