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Nachhaltigkeit am Berg - Chiemgauer Paar meistert ersten Sommer auf Priener Hütte

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Von: Christina Eisenberger

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Rosa und Sebastian Lohrmann haben sich recht spontan für ein Leben auf der Priener Hütte entschieden. © ce

Zu Besuch auf der Priener Hütte: Die neuen Pächter Rosa und Sebastian Lohrmann über einen Start ohne Gastronomieerfahrung, überraschende Momente und ein Nachhaltigkeitskonzept, das weit über Speisen und Getränke hinaus geht.

Aschau i. Chiemgau/Sachrang - Ein Skipper und eine Schneiderin. Das sind seit Mai die neuen „Wirtsleute“ auf der Priener Hütte am Geigelstein. Ein wahrer Neuanfang ist der Betreiberwechsel der Hütte - für das Paar und ihre vier Kinder, aber auch für die Alpenvereinssektion Prien als Eigentümer. Denn Sebastian und Rosa Lohrmann hatten davor noch keine Erfahrung, was es bedeutet, einen Beherbergungs- und Bewirtungsbetrieb zu führen.

Ordentliche Portion Mut notwendig

Man habe sich schon auf den Betrieb vorbereitet und beraten lassen, erklärt Sebastian, „aber eben ohne Erfahrungswerte.“ Denn keiner habe gewusst, wie der Betrieb speziell in der Priener Hütte ablaufe. Letzten Endes war dann eine ordentliche Portion Mut notwendig. Das Paar habe im November 2020 mitbekommen, dass die bisherige Hüttenwirtin aufhöre - und sich dann aus einem Bauchgefühl heraus beworben.

„Wir sind hier in Prien verwurzelt. Deswegen kam die Idee, dass wir das machen wollen“, erzählt Rosa. Als es dann ernster wurde, habe sich das Paar aber erst mit den vier Kindern kurzgeschlossen. „Die hatten alle Lust dazu.“ Die DAV Sektion hat sich letztlich für die Familie entschieden. „Hätte es nicht mit dem Vorstand von der Sektion gepasst, dann hätten wir die Hütte ja auch nicht bekommen. Wir versuchen eh schon immer regional zu leben und das hat denen gefallen: Auch unsere Affinität zu Kindern, Jugendlichen und auch der Musik. Die Kinder spielen alle ein Instrument und das wollen wir hier auch wieder verstärkt mit reinbringen“, erzählt Rosa.

Es geht nicht ums Geschäft

Und wie sind die ersten Monate gewesen? „Finanziell ist es gut gelaufen. Wir wissen nur noch nicht, wie dick der Winterspeck sein muss, damit wir auch durch die Wintermonate kommen.“ In der Gastronomie sei alles gut gelaufen. Von den Gästen komme sehr positives Feedback. Die Atmosphäre werde sehr geschätzt. „Die spüren, dass wir keine Gastronomen im Sinne von ‚wir wollen ein gutes Geschäft hier machen‘ sind, sondern dass es uns einfach um die Begegnung, um die nette Atmosphäre geht, um das Familiäre. Und da tragen natürlich alle Mitarbeiter dazu bei, die auch sehr mit Herz und Freude dabei sind. Wir haben einfach viel Spaß im Team. Und das spüren die Leute“, erzählt Sebastian stolz.

Aller Anfang ist schwer

Doch nicht alles lief so rund wie erhofft. Die Familie musste auch mal „ein bisschen Lehrgeld zahlen“, denn einzuschätzen, wie viel Personal gebraucht wird, ist gar nicht so einfach. „Um Pfingsten rum wurden wir überrascht. Wir hatten einen riesen Ansturm, den wir nur mit der Familie gestemmt haben. Da kam dann auch der Hilferuf“, so der 44-Jährige. Teilweise seien sie dann auch wieder viel mehr Personal gewesen, als benötigt wurde. Mittlerweile habe sich das ganz gut eingependelt. „Wir haben einige Mitarbeiter, die multipel einsetzbar sind und mehrere Fähigkeiten haben. Das ist für uns sehr hilfreich, wenn wir solche Leute haben, die eben wenn keine Arbeit da ist, auch andere Sachen machen können oder sich dann frei nehmen und in die Berge gehen. Das sind uns die liebsten Mitarbeiter, die da so flexibel sind und die einfach gerne hier oben sind“, erklärt Sebastian.

Die Gastronomie läuft somit soweit. Auch das Nachhaltigkeitskonzept der Familie ist hier sehr verwurzelt. Die Lohrmanns legen viel Wert auf Regionalität, Nachhaltigkeit und Bio - in der Küche, bei den Getränken, bei der Hütte selbst und bei der Lebensart. Zumindest die Nachhaltigkeit. Denn Sebastian ist nicht nur Skipper, sondern auch Sozialpädagoge. Auch Rosa hat pädagogisch gearbeitet.

Nachhaltige Verbindung zur Natur

Sein eigener pädagogischer Ansatz passe gut mit den Einstellungen des Alpenvereins zusammen, meint Sebastian. Kurzzeitig habe der Alpenverein schon überlegt, die Warmwasserduschen auf der Priener Hütte abzudrehen. „Was ist jetzt hier mit unseren eigentlichen Wurzeln und Impulsen Bergsport und Schlichtheit?“ An diesem Punkt sei man wohl zusammen gekommen, meint Sebastian. Die Bettenanzahl wurde daraufhin reduziert - von 100 auf 70. Der Puffer solle künftig für den Alpenverein oder soziale und schulische Projekte dienen.

Das Ziel der Lohrmanns sei, eine nachhaltige, tiefe Verbindung zur Natur bei Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Dafür werde man künftig konkret mit Schulen zusammenarbeiten. Denn so etwas gehe nicht theoretisch im Schulhaus, meint Rosa. Das gehe nur mit echten Erfahrungen. Einige Schulklassen seien schon zu Besuch auf der Hütte gewesen, erzählt Sebastian, jedoch noch mit eigenem pädagogischen Konzept.

„Liebe zur Natur entfachen“

„Die Idee ist, dass man ein Konzept für verschiedene Altersgruppen aufbaut und dann immer auch schaut, dass die ökologische Bildung auch bei den Kindern nachhaltig ist. Wie schafft man das? Das geht eigentlich nur über ein persönliches Verhältnis, was ein Kind zur Natur entwickelt, ähnlich wie in einer Beziehung. Weil Nachhaltigkeit und die Ökologie hat immer auch die Rücksichtnahme auf die Natur zum Inhalt. Und Rücksicht nehmen macht man eine Zeit lang, wenn man brav ist, aber immer nur zurückstecken ohne einen eigenen inneren Ansporn dazu, da hört man es irgendwann auf. Und das vergleiche ich ein bisschen mit einer Beziehung. Wenn die Liebe in einer Beziehung da ist, dann geht man durch eine Krise durch. Man müsste irgendwie schaffen, diese ganz persönliche Beziehung und die Liebe zur Natur irgendwie zu entfachen oder zu stärken. Dann kommen die ganzen inhaltlichen Dinge, wie man sich etwa verhält in der Natur. Das wird dann ganz anders getragen und verstanden, als wenn man es nur als Maßnahme aufgesetzt bekommt“, so Sebastian.

Die letzten Monate habe die Familie erst einmal die Gastronomie kennenlernen müssen. Jetzt komme der nächste Schritt. „Ich bin jetzt schon mit verschiedenen Schulen in Kontakt“, so Sebastian. Sein Ziel sei es auch, den Schülern durch die Gastronomie auf der Hütte Einblicke ins Berufsleben aber auch ins Zwischenmenschliche zu ermöglichen.

Priener Hütte

Die Priener Hütte liegt auf 1410 m am Fuße des Geigelsteins im Naturschutzgebiet in den Chiemgauer Alpen. Seit Mai 2021 bewirten Rosa und Sebastian Lohrmann die Alpenvereinshütte. Die Pächter und auch die AV-Sektion Prien legen großen Wert auf Regionalität und Nachhaltigkeit. Dies schlägt sich in der Küche nieder. Die Zutaten kommen soweit möglich aus der Region, viele sind zusätzlich biologisch. Die Hütte ist ganzjährig geöffnet. Außerhalb der Schulferien ist montags und dienstags Ruhetag. Rund 70 Plätze bieten eine Übernachtungsmöglichkeit in Lagern oder Zimmern. Rosa und Sebastian versuchen, die Hütte so effizient, aber auch so schlicht wie möglich zu gestalten. WLAN gibt es etwa nur in äußersten Notfällen. Den Strom produziert die Hütte selbst, etwa über die Solaranlage am Dach oder für Spitzen über das eigene Blockkraftwerk. Die Priener Hütte ist in 2,5 bis 3 Stunden Gehzeit erreichbar und dient als Ausgangspunkt für zahlreiche Gipfelbesteigungen, Skitouren und Tagestouren.

ce

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