Rothmoos bei Halfing: Wo der Chef Gerstenanbau bis Bierlieferung selbst in die Hand nimmt

Halfing - Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s - diesen Spruch kennt jeder. Ebenso wie das Reinheitsgebot aus dem Jahr 1516, ein Garant für süffiges und gutes Bier. Bayern und das bayerische Bier - eine Liebesgeschichte, die seit Jahrhunderten besteht. ovb24.de nimmt die Brauereien in der Region ein bisserl genauer unter die Lupe. Andreas Kirnberger von der Brauerei Rothmoos steht uns Rede und Antwort:
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Seit wann gibt es Ihre Brauerei?
Die Privatbrauerei Rothmoos wurde offiziell 1927 in Rothmoos in der Gemeinde Halfing gegründet. Es sind keine anderen Konzerne oder externe Beteiligungen involviert: Alle Beteiligten in der Brauerei Rothmoos sind aus der Familie und heißen auch „A. Kirnberger“. Geschäftsführer war bisher immer der Braumeister, der selbst braut, herstellt und alles in der eigenen Füllerei am Brauereistandort abfüllt. Über meinen Großvater und meinen Vater bis zu meiner Person ist die Privatbrauerei als letzte und einzige mit Vollsortiment im Landkreis Rosenheim inhabergeführt. Ich bilde die dritte Generation und bin seit über 30 Jahren im Betrieb, davon knapp 20 als Braumeister.
Wie sieht die Gründungsgeschichte aus?
Brauereigründer Andreas Kirnberger (Jahrgang 1881) lernte sein Handwerk unter anderem beim Sternbräu in Rosenheim. Nachdem er in mehreren Brauereien in Bayern und Deutschland Erfahrung sammelte wanderte er 1905 nach Amerika aus um die stark wachsende Brauereibranche in den Staaten zu unterstützen, die damals überwiegend in deutscher und bayerischer Hand waren. Nach Stationen in Pennsylvania und Ohio lies er sich von 1911 bis Anfang der 20er Jahre in Terre Haute in Indiana nieder, um neben seiner „House-Brauerei“ in der „Terre Haute Brewing Company“ als Braumeister zu arbeiten. Mit der Prohibition kam jedoch das Alkoholverbot, die meisten Brauereien wurden geschlossen. Schließlich beschloss Kirnberger nach Bayern zurückzukehren - die Gebäude in den USA sind bis heute erhalten - um in Rothmoos ein Anwesen zu kaufen, in das er eine Brauerei baute, die dann 1927 angemeldet wurde und die Genehmigung vom Zollamt erhielt. Dort begann alles mehr oder weniger als „Hobbybrauerei“: Gebraut wurde zunächst nur für den eigenen Hausgebrauch gebraut und ein Teil davon in der eigenen kleinen Gaststätte in Rothmoos ausgeschenkt. In den 70ern wurde die gewerbliche Abfüllung und Auslieferung allmählich ausgebaut.

Wie erklärt sich Ihr Brauerei-Logo und das Etikett?
Das Logo ist aus zwei Teilen zusammengesetzt: Das Wappen der Familie Kirnberger, deren bayrische Herkunft einige Jahrhunderte zurückzuverfolgen ist sowie der Markenname „Rothmooser“, der auf den Ort „Rothmoos“ deuet. Der Name „Rothmooser“ ist inzwischen ein eingetragener Markenname und zugleich eine geographische Herkunftsbezeichnung. Überall wo „Rothmooser“ drauf steht, wird auch in Rothmoos gebraut, hergestellt und auch in der eigenen Füllerei abgefüllt.
Haben Sie einen Werbeslogan oder einen prominenten Vertreter Ihrer Brauerei?
2007 promotete Sonja aus Griesstätt unsere Produkte: in den Getränkemärkten und beim Probeausschank sowie unsere Trendgetränke wie RedMagic und Kinowerbung. Sonja war damals Zweitplatzierte bei der RTL2-Show „BigBrother“.
Gibt es Vereine, Mannschaften, etc., die von Ihnen gesponsert werden?
Wir unterstützen viele Vereine, die Getränke von uns beziehen, hauptsächlich aber den Fußballverein FC Halfing. Darüber hinaus unterstützen wir die Chiemgau-Lokalbahn Bad Endorf-Obing.
Wie viele Angestellte gibt es bei Ihnen? Bilden Sie aus - wenn ja, in welchen Bereichen?
Bis zur Pandemie hatten wir bis zu zehn Festangestellte und für Events auch mal 50 Aushilfen bei den Partys und Brauereifesten sowie Lehrlinge und Studenten- als auch Ferienjobs zu vergeben. Die letzten Jahrzehnte bildeten wir viele Lehrlinge beziehungsweise spätere Braumeister aus.

Welche Biere stellen Sie her?
Früher war unsere Hauptsorte das Weißbier, von dem wir mittlerweile die vier Sorten altbayrisch, leicht, dunkel (1911er) und einen Weißbierbock zu Weihnachten brauen. Unsere Weißbiere werden nach den klassischen Verfahren in offenen Gärbottichen gebraut und vergärt. Neben den Obergärigen sind wir auch noch eine Spezialitätenbrauerei für Untergärigen Biere: Hier brauen wir neben unserer Hauptsorte „Premium Hell“ noch ein Festbier. Im Sommer gibt es das Medium Hell (ein leichteres Helles) und in den Wintermonaten das „88er-Dunkles-Spezialmärzen“, welches ursprünglich zu unserem 88-jährigen Brauereijubiläum eingebraut wurde und sich seitdem großer Beliebtheit erfreut. Daneben gibt es das Pils. Mein Favorit ist hier das „Frisch gezapfte Pils“ vom Fass, da mit einer gepflegten Schankanlage sich der Bierschaum und die Hopfenblume optimal entfalten kann. Darüber hinaus bekommt man bei uns auch Radler und seit 2004 stellen wir das „RedMagic“ aus 70 Prozent Bier und 30 Prozent Blutorangenlimonade her. Als „Vollsortiment“-Brauerei stellen wir neben unseren zehn Standartbiersorten auch Biermischgetränke und alkoholfreie Erfrischungsgetränke (AfG ) her. Wir füllen unsere Biere neben Fässern in Bierflaschen 0,5 und 0,3 Liter ab, die 15 Sorten AfG in Schraubverschlussflaschen in der eigenen Füllerei in Rothmoos. Das sind neben Tafelwassern, Limonaden, Colagetränken, Schorlen, auch Spezialgetränke mit Ingwer und Wellnessgetränke.
Wie stehen Sie zur Craft-Beer-Bewegung?
Das kommt darauf an, wie „craft“ definiert wird: Wir stellen alle unsere Bier echt „handwerklich“ her. Bei uns wird jeder Wechsel mit der Hand auf- und zugedreht, die Malzsäcke mit der Hand geöffnet und gegeben - und nicht nur manuell die Computersteuerung im Sudhaus eingeschaltet. Wir sind einige der wenigen Brauereien - wenn nicht sogar die einzige im Umkreis von 100 Kilometern - die eine echte Kupferpfanne mit offener Würzekochung hat, die direkt beheizt wird. Das gibt dem Bier die charakteristische Farbe, den Geschmack und die Schaumhaltigkeit. Wenn man jetzt unter „craft-Beer“ auch noch versteht, das es stärker und mehr Hopfen drin ist, so machen wir zu Jubiläumsanlässen auch solche Biere - wie unser „90er Jubiläumsbier“ mit sieben verschiedenen Aromahopfengaben.
Ist das Reinheitsgebot noch zeitgemäß?
Das Reinheitsgebot sollte noch stärker umgesetzt werden, nicht verschärft - da wir in Bayern schon das strengere RHG haben, aber der Verbraucher sollte Informationen darüber bekommen, wer das Bier macht, wo und wie es abgefüllt wird. Auch sollte der Verbraucher darauf aufmerksam gemacht werden was „Brauereiabfüllung“ bedeutet, da dies eigentlich die schonendste Methode darstellt. Zudem werden die wenigsten wissen, das es ein „Deutsches Reinheitsgebot“ gibt und ein „Bayerisches RHG“ - obwohl es ja laut Zoll „vorläufiges Biersteuergesetzt“ heißt. In Bayern darf kein untergäriges Bier mit Weizenmalz hergestellt werden - im obergärigen Weißbier muss mindestens 50 Prozent Weizenmalz verarbeitet sein, wohingegen in Köln mit dem Kölsch ein obergäriges Bier beheimatet ist, in dem aber kein Weizenmalz drin ist. Jedes Bier, das in Bayern und Baden-Württemberg hergestellt wird muss nach dem bayerischen RHG gebraut sein. Das bürokratisch-sinnfreie daran ist, dass ich das Wort „bayerische“ sowie die weiß-blauen Rauten nicht auf dem Etikett verwenden darf, da diese Begriffe „geschützt“ sind. Andernfalls droht eine vierstellige Strafe.
Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe für die Herstellung Ihrer Biere?
Teilweise bauen wir die Gerste für unser Malz selbst an, die wird dann von mir zur Mälzerei gefahren, wo ich dann das fertige Malz wieder abhole. Alle anderen Rohstoffe wie das Spezialmalz oder Hopfen wird ebenso von mir mit dem Lkw in der Mälzerei beziehungsweise beim Hopfenverarbeiter in der Hallertau sowie bei einem Hopfenbauern in Tettnang geholt. Dies ist zwar etwas aufwendiger, hat aber den Vorteil, dass der ungewisse Transport mit einer fremden Spedition entfällt und ich habe keinen Qualitätsverlust, kann die Wareneingangsqualitätskontrolle direkt beim Verladung bei der Mälzerei beziehungsweise Hopfenlager selbst machen.

Stichwort Einzugsgebiet: Wo kann Ihr Bier überall erworben werden?
Unser Kerngebiet ist der Landkreis und die Stadt Rosenheim. Direkt ab Brauerei bieten wir einen Getränkeverkauf an. Da wir alle unsere Biere mit den eigenen Lkw selbst ausliefern und in die Getränkemärkte stellen versuchen wir ein „natürliches Frischekonzept“ aufrecht zu erhalten. Wir beliefern keine Großhändler oder Speditionen, die das Bier durch Deutschland oder bis München fahren. So haben wir die fachgerechte Auslieferung bis zum Verkaufspunkt in der Hand. Teilweise liefern wir direkt zum Kunden bis zu 200 verschiedene Sorten, denn neben den eigenen 25 hergestellten Sorten haben wir auch als Handelsware die Sorten von Adelholzener sowie africola, ORO oder Karamalz. Mit unserem Getränkeautomatenservice sind wir in vielen Behörden, Firmen und Einrichtungen in Stadt und Landkreis Rosenheim vertreten.
Auf welchen Festen sind Sie vertreten und welche Wirtschaften werden beliefert/stehen bei Ihnen unter Vertrag?
Vor der Pandemie waren wir drei- bis viermal pro Woche auf Dorffesten, in Bierzelte sowie bei Vereinsfesten, Parties und Events vertreten. Bis zu 5000 Personen können wir gleichzeitig mit unserem Festinventar bewirten. Zudem bieten wir einen „Rundum-Vollservice“ an: Dieser beinhaltet einen Fest- und Veranstaltungsservice mit Verleih von Durchlaufkühler, Festzeltgarnituren, Kühlwägen, Gläser und allem drum und dran. Außerdem umfasst er die Betreuung der Schankanlage bei Veranstaltungen. Da ich ausgebildeter Schankanlagentechniker und geprüfter Schachkundiger bin, bauen wir bei jedem Fest diese Anlagen selbst auf.
Wie viel Liter Bier werden pro Jahr bei Ihnen abgefüllt?
Unsere Füllerei kann bis zu 7000 Flaschen in der Stunde abfüllen, je nach Flaschengröße und Sorte sind das bis zu 40.000 Flaschen pro Tag. Vor Corona konnten wir bis zu 5000 Hektoliter Bier und 5000 Hektoliter AfG im Jahr abfüllen, was jetzt in Liter umgerechnet etwa eine Million ausmachen würde.

Wie geht es Ihnen in der Corona-Pandemie aktuell und wie blicken Sie in die Zukunft?
Wir haben durch Corona den Betrieb ziemlich „runterfahren“ müssen, auch personalmäßig. Wir waren gerade in den Sommermonaten sehr event-lastig, hatten viel Fassbierausschank und bedienten viele Vereinskunden wie Sportvereine. Bei uns wirkte sich das alles etwas mehr mit Rückgang aus, da wir in den Getränkemärkten fast nur mit dem Premium Hell und ein paar Weißbieren vertreten sind und unsere anderen Spezialgetränke meist über Events und Vereinsheime vertrieben werden. Auf die die überraschende Wiedereröffnung der Gastronomie Mitte Juni waren wir fast nicht vorbereitet, es fehlte Vorlaufzeit - vom Rohstoffeinkauf bis zur Abfüllung sowie die Bereitstellung von Personal. Dazu gesellt sich die Unsicherheit wie es im Herbst mit einer möglichen vierten Welle weitergeht.
Rückblick auf die letzten 10 Jahre: Was ist da besonderes passiert? Gab es ein besonderes Jubiläum?
Wir hatten vor einigen Jahren unser „90-Jähriges“ Brauereijubiläum.
Ausblick: Stellen Sie in Zukunft besondere Aktionen in Aussicht?
Früher hatten wir alle paar Jahre ein Brauereifest und alle zwei Jahre die „AK-Discoparty“. Die nächste war eigentlich für 2020 angesetzt. Was sich in der Eventbranche die nächsten Jahre tut, ist noch offen. Auch 2022 kann noch niemand fest planen.
Abschließend ein Satz über Sie: Was zeichnet Ihre Brauerei aus?
Wir sind noch eine klassische kleine Privatbrauerei mit Vollsortiment, eigener Abfüllung, Weißbier-Flaschengärung und eigenem Lkw-Fuhrpark, in der der Chef alles selbst machen kann. Die Biere werden schonend im Sudhaus mit offener Kochung und im Gär-und Lagerkeller im Drei-Tank-Verfahren hergestellt.
mb
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